Sie war die erste Afroamerikanerin, die in den USA als Komponistin klassischer Musik bekannt wurde: Florence Beatrice Smith Price. Nach ihrem Tod 1953 geriet ihre Musik lange in Vergessenheit – inzwischen erlebt die Komponistin ein Revival: Ihre Erste Symphonie wird regelmäßig aufgeführt, 2020 wurde in den USA das "International Florence Price Festival" gegründet. Die Wiederentdeckung der Komponistin ist also in vollem Gang. Zum ersten Mal überhaupt ist nun ein Album mit Klaviermusik von Florence Price erschienen, herausgegeben und gespielt von der US-amerikanischen Pianistin Kirsten Johnson.
Bildquelle: Guild
Der CD-Tipp zum Anhören
Ein Doppelalbum mit 34 Klavierwerken von Florence Price, die meisten zum ersten Mal überhaupt veröffentlicht – das sagt viel aus über die Wahrnehmung afroamerikanischer Kompositionskunst in der klassischen Musik. Dabei hat Florence Price ihre musikalische Karriere schon früh begonnen. 1887 wird sie im Süden der USA in Little Rock/Arkansas geboren, damals prägt strikte Rassentrennung und Gewalt gegen Schwarze den Alltag. Bereits als Kind bekommt Florence Price Klavierunterricht von ihrer Mutter, gibt mit vier Jahren ihr erstes Konzert und veröffentlicht ihre erste Komposition mit elf. Als junge Frau studiert sie in Boston Orgel, Klavier und Komposition und kehrt danach als Musiklehrerin in ihre Heimat zurück. Nach ihrer Hochzeit eröffnet Florence Price in Arkansas schließlich eine Klavierschule.
Das längste Klavierwerk von Florence Price ist ihre Sonate in e-Moll. 1932 bekommt die Komponistin dafür einen Preis – bei einem Kompositionswettbewerb extra für Schwarze. 45 Jahre alt ist Florence Price damals. Für Klavier schrieb sie aber auch viele Miniaturen, zum Beispiel "Nimble Feet" – "Flinke Füße". Es ist ein Stück im Ragtime-Rhythmus – Nummer eins der drei "Dances in the Canebrakes": Tänze, die von den "Giant Canes" inspiriert sind. Das ist eine Bambusart, die früher in den Überschwemmungsgebieten des Mississippi wucherte. Sklaven mussten das Bambusdickicht roden, um Platz für Baumwolle zu schaffen – am Ende eines harten Tages wurde trotzdem getanzt.
Dieses Album wird lieben, wer…
… Florence Price in all ihren Facetten als Komponistin besser kennenlernen möchte.
Dieses Album muss man haben, weil…
… es mit Leichtigkeit in eine Welt voller kleiner Szenen entführt, und damit fast sowas wie ein Film ist.
Dieses Album führt bei einer Überdosis dazu, dass…
… man Verlage auf die Stücksammlung hinweist, um sie hoffentlich bald als Notenbuch auf dem Klavier zum Nachspielen zu haben.
"Tänze aus den Canebrakes", "Ein Tag im Leben einer Waschfrau", "Im Land der Baumwolle", "An einem Sommerabend": Fast alle der kurzen Kompositionen haben programmatische Titel, erzählen vom Leben und der Natur im Süden der USA. Price vertont das Rattern der Baumwollentkörnungsmaschine, das Trippeln eines Kindes, das einen Keks stibitzt oder die berauschende Schönheit eines Sommerabends. Und kombiniert dabei afroamerikanische und romantisch-europäische Musiktraditionen.
Zartes Idyll, tänzelnde Lebensfreude, melancholisches Seufzen und augenzwinkernder Humor – es macht einfach Freude, Pianistin Kirsten Johnson bei ihrer Pionierarbeit zuzuhören. Die in Großbritannien lebende US-Amerikanerin hat bereits mehrfach Klaviermusik von in Europa Unbekannten aufgenommen, von Arthur Foote beispielsweise, James Hewitt oder Benjamin Carr, um die Namen einfach mal zu nennen. Außerdem das komplette Klavierwerk von Amy Beach. Nun kommt Florence Price dazu – ein wunderbarer Beitrag zu einer Diskussion, die den Blick auf die Geschichte der klassischen Musik weiten möchte.
Florence Price:
Diverse Klavierwerke
Kirsten Johnson (Klavier)
Label: Guild
Sendung: "Piazza" am 19. November 2022 ab 8:05 Uhr auf BR-KLASSIK
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