"Ballermann": Das steht für Party-Tourismus, Alkohol und Schlagermusik auf Mallorca. Wie passt das in die "Heiligen Hallen" der Liedkunst? Ziemlich gut, findet Bariton Jonas Müller und verrät im Interview, was der Reiz ist. Am 12.04.2025 singt er ein Programm im Elektra Tonquartier im Bergson in München unter dem bezeichnenden Titel "Ballermann ist Hochkultur".
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BR-KLASSIK: Warst du schon mal bei einer "echten" Ballermann-Party?
Jonas Müller: Ich habe schon auf Ballermann-Partys gesungen, kein Witz. Auf der Bühne, mit Partyband und allem drumherum.
BR-KLASSIK Ok, dann hast du beide Seiten drauf. Diese speziellen Liederabende wirken für mich ein bisschen kabarettistisch, aber der Komponist, Simon Mack, der meint das ja schon ernst, oder?
Jonas Müller: Jein. Also er meint die Musik ernst, seine Kompositionen, aber als Abendprogramm ist es natürlich schon als Art Kabarett gedacht.
BR-KLASSIK: Es gibt ein Video, da sieht man dich, wie du den Ballermann-Hit "Hulapalu" singst, aber komplett im Kunstlied-Setting, also Anzug, vor dem Flügel, die Hände brav am Körper entlang. Musst du dann nicht auch schmunzeln beim Singen?
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Stimmungsschlager "Hulapalu" als Kunstlied im romantischen Stil
Jonas Müller: Beim Einstudieren schon. Es ist ja letztlich schon auch eine Rolle, die man spielt. Und nur dann kommt das Witzige raus, wenn man diesen Stilbruch extrem betont. Und den schafft man nur, indem man sie wirklich ernst nimmt, diese Texte. Und gerade bei diesem Stück ist der Anfang ja so wunderbar suchend, "was ist denn Hulapalu, und was gehört denn dazu?" Also ganz im romantischen Sinn.
BR-KLASSIK: Was reizt dich jetzt besonders an diesen Stücken? Warum nicht bei Schubert bleiben?
Treten am 12.04.2025 gemeinsam im Bergson auf: Jonas Müller und Anna Gebhardt | Bildquelle: © Jakob Schad
Jonas Müller: Ich halte diese Stücke für geniale Stilkompositionen. Alle Stücke, die Simon Mack geschrieben hat, finde ich einfach musikalisch sehr reizvoll und sowohl für das Klavier sowie für den Gesang echt gut geschrieben. Das können auch nicht so viele Leute. Außerdem bin ich ein großer Kabarett-Fan, und ich finde die Kombination der beiden Welten witzig und reizvoll. Das ist für mich das Besondere.
BR-KLASSIK: Welche Erfahrung machst du da in den Konzerten, wird dann da auch viel gelacht, wird da auch mal gejohlt?
Jonas Müller: Das weiß ich noch nicht, weil es tatsächlich unser erstes Live-Konzert ist, bisher haben wir das nur im Studio eingesungen. Aber ich könnte mir vorstellen, dass es im Live-Setting vielleicht für mich dann schon schwierig werden könnte, nicht zu lachen. Mal sehen. Also ich stelle mir die Situation skurril vor, dass da vermutlich oder hoffentlich ein paar hundert Leute sitzen während wir so Texte singen wie "Saufen, morgens, mittags, abends will ich saufen".
BR-KLASSIK: Was ist daran Hochkultur?
Jonas Müller: Naja, der Titel soll natürlich provozieren. Also Hochkultur ist die Komposition, würde ich sagen. Und Hochkultur ist vielleicht auch die Idee, sowas Irres zu verbinden miteinander. Es ist schon eine kreative Neuschöpfung! Insofern hat es schon intellektuellen Wert, finde ich.
Sendung: "Allegro" am 09.04.2025 ab 06:05 Uhr auf BR-KLASSIK
Kommentare (1)
Freitag, 11.April, 11:18 Uhr
T.S.
Dadaismus für alle
Ich kenne einige der "YouTube"-Videos und will nicht Mack eine gewisse Könnerschaft bei der Einfühlung in epochencharakteristische Kompositionsstile absprechen (was freilich auch KIs einigermaßen hinkriegen), noch will ich eine gewisse Komik angesichts des Kontrasts szwischen Musik und Text leugnen.
Trotzdem mache ich mal einen auf Egon Friedell und versuche mein Unbehagen durch eine kulturgeschichtlich Betrachtung auszudrücken. Klar, Spaßlieder hat es immer gegeben, doch die Popularität der "Ballermann"-Lieder, die jetzt noch durch Mack weiter "geadelt" werden zeigt, dass selbst das einfache Volk, aufgehört hat, das ewige Thema des Volksliedes, die Liebe, zu thematisieren bzw. nicht zu verhöhnen. Jahrzehnte der medialen Aufhetzung der Geschlechter haben Spuren hinterlassen.
Ich habe den Dadaismus immer als eine zersetzende Bewegung verachtet, doch sie war immer nur auf die dekadente Oberschicht beschränkt, nun ist er im Volk angekommen.