Mozarts Klarinettenkonzert ist eines seiner letzten vollendeten Werke. Geschrieben hat er es ursprünglich für seinen Freund, den Klarinettisten Anton Stadler. Heute hat es jeder Solist von Rang und Namen im Repertoire. Aber auch außerhalb des Konzertsaals wird die Musik mit Begeisterung eingesetzt. Es gibt wohl kaum eine Musik, die in so vielen anrührenden Filmszenen vorkommt wie das Thema aus dem zweiten Satz. Ilona Hanning stellt das Werk gemeinsam mit der Klarinettistin Sabine Meyer vor.
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Wie ein Sologesang erhebt sich die Bassettklarinette über das Orchester. Ihr achttaktiges Thema formt einen Melodiebogen, der in seiner Schlichtheit eine unglaubliche Intensität und Ausdrucksstärke besitzt. Davon ist auch die Klarinettistin Sabine Meyer immer wieder fasziniert: "Ich finde, es muss einfach klanglich wahnsinnig schön rund sein und tragen – ein großes Piano mit einem großen Obertonspektrum. Das ist wie in der Literatur: Je sparsamer, je dichter das komponiert ist, desto mehr Möglichkeiten hat man mit diesen paar Tönen die er da uns gibt."
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Sabine Meyer | Bildquelle: Christian Ruvolo Mozart geht im zweiten Satz des Klarinettenkonzerts mit dem musikalischen Material äußerst sparsam um – Schlichtheit als Kompositionsprinzip: Eine scheinbar einfache Melodie, der Satz angelegt in schlichter, dreiteiliger Liedform. Auffallend ist auch die Besetzung des Konzerts: Die Bläsergruppe besteht nur aus Flöten, Fagotten und Hörnern. Oboen und Klarinetten spart Mozart aus und verschafft so der Solo-Klarinette ein leichtes Durchkommen. Zudem sind Celli und Kontrabässe voneinander getrennt und die Kontrabässe werden sehr sparsam eingesetzt. Das lichtet den Orchestersatz und macht ihn durchsichtig.
Kennengelernt hat Mozart die Klarinette auf seinen Reisen. In Mannheim, damals ein bedeutendes musikalisches Zentrum, äußerte er sich bereits 1778 begeistert über dieses Instrument. Dennoch erprobte er es erst in seinen Spätwerken. Das Klarinettenkonzert ist nicht nur sein letztes Instrumentalkonzert, es ist überhaupt das einzige Konzert von Mozart für die Klarinette. In Wien machten die Brüder Johann und Anton Stadler durch ihr Spiel auf der Klarinette und der tieferen Bassettklarinette Furore. Durch diese Freundschaft wusste Mozart genau, was er dem Instrumentalisten abverlangen konnte und wo deren Qualitäten sind.
Wenn man alles in die Mittellage versetzt, ist der Reiz einfach dahin.
Historische Klarinetten | Bildquelle: imago/imagebroker Das Konzert komponierte er damals für den von Anton Stadler entwickelten, neuen Klarinettentypus: die Bassettklarinette. Sie unterscheidet sich von der "normalen" Klarinette durch einen größeren Tonumfang im tiefen Register. Sabine Meyer hält sich an diese Ursprungsidee und spielt die Komposition auf der Bassettklarinette: "Ich finde es wichtig, dass man das auf diesem originalen Instrument spielt. Nie würde ein Pianist ein Konzert auf einem Klavier spielen, bei dem die untere Oktave fehlt und daher alles in die Mittellage versetzt werden muss. Das ist nicht nur ein klanglicher Unterschied, sondern die ganze musikalische Struktur wird völlig verändert. Mozart wollte eben genau die große Gegenüberstellung der Intervalle, die Tiefe und das Hohe Register. Wenn man das alles in die Mittellage versetzt, ist der Reiz einfach dahin."
Vor allem in den Ecksätzen des Konzerts lotet Mozart alle technischen Möglichkeiten der Bassettklarinette aus: Sechzehntelläufe in Form von Tonleiterskalen und Dreiklangsbrechungen durch die Register. Klangliche Herausforderungen in Form von extrem weiten Sprüngen gepaart mit radikalen Registerwechseln. Neben technischen Ansprüchen stellt sich aber auch die Frage der Interpretation: "Es gibt ja im ersten Satz keine große Kadenz, sondern einfach diese zwei Fermaten, die man je nach Laune durchaus variieren kann."
Das Konzert auf der originalen Bassettklarinette zu spielen, ist jedes Mal eine Herausforderung, meint Sabine Meyer: "Gerade dieses Instrument ist wirklich immer aufregend, man muss es umhängen, weil man die tiefen Töne mit dem Daumen spielen muss. Dadurch wird es natürlich unangenehm, aber nicht unspielbar. Was an diesem Stück schwer ist, sind ganz andere Sachen: der musikalische Ausdruck. Diese ganzen Sechzehntelläufe müssen kontrolliert, aber leicht klingen. Das ist bei Mozart einfach das Wichtigste. So entsteht ein großer Spannungsbogen."
Wolfgang Amadeus Mozart:
Konzert für Klarinette und Orchester A-Dur, KV 622
Sabine Meyer (Klarinette)
Berliner Philharmoniker
Leitung: Claudio Abbado
Label: EMI Classics
Sendung: "Das starke Stück" am 4. Juni 2024, 19.05 Uhr auf BR-KLASSIK