Am Bayerischen Staatsballett wurden sie letztes Jahr gefeiert: Jetzt hat der Nürnberger Ballettchef Goyo Montero ein Stück von Sol Léon und Paul Lightfoot ans Staatsheater geholt. Dazu gibt es noch Jean-Christophe Maillots Choreografie zu Strawinskys "Les Noces".
Bildquelle: © Jesus Vallinas
Mit gesenktem Kopf schreiten die Brautleute aus den Kulissen, hinten an der Bühnenmitte. Unsicher, was sie erwartet; an der Hand der Brauteltern; dem Ritual ergeben, das hier vollzogen wird.
Dazu erklingt ungemein stressige, aber auch einzigartige Musik von Igor Strawinsky. "Les Noces", die Hochzeit, 1923 als Ballett geschrieben für vier Solostimmen und vier Klaviere plus Percussion. Es hämmert, es treibt. Das Tempo ist so hoch wie die Aufregung des Brautpaares groß ist. Volkslieder und Archaisches mischen sich immer wieder darunter. Es ist ein wahnwitziges Stück, 30 Minuten treibende Musik, bis zum Glockenschlag, der den Vollzug Hochzeitsnacht einläutet.
Jean-Christophe Maillot hat sich 2003 für das Ballett in Monte Carlo eine neue Choreografie zu dieser Musik ausgedacht. Goyo Montero hat diese nun als deutsche Erstaufführung nach Nürnberg geholt. Und das ist ein Erlebnis. Maillot schafft eine Körpersprache, deren fließende Anmutung wie ein Pendant zur Musik wirkt. Immer wieder wird hier die Spannung zwischen Erotik, Angst vor dem Neuen und Übermut spürbar, die diese Hochzeitsnacht auszeichnet. Dabei bleibt die Choreografie durch und durch modern. Kein Pathos. Keine Nostalgie.
Aufgeteilt ist die Kompanie nach Familien, Braut- und Bräutigamseltern und der jeweiligen Entourage der Verlobten. Daraus ergeben sich symmetrische Raumformen. Trios und Gruppenstücke, aus denen sich das Brautpaar immer wieder herauslöst. Lisa Van Cauwenbergh und Luca Branca tanzen diese Annäherungen, geben das Paar überzeugend jung und lustvoll.
Kann was: das Nürnberger Ballettensemble | Bildquelle: Jesus Vallinas
Und die Nürnberger Kompanie beweist ihre Virtuosität, tanzt eng zusammen, synchron, auf den Punkt. Es ist immer wieder eine Freude zu sehen, was diese Kompanie kann; wie Goyo Montero sie auch fordert, in dem er solche Großkaliber an Choreografinnen und Choreografen nach Nürnberg holt.
Das gilt auch für "Stop Motion" von Sol Léon und Paul Lightfoot. Die kühle Raffinesse von "Les Noces" weicht hier einer dunklen Wärme. Zwischen Stummfilm-Horror und Gothic-Eleganz zeigen die Tänzerinnen und Tänzer melancholische Bildwelten. Wirbelnder und weniger symmetrisch in den Raum gesetzt, vermischen sich immer wieder klassische Exercices mit modernen Brechungen: Arabesken, die mit der Hand gehalten werden; Handflächen, die plötzlich nach oben klappen und die Körperlinie brechen; Gesichter, die sich zum stummen Schrei verformen. Und immer wieder: Rennen.
Max Richters Musik dazu schwillt an, lässt warmen Bässe blubbern, erzeugt wohlig pathetische Schauer. An dieser Grenze agiert das Choreografen-Paar geschickt. Gerade so viel Pathos wogt durch den Raum, dass er einnimmt, mitnimmt, umhüllt. Zu eindeutig werden die kleinen Szenen nie. Es bleibt immer im Assoziativen, im Schwammigen.
Großer Applaus am Ende. Nicht umsonst gehören Léon und Lightfoot zu den Tanzkünstlern der Stunde. Sie schaffen Stücke von der dunkel-melancholischen Assoziationskraft eines "Schwanensee" und bleiben dabei durch und durch gegenwärtig.
Sendung: "Allegro" am 6. Mai ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK
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