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Daniel Müller-Schott und Julia Fischer Ziemlich beste Freunde

Cellist Daniel Müller-Schott und Geigerin Julia Fischer: Das Traumpaar der klassischen Musik verbindet eine tiefe Freundschaft und eine gemeinsame Geschichte. Ihre musikalische Harmonie wird durch ihre enge Beziehung bereichert. Und auch Politik spielt in dieser Beziehung eine Rolle.

Cellist Daniel Müller-Schott mit Geigerin Julia Fischer | Bildquelle: © Christine Schneider

Bildquelle: © Christine Schneider

BR-KLASSIK: Wenn man Sie mitten in der Nacht aufwecken würde mit der Bitte, den jeweils anderen in einem Wort zu beschreiben – welches wäre das?

Julia Fischer: Warum muss das mitten in der Nacht sein? Und mit nur einem Wort? Das würde Daniel nicht gerecht. Aber okay, es wäre "loyal".

Daniel Müller-Schott: Mir würde "Freundschaft" einfallen.

BR-KLASSIK: Das ergibt Sinn bei Ihnen beiden. Sie werden ja oft beschrieben als das künstlerische Traumpaar. Sie kennen sich schon sehr lange – ist es nicht manchmal auch störend, wenn man sich so gut kennt?

Julia Fischer: Ich sehe darin keine negativen Seiten. Im Gegenteil, wir sind befreundet, wir freuen uns, wenn wir miteinander spielen. Wir freuen uns auch, wenn wir miteinander Zeit verbringen können. Und insofern ist es immer ein Highlight der Saison, wenn wir zusammen spielen. Und über die Jahre stellt man fest, dass man dann immer mehr mit den Leuten spielen möchte, mit denen man sich auch privat etwas zu sagen hat. Also dieser Kreis von Musikern, mit denen man zusammen musiziert, der wird einfach enger. Ich genieße das jedes Mal.

Daniel Müller-Schott: Musik ist Kommunikation. Und wenn man sich als Freunde sehr gut versteht und über viele Jahre einfach so viel erlebt und sich viel zu erzählen hat, dann ist es ein Geschenk und eine Hilfe für das gemeinsame Musizieren. Das ist bei uns so, weil wir uns wirklich seit Kindertagen kennen und so viel miteinander musiziert haben.

Musik als politischer Zeitzeuge

BR-KLASSIK: Wir leben in einer Zeit, in der sich Dinge unfassbar schnell ändern und auf den Kopf gestellt werden, so dass man auch mal das Gefühl bekommt, nicht mehr hinterherzukommen – auch im Hinblick auf die Politik. Beeinträchtigt Sie das beim Spielen? Oder sagen Sie ganz bewusst: Politik bleibt außen vor?

Julia Fischer: Gerade beim Gang hier nach oben ins Studio haben wir uns über Politik unterhalten …

Daniel Müller-Schott | Bildquelle: BR / Uwe Arens
Cellist Daniel Müller-Schott | Bildquelle: BR / Uwe Arens Daniel Müller-Schott: Es gibt keine Situation, wo man im Elfenbeinturm lebt. Wir leben in unserem Umfeld, wir müssen mit den Problemen unserer Gesellschaft und unserer Zeit zurechtkommen. Wir müssen einen Weg finden, für uns irgendwie Stabilität zu kreieren. Aber das hat sich natürlich in den letzten Jahren extrem gewandelt. Und die Musik, mit der wir uns beschäftigen, ist natürlich auch Zeitzeuge bestimmter Umwälzungen in der Gesellschaft. Derzeit planen wir ja unseren Duo-Abend mit Musik von Kodály und Ravel. Ich habe mich dafür intensiv mit dem Repertoire beschäftigt. Kodály hat seine Duo-Sonate 1914 geschrieben, am Anfang des Ersten Weltkriegs, Ravel am Ende. Was da passiert ist und was da auch in der Musik ausgedrückt wird, das ist auch für uns so ein Indikator: Was können wir an Botschaften mitnehmen? Was können wir daraus lernen? Wie können wir das in unsere Zeit übertragen? Da einen Weg zu finden, das ist quasi unser Schicksal.

Politik und Musik kann man gar nicht trennen.
Julia Fischer

Julia Fischer: Man muss sich auch überlegen, was der Sinn in der Kunst ist. Denn das Schöne ist ja, man kann immer das finden, was man möchte. Also man kann als Zuhörer in den Konzertsaal gehen und sagen: Ich möchte jetzt abschalten und ich möchte einfach mal in diesen Elfenbeinturm – wenigstens für zwei Stunden – und mir keine Sorgen machen. Gleichzeitig bin ich aber überzeugt davon, dass die Komponisten meistens genau das Gegenteil getan haben. Die waren ja auch davon bewegt, was um sie herum passiert. Ich nenne da nur Beethoven und die ganze Napoleon-Zeit. Das hat so eine große Rolle in seinem Leben gespielt. Oder Schostakowitsch und Stalin. Da gibt es zahlreiche Beispiele, wo man genau weiß, dass ein Werk geschrieben wurde, weil ein Komponist gerade in seiner Umwelt dieses oder jenes erlebt hat. Und ich glaube, Politik und Kultur oder Politik und Musik kann man gar nicht trennen. Und wir haben auch als Künstler eine Verantwortung. Gerade wenn man sich den Angriffskrieg von Russland auf die Ukraine ansieht: Alle Musiker, die aus Russland kommen, waren gezwungen, sich zu positionieren. Zu Recht. Aber dann kann man nicht sagen: Die müssen sich alle positionieren, aber wir leben hier in dem schönen Deutschland, und wir habessn mit der Politik nichts zu tun. Ich glaube, so einfach kann man sich das nicht machen.

Wer gibt den Ton an: Julia Fischer oder Daniel Müller-Schott?

BR-KLASSIK: Kommen wir noch einmal auf das Duo-Spiel. Es gibt da diesen wunderschönen Spruch von Leonard Bernstein: Who is the Boss? Das ist aus seiner Zeit, als er mit Glenn Gould zusammengearbeitet hat, also Solist versus Pult. Wie ist es bei Ihnen beiden? Wer hat das letzte Wort?

Daniel Müller-Schott: Ganz einfach: Der Boss ist immer die Musik. Ist der Boss in der Musik derjenige, der sich zurücknehmen kann und der dem anderen das Gefühl gibt: Du musst jetzt auf mich hören? Oder derjenige, der sich irgendwie groß den Vordergrund spielt und seine Zirkuskunststücke zeigen will? Ich finde, das muss eine Einheit sein. Und das ist ja genau, worüber wir hier reden.

Die Geigerin Julia Fischer | Bildquelle: Uwe Arens Geigerin Julia Fischer | Bildquelle: Uwe Arens Julia Fischer: Ich glaube, am Anfang seiner Karriere hat jeder so ein bisschen das Bedürfnis, sich in den Vordergrund zu stellen und in den Mittelpunkt. Deswegen ist es so wichtig, Kammermusik zu machen. Das sehe ich auch bei meinen eigenen Studenten. Denn gerade das Wesen der Kammermusik ist ja die Kommunikation, die Fähigkeit zuzuhören und auf den anderen einzugehen. Und erst, wenn man das gelernt hat, ist man auf einem richtigen Weg, Musiker zu werden. Daniel und ich spielen jetzt seit 25 Jahren zusammen. Sicherlich hat sich das bei uns auch gewandelt. Wir haben uns beide weiterentwickelt. Aber wenn wir jetzt ein neues Werk zusammen erarbeiten, sind beide neugierig auf die Meinung des anderen. Jeder hat sich natürlich Gedanken gemacht und denkt, das Stück muss jetzt so und so gespielt werden. Gleichzeitig aber ist ja das Schönste an unserer Arbeit, über das, was der andere zu sagen hat, nachzudenken.

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Interview mit Julia Fischer: "Kammermusik ist einfach eine ganz eigene Welt"

Gemeinsame Interessen verbinden

BR-KLASSIK: Gibt es eigentlich abseits der Musik irgendwelche Hobbys, die Sie miteinander verbinden?

Julia Fischer: Wir interessieren uns beide für Sport. Wir haben schon Olympische Spiele zusammen geguckt oder Fußball. Da mein Mann und auch meine Kinder sehr fußballfanatisch sind, bin ich da ein guter Gesprächspartner. Denn ich bin immer über den FC Bayern informiert. Das interessiert uns schon beide.

Daniel Müller-Schott: Auch Familienleben ist im Moment ein Thema, da wir interessanterweise quasi dasselbe "Kinder-Arrangement" haben: jeweils Junge und Mädchen. Und da gibt's natürlich auch immer viel, was man miteinander besprechen kann.

Julia Fischer und Daniel Müller-Schott in München

Julia Fischer - Violine
Daniel Müller-Schott - Violoncello

Am 30. April 2025 im Münchner Prinzregententheater.

Programm:

Johann Sebastian Bach:
Suite Nr. 3 C-Dur für Violoncello solo, BWV 1009

Zoltán Kodaly:
Duo für Violine und Violoncello, op. 7

Johann Sebastian Bach:
Partita Nr. 3 E-Dur für Violine solo, BWV 1006

Maurice Ravel:
Sonate für Violine und Violoncello "A la mémoire de Claude Debussy"

Mehr Informationen finden Sie hier.

Sendung: "Allegro" am 28. April 2025 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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