Anton Bruckner hat ein Problem: Außerhalb des deutschsprachigen Raums findet seine Musik kaum statt. Dabei ist der Österreicher ein Meister der romantischen Epoche. Besonders seine 7. Symphonie hat es unserer Autorin Rebecca Bück angetan. Warum Bruckner auch bei jungen Menschen wie unserer Autorin mehr Aufmerksamkeit verdient hat, als er bisher bekommt.
Bildquelle: Walter Abendroth: Bruckner. Eine Bildbiographie, München 1958
Dieses Jahr feiern wir den 200. Geburtstag von Anton Bruckner. Was für ein besseres Geschenk könnten wir ihm machen, als seine Musik endlich als das Meisterwerk zu behandeln, das sie ist? Gerade seine 7. Symphonie ist ein Werk für die Geschichtsbücher. Musikkennerinnen und -kenner wissen das. Im Radio, auf TikTok oder in Instagram-Reels kommt sie trotzdem kaum vor. Zeit, ihn auch für die junge Generation wiederzubeleben. Was man über Anton Bruckner wissen sollte.
Mitten in die Romantik wird Joseph Anton Bruckner am 4. September 1824 im österreichischen Ansfelden geboren. Anders als die Mozarts und Beethovens dieser Welt war er kein Wunderkind (und wurde, anders als die Mozarts und Beethovens dieser Welt, auch nicht von seinen Eltern dazu gemacht), aber auch er ist schon in jungen Jahren begeistert von Musik.
Erfolg als Komponist hat er allerdings erst spät: Bis in die Mitte seines Lebens arbeitet er als Lehrer und Domorganist, seine erste Symphonie feiert Premiere, da ist er 44 Jahre alt.
Besonders angetan hat es ihm der Deutsche Richard Wagner. Dem Komponisten widmet er seine 3. Symphonie, und nach dem Tod des verehrten Idols eine Coda in der 7. Symphonie. Wagner selbst war zunächst wenig an Bruckner interessiert. Dennoch kann Bruckner mit der Zeit Wagners Respekt für sich gewinnen, der dann für die Symphonien des Österreichers nur lobende Worte findet.
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Nicht alle sehen den Wert von Bruckners Werken – bis heute. Einfältig sei seine Musik, und er ein pedantischer Zahlenmensch, dessen Stücke sich auf 2er, 4er, 8er, 16er-Takte runterreduzieren ließen.
Andere werfen ihm vor, seine Musik sei zu umständlich und zu grob, ein Bauerntölpel eben. In Wien sagte man sogar: “Halb Genie, halb Trottel”.
Vor 140 Jahren in Leipzig uraufgeführt, ist die 7. Symphonie in E-Dur (WAB 107) Bruckners finaler Durchbruch in der Welt der klassischen Musik und sein Meisterwerk zugleich. Die klassisch aufgebaute Symphonie (Allegro Moderato in E-Dur, Adagio in cis-Moll, Scherzo in a-Moll, Finale in E-Dur) ist dem bayerischen König Ludwig II. gewidmet. Zu seinen Lebzeiten wurde die Symphonie 33-Mal aufgeführt, heute ist sie sein vielleicht bekanntestes Werk.
Alle großen Orchester haben sie im Repertoire, eine schöne Aufnahme liefert das hr-Sinfonieorchester unter der Leitung von Christoph Eschenbach.
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Bruckner: 7. Sinfonie ∙ hr-Sinfonieorchester ∙ Christoph Eschenbach
Die Reprise im 2. Satz, dem Adagio in cis-Moll, wirkt wie ein auskomponierter Sonnenaufgang. Bruckner lässt zunächst die Bläser das zweite Thema (Non-Confundar-Thema) spielen, begleitet von den ersten Violinen, die aufsteigende Sextolen-Ketten spielen. Das Thema wechselt mal zu den Streichern (1. Violine bleibt bei den Sextolen), später wieder zurück zu den Bläsern. Die Harmonien schrauben sich auf dem Quintenzirkel immer weiter nach oben, bis der Abschnitt mit einem strahlenden C-Dur abgeschlossen wird. Da geht mir jedes Mal das Herz auf.
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Besonders am 2. Satz, der in den Wochen vor Richard Wagners Tod entsteht, ist auch die Widmung an den deutschen Komponisten. Schon die Entstehung ist direkt mit Wagner verknüpft: Traurig über den wahrscheinlich baldigen Tod seines Idols, fällt Bruckner das Adagio in cis-moll ein. Die Nachricht vom Ableben des Deutschen inspiriert Bruckner dann zur Coda.
In der Coda lässt Bruckner die “Wagnertuben” mit dem zweiten Thema erklingen – und keine fünf Takte, nachdem man noch im strahlenden C-Dur den Sonnenaufgang erlebt hat, ist man schon wieder im dunklen cis-Moll angekommen, bitterlich betrübt über den Tod des geliebten und geschätzten Lehrmeisters.
Anton Bruckner hat neun Symphonien geschrieben (genauso viele wie Beethoven), denselben Erfolg kann er damit aber bei Weitem nicht verbuchen. Im Radio läuft seine Musik selten, auf Streamingdiensten hängt er in Zahlen den großen Komponisten weit hinterher (monatlich weniger als 250.000 Hörerinnen und Hörer; Brahms allein hat rund 4,5 Millionen, Mozart und Beethoven mehr als sieben Millionen).
Und trotz des Booms klassischer Musik in den Sozialen Medien spielt er dort keine Rolle. Wer auf TikTok "Bruckner" sucht, findet vor allem die oberpfälzerische Indie-Pop-Band der Brüder Jakob und Matti Bruckner, aber wenig Anton Bruckner. Dauerbrenner sind aktuell Verdis "Dies Irae", Dvoraks 9. Symphonie, natürlich Mozart, Vivaldis "Sommer" und seit Wochen "La Campagnella" von Paganini. In den vielen "Top-10-Klassische-Musik"-Videos fällt der Name Bruckner nie.
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Dabei schlägt Bruckners Musik in eine bestimmte Kerbe: Musik, die reinhaut, epische Soundtracks. Die Romantik klingt gerne wie Filmmusik, oder andersrum: Filmmusik klingt oft romantisch. Und Musik von Hans Zimmer, John Williams und Co. kommt sowohl auf Social Media als auch im echten Leben gut an.
Bruckners 7. Symphonie ließe sich also sicher gut über ein Schlachtfeld im nächsten "Avengers"-Film, eine dramatische Liebeserklärung oder einen Drohnenflug über die Alpen legen.
Im Bruckner-Jahr schaut die Welt endlich auf Anton Bruckner. Das ist die Chance, seine Musik sowohl im Radio als auch in den Sozialen Medien mehr in den Fokus zu rücken und öfter zu hören.
Und wenn man eines vom Spätzünder Bruckner lernen kann, dann, dass Erfolg auch spät zünden kann – in diesem Fall sogar nach dem Tod.