Bonn, 17. Dezember 1770: Ludwig van Beethoven wird geboren. Vielleicht. Wahrscheinlicher aber ist, dass er am Vortag geboren ist und man ihn dann tags darauf in die Kirche getragen hat zur Taufe. Die erschöpfte Mutter Maria Magdalena ist nicht dabei, aber Großvater Ludwig. Der ist 58 Jahre alt und Bonner Hofkapellmeister. Nach ihm wird der Kleine benannt. Und Gertrud Baum ist da, die Nachbarin. Die beiden sind die Taufpaten.
Bildquelle: Beethoven-Haus Bonn
Jedenfalls ist der 17. Dezember 1770 ein Montag. Nasskalt, ein paar Grad über Null, unangenehm windig. Es soll möglichst schnell gehen. Zum Glück sind es vom Wohnhaus in der Bonngasse nur ein paar hundert Meter bis zur eiskalten Remigiuskirche.
Nun also schwebt der kleine Ludwig, dick in Windeln eingepackt und vom Großvater gehalten, vor dem Taufbecken in der Luft. Unter Murmeln und Gebeten und mit Weihwasser spendet Pastor Cornelius Metternich die Sakramente. Schreit Beethoven? Wissen wir nicht. Möglicherweise aber schreit er jetzt gleich: denn er bekommt einige Tropfen Wein eingeflößt – das ist eine kleine Besonderheit im Taufritus des Erzbistums Köln. Keinen konsekrierten, also bereits gewandelten Messwein, aber immerhin gesegneten Wein bekommt der Täufling als Erinnerung an die Taufkommunion. Quasi nach dem Motto "doppelt genäht hält besser" wird dem Säugling sofort nach der Taufe auch die Kommunion verabreicht, damit seine Seele im Fall eines plötzlichen Todes gerettet ist und in den Himmel kommt.
Aufklärung hin oder her – das ist wichtig für die Familien. Die Sterblichkeit ist groß, 25 Prozent aller Säuglinge erleben ihren ersten Geburtstag nicht. Außerdem ist bereits ein Jahr zuvor ein Bruder des kleinen Ludwig gestorben. Er war nur zwei Wochen alt geworden.
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Beethoven - Piano Sonata No. 2, WoO 47
Der kleine Beethoven schreit wie am Spieß, als er den Wein bekommt – oder er dreht nur angewidert den Kopf weg. Wissen wir alles nicht. Viel anderes wissen wir schon: dass sich Ludwigs unheimliche Begabung sehr bald zeigen wird, dass er seine Mutter vergöttert und zum Vater ein schwieriges Verhältnis hat, und dass er von jetzt an 56 Jahre und drei Monate Zeit hat, um die Welt mit seiner Musik zu einem besseren Ort zu machen.
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Sendung: "Allegro" am 17. Dezember 2020 ab 06:05 Uhr auf BR-KLASSIK