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Pianistin Isata Kanneh-Mason Neues Album "Mendelssohn"

Die britische Pianistin Isata Kanneh-Mason kam 1996 als ältestes von sieben Kindern einer musikbegeisterten Familie zur Welt. Jetzt ist ihr neues Album mit Musik von Felix und Fanny Mendelssohn erschienen – "Mendelssohn" heißt es. Sogar ein neu entdecktes Stück von Fanny ist darauf zu hören.

Isata Kanneh-Mason | Bildquelle: Karolina Wielocha

Bildquelle: Karolina Wielocha

BR-KLASSIK: Isata Kanneh-Mason, seit der Hochzeit von Harry und Meghan kennt man Ihren Bruder, den Cellisten Sheku Kanneh-Mason, weltweit. Plötzlich war einer von Ihren Geschwistern ein weltweiter Star. War das schwer für Sie, dass Ihr Bruder so einen Karriere-Boost bekommen hat?

Isata Kanneh-Mason: Nein, überhaupt nicht. In der Familie unterstützen wir uns gegenseitig. Wenn einer von uns erfolgreich ist, dann freuen wir uns gemeinsam darüber. Wir waren alle total aufgeregt. Und ich meine, wenn Sheku Karriere macht, bedeutet das auch für uns, dass wir mehr Möglichkeiten bekommen – auch nachträglich. So gesehen, nein, es war nicht schwer für mich.

Entwicklungsprozess Gleichberechtigung

BR-KLASSIK: Auf Ihrem neuen Album spielen Sie Musik von Felix und Fanny Mendelssohn. Und Fanny war als Tochter benachteiligt. Bei ihr durfte die Musik nur Zierde sein. Eine Profi-Karriere war ihr nicht gestattet, während der  Bruder gefördert und berühmt wurde. Würden Sie sagen, dass unsere Gesellschaft heute weiter ist, was die gleichberechtigten Karrieremöglichkeiten in der Musik betrifft?

Sheku Kanneh-Mason und Isata Kanneh-Mason | Bildquelle: Decca Isata Kanneh-Mason mit ihrem Bruder, dem Cellisten Sheku Kanneh-Mason | Bildquelle: Decca Isata Kanneh-Mason: Da sind wir heute auf jeden Fall deutlich weiter als zu der Zeit von Fanny Mendelssohn. Es muss aber noch viel passieren. Wir sind da noch in einem Entwicklungsprozess – gerade was die Anzahl von Komponistinnen und Dirigentinnen angeht. Aber wir haben in den letzten 200 Jahren schon Fortschritte gemacht und es ist ganz verrückt zu sehen, was für ein Leben Fanny führte im Vergleich zu dem unsrigen heute.

BR-KLASSIK: Würden Sie sagen, dass sich das auf Geschlecht und auch sowas wie Herkunft, Hautfarbe bezieht?

Isata Kanneh-Mason: Nein, es wäre verrückt zu glauben, dass wir in einer gleichberechtigten Welt leben. Es gibt überall Diskriminierung und alle möglichen Minderheiten kämpfen darum, gehört zu werden. Aber wir sind alle Teil dieses Kampfes und bewirken jeden Tag mehr Veränderungen.

Isata Kanneh-Mason spielt neu entdeckte "Ostersonate"

BR-KLASSIK: Auf Ihrem neuen Album ist ein Stück von Fanny drauf, das jetzt erst wiederentdeckt wurde – nach 150 Jahren. Zwischenzeitlich war es sogar Felix zugeschrieben gewesen. Was ist das besondere an dieser "Ostersonate"?

Isata Kanneh-Mason: Fanny hat sie mit gerade mal 22 Jahren geschrieben. Sie ist sehr dynamisch und voller Leidenschaft. Was das Emotionale angeht, ist sie ganz anders als die Musik von Felix Mendelssohn. Sie hat einen ganz eigenen Stil. Das ist das Besondere an dieser Sonate.

BR-KLASSIK: Wie würden Sie den Unterschied zwischen Fannys und Felixs Musik beschreiben?

Isata Kanneh-Mason: Das ist total schwer zu sagen. Es ist, also müsste man Chopin und Brahms miteinander vergleichen. Was ist anders? Ich würde sagen: Die Helligkeit ihrer Phrasen, ihre bevorzugten Harmonien und auch der Klaviersatz. Fanny arbeitet gerne mit Akkorden. Felix Mendelssohn drängt in seiner Musik mehr vorwärts, während Fanny Mendelssohn ihren Satz mehr verdichtet, würde ich sagen.

Podcastempfehlung

Das Leben von Fanny und Felix Mendelssohn in neun Folgen – zu hören der ARD Audiothek. Gesprochen von Martina Gedeck und Udo Wachtveitl.

Zielstrebige Fanny Mendelssohn

BR-KLASSIK: Fühlen Sie sich der einen Musik näher als der anderen?

Isata Kanneh-Mason: Nein, das würde ich nicht sagen. Ich kenne die Musik von beiden recht gut. Es hängt ganz vom jeweiligen Stück ab.

BR-KLASSIK: Sie haben auch in dem Film "The other Mendelssohn" teilgenommen. Was fasziniert Sie denn an Fanny? Warum sollte ihre Musik heute gehört werden?

Isata Kanneh-Mason: Ich denke, sie ist eine faszinierende Frau, weil sie trotz dieser ganzen Beschränkungen in ihrem Leben komponiert hat. Und auch wenn sie nicht reisen konnte, um aufzutreten, hat sie diese musikalischen Soireen zuhause geschrieben und dort aufgeführt. Sie war sehr zielstrebig, und sie hat durchaus viel komponiert. Also es lohnt sich in jedem Fall, sich mit ihren Stücken zu beschäftigen.

BR-KLASSIK: Sie haben bei der First Night of Proms das Klavierkonzert von Clara Schumann aufgeführt. Ist es Ihnen denn generell ein Anliegen, Komponistinnen fördern? Wie ist da Ihr Plan für die Zukunft?

Isata Kanneh-Mason: Ich denke, das ist sehr wichtig. Nicht nur für mich, sondern für alle. Und ich denke, das sind großartige Stücke. Das von Clara Schumann war auch das erste, das ich aufgenommen habe. Deshalb war es wunderbar, es bei den Proms wieder zu spielen. Pläne für die Zukunft habe ich nicht, gerade spiele ich etwas von Sofia Gubaidulina. 

Sendung: "Allegro" am 9. August 2024 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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