Als "Ehe zu viert" wird das Streichquartett häufig bezeichnet. Das ist vielleicht ein bisschen übertrieben. Aber mögen muss man sich schon, wenn man ständig gemeinsam spielt. Beim jungen Leonkoro Quartett aus Berlin sind zwei Brüder dabei – ob das den Zusammenhalt stärkt? Bernhard Neuhoff hat sich die Debüt-CD des Leonkoro Quartet angehört und ist sich sicher: Die vier werden in der Klassikwelt berühmt.
Bildquelle: Mirare
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Manchmal öffnet man ohne besondere Erwartungen ein neues Album und bleibt schon bei den ersten Tönen hängen. Und manchmal ist ein Debüt-Album viel, viel schöner als die x-te Veröffentlichung eines großen Namens. Und man hört es wieder. Und nochmal. Und es wird nicht langweilig.
Klar, ganz unbekannt ist das Leonkoro Quartet nicht mehr. Auf der Website stehen die eindrucksvollen Preise, die die vier jungen Berliner gewonnen haben. Die BBC hat sie in ihr Young Artist's Program aufgenommen. Klassik-Größen wie Alfred Brendel lassen sich mit lobenden Worten zitieren. Angepriesen wird viel. Dieses Album ist wirklich etwas Besonderes. Schon allein, weil sich der Klassikmarkt so stark verändert hat. Major Labels lassen sich auf Kammermusik ja kaum noch ein, und junge Ensembles müssen oft ziemlich viel Geld bezahlen, um überhaupt ein Debüt-Album auf den Markt zu bringen. Nicht selten steckt darin aus eigener Tasche der Gegenwert eines Kleinwagens. Und das investieren junge Klassikkünstler nicht, um mit der CD Geld zu verdienen, sondern weil man nur so Konzertengagements kriegt, die dann wirklich was abwerfen.
Die Leonkoros hatten da Glück – die Produktion ihrer Debüt-CD war Teil des Gewinns beim Streichquartett-Wettbewerb in Bordeaux. Und Glück hatte auch das französische Label Mirare, denn diese Künstler müssten eigentlich, wenn sie denn zusammenbleiben und so weiter machen, schon bald zu den berühmtesten Quartetten der Gegenwart gehören. Jedenfalls soweit sich das anhand einer Aufnahme beurteilen lässt.
Vor allem Schumanns wundervolles A-Dur-Quartett berührt in dieser Einspielung vom ersten bis zum letzten Ton. Dem Leonkoro Quartet gelingt etwas Seltenes: Die vier spielen hemmungslos romantisch und schlank zugleich, voll drin im leidenschaftlichen, erregten Erzählen, in der Körperlichkeit dieser Musik, die seufzt und singt und deklamiert und sich reinsteigert in die großen Gefühle. Aber sie werden nie dick im Klang. Das ist wirklich exzellent – ein Wurf, eine der schönsten Aufnahmen dieses Stücks.
Klasse auch das Streichquartett von Ravel, das die vier erfrischend herb spielen – mit Lust an den Dissonanzen und reichen Klangfarben – der Quartettklang kann aggressiv sein und süß, heftig und fast irreal leise, als würden die Klänge wie ein fernes Echo herübergeweht.
Seit vier Jahren spielen die vier Mittzwanziger nun als Quartett zusammen – wobei zwei von ihnen schon sehr viel länger gemeinsam Musik machen: Jonathan und Lukas Schwarz an erster Geige und Cello sind Brüder. Darauf spielt auch der Name an: Das Wort Leonkoro bedeutet auf Esperanto Löwenherz – in Anspielung auf den berühmten Roman von Astrid Lindgren. Wenn alle vier so gut zusammenhalten wie die Brüder Löwenherz, dann steht diesem Quartett eine große Karriere bevor.
Maurice Ravel: Streichquartett F-Dur
Robert Schumann: Streichquartett Nr. 3
Leonkoro Quartet
Label: Mirare
Sendung: "Piazza" am 09. September 2023 ab 8.05 Uhr auf BR-KLASSIK
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