London, 15. Juli 1762. Das Händel-Denkmal wird in der Westminster Abbey enthüllt. Es ist ein überraschend privater, unprätentiöser Georg Friedrich Händel, der den Besucher seines Grabes begrüßt. Umrahmt von einem Spitzbogen steht der in Stein gemeißelte Meister leicht nach vorne gebeugt. Seine Haare sind kurz, die mächtige, für ihn so charakteristische Barockperücke fehlt. Ein idealisiertes Künstlergenie sieht anders aus. Mit seiner Rechten lüpft Händel ein Tuch, unter dem ein Kontrabass steckt. Über der Orgel im Hintergrund schwebt ein Engel. "Der Messias" steht auf einem Notenblatt.
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Bild: Das Händel-Denkmal in der Westminster Abbey in London. Kupferstich von E. Hanac nach der Skulptur von Louis François Roubiliac
Das Denkmal in der Westminster Abbey ist ein Werk des Bildhauers Louis Francois Roubiliac. Es ist nicht die erste Händel-Statue, die der gebürtige Franzose geschaffen hat. Bereits 1738 hat er den lebenden Komponisten in weißem Marmor festgehalten. Das Standbild des gefeierten "Orpheus der Musik" war damals eine kleine Sensation. In Stein verewigt zu werden, galt als ein Privileg für Fürsten und Feldherren. Der Geist der Aufklärung hatte begonnen, die soziale Wertigkeit eines Menschen neu zu definieren.
Roubiliacs Händel-Statue von 1738, heute im Victoria and Albert Museum London | Bildquelle: Wikmedia Commons
Roubiliac muss Händels Physis während seiner ersten Arbeit gut studiert haben. Denn als das von ihm gehauene Grab-Denkmal am 15. Juli 1762 enthüllt wird – und damit drei Jahre nach dem Tod des Komponisten – sorgt es für Erstaunen: Es ist verblüffend lebensecht. "Wie aus dem Gesicht geschnitten", meint Sir John Hawkins, der den Verstorbenen oft aus nächster Nähe erlebt hat. Nach Urteil des Musikschriftstellers ist Roubiliacs Monument das mit Abstand authentischste aller Händel-Porträts.
In der Westminster Abbey können wir Georg Friedrich Händel gegenübertreten, so wie er wahrscheinlich ausgesehen hat. Das kann man von keinem anderen Komponisten des 18. Jahrhunderts sagen.
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Sendung: "Allegro" am 15. Juli 2024 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK