Pianist Arcadi Volodos hat seine Wurzeln in der strengen russischen Klavierschule, er ist ein Virtuose – ohne Frage. Gleichzeitig ist er ungemein radikal und geht an Grenzen. Das zeigt sein Klavierabend bei den Salzburger Festspielen.
Bildquelle: © SF/Marco Borrelli
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Auf den ersten Blick ein wenig spektakuläres Programm: Schubert, Schumann, Liszt. Geht es stromlinienförmiger? Doch am Ende dieses Klavierabends von Arcadi Volodos ist klar, dass man diese vermeintlich vertraute Musik so radikal, so extrem, wohl doch noch nicht gehört hat. Schuberts große a-Moll-Sonate nicht, und Schumanns "Davidsbündlertänze" auch nicht.
Arcadi Volodos ist Ende der 90er mit Mitte zwanzig als Supervirtuose gestartet.1972 wurde Volodos in St. Petersburg geboren. Zunächst studierte er Gesang und Dirigieren bevor er ganz auf das Klavierspiel setzte und in Moskau die strenge russische Klavierschule durchlief. Die ist noch heute zu hören, Volodos galt lange als Virtuose reinsten Wassers, zu dessen Repertoire inzwischen allerdings auch ganz anderes wie die späten Klavierstücke von Brahms oder Musik des Spaniers Federico Mompou gehören. Der Mann liebt und sucht die Extreme, und liebt es, sie auszureizen. Auch, vielleicht gerade bei Schubert und Schumann.
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Nein, man muss nicht alles mögen, nicht mit allem einverstanden sein, was Volodos da spielt. Man darf, ja sollte sich reiben an seinen Interpretationen. Immer wieder im Kopfsatz von Schuberts a-Moll-Sonate dehnt er Pausen bis an die Grenze des Stillstands, unterbricht den Fluss der Musik. Dafür fegt das Finale in aberwitzig schnellem Tempo daher, ganz so, als wisse ein überforderter, scheinbar ziellos dahinjagender Schubert nicht mehr ein noch aus.
Auch Volodos' fünf Piano-Abschattierungen stehen nicht in den Noten. Und doch wirkt das alles überzeugend, überhaupt nicht so, als tobe da jemand seine Willkür aus. Was sich wohl sagen lässt: Volodos interessiert sich grundsätzlich wenig dafür, woher die Musik kommt, die er spielt. Sehr intensiv jedoch dafür, wohin sie geht. Bei ihm weist alles nach vorn, in die Zukunft, er macht das wegweisend Moderne hörbar. Das ist mitunter anstrengend, aber fast immer spannend.
Schumanns Davidsbündlertänze leben vom Kontrast zwischen dem introvertiert träumerischen Eusebius und dem feurig aufbrausenden Florestan, letztlich zwei Facetten des Komponisten selbst. Ob der sich diese Gegensätze tatsächlich so extrem gedacht hat, wie sie bei Volodos klingen? Sein Florestan kann schon mal die Züge eines grotesken Harlekin annehmen, auch ins Donnern und Poltern geraten. Sein Eusebius dagegen verliert sich gerne komplett in ätherischen Traumgespinsten. Beide zeichnet Volodos als Zerrissene, Haltlose. Schon in diesem frühen Werk lässt der späte Schumann der Endenicher Irrenanstalt grüßen.
Vielleicht muss Arcadi Volodos nach diesem Schubert und diesem Schumann dem Affen Zucker geben. Ein Befreiungsschlag mit Liszts aberwitzig virtuoser Ungarischer Rhapsodie Nr. 13. Volodos wäre nicht Volodos, wenn ihm Liszts sündhaft schwerer Notentext nicht zu einfach wäre. Da muss schon die eigene, nochmals schwierigere Fassung her. Das Salzburger Publikum, zuvor schon hochgradig begeistert, tobt entsprechend. Vier Zugaben, von Rachmaninow bis Bach alles dabei. Ein großer Klavierabend.
Sendung: "Allegro" am 13. August 2024 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK
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