Wien, 22. Dezember 1808: Beethoven tritt zum letzten Mal öffentlich als Konzertpianist auf. Sein Gehörleiden macht ihm eine weitere Tätigkeit als ausübender Musiker am Instrument unmöglich. Doch ein letztes Mal zeigt er sein ganzes Können.
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Was heute geschah — 22. Dezember 1808
Beethoven tritt zum letzten Mal öffentlich als Pianist auf
Energisch und zupackend, so kennt ihn das Wiener Publikum - und verehrt ihn: Beethoven, den Starpianisten und Meister der Improvisation. "Er verstand es, einen solchen Eindruck auf die Hörer hervorzubringen, dass häufig kein Auge trocken blieb, während manche in lautes Weinen ausbrachen. Denn es war etwas Wunderbares in seinem Ausdrucke." So schreibt Carl Czerny.
Bislang wird Beethoven vor allem als Pianist gefeiert. Das soll sich jetzt ändern – mit einer Akademie kurz vor Weihnachten im Theater an der Wien. So Beethovens Plan. Sein problem: Er hört immer schlechter. Schon jetzt entschlüpfen ihm die Töne unter den Fingern und verschwimmen zu Watte, ehe sie sein Ohr erreichen. Beethoven muss also umdisponieren, will sich als Komponist profilieren. Und er übertreibt es: Ein Klavierkonzert, zwei Symphonien, Teile einer Messe, eine Arie und die Chorfantasie stopft er in ein Programm. Im ungeheizten Theater ist es eisig kalt, erinnert sich Johann Friedrich Reichhardt: "Da haben wir denn auch in der bittersten Kälte von halb sieben bis halb elf ausgehalten, und die Erfahrung bewährt gefunden, dass man auch des Guten – und mehr noch, des Starken – leicht zu viel haben kann."
Das Adagio sang er wahrhaft auf seinem Instrumente.
Während das Publikum mit rauchenden Köpfen und in dicke Mäntel gehüllt auf seinen Plätzen ausharrt, springt Beethoven auf der Bühne herum – vom Klavierhocker zum Dirigentenpult und wieder zurück. Zwischendurch brüllt er das Orchester an, einen bunt zusammengewürfelten Haufen zweitklassiger Musiker, die hoffnungslos überfordert sind. Beethoven versucht, den Abend zu retten. Am Klavier zeigt er ein letztes Mal sein ganzes Können und spielt die Uraufführung seines Vierten Klavierkonzerts. "Ein neues Fortepiano-Concert von ungeheurer Schwierigkeit, welches Beethoven zum Erstaunen brav, in den allerschnellsten Tempi ausführte. Das Adagio sang er wahrhaft auf seinem Instrumente mit tiefem melancholischen Gefühl, das auch mich dabei durchströmte." Soweit Johann Friedrich Reichhardt.
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Krystian Zimerman - Beethoven - Piano Concerto No 4 in G major, Op 58
Ein verlöschendes Glanzlicht. Nach diesem Abend tritt Beethoven nie wieder öffentlich als Konzertpianist auf. In Zukunft wird er für sein Umfeld – und vor allem für die Nachwelt – nur noch eines sein: ein großartiger Komponist.
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Sendung: "Allegro" am 22. Dezember 2020 ab 06:05 Uhr auf BR-KLASSIK