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Bayerische Staatsoper stellt Saison 2025/2026 vor "Wir können selbst entscheiden"

Der französische Denker Jean-Paul Sartre forderte von allen Menschen, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen – und dabei stets auch an alle anderen zu denken. Dieser Grundsatz des Existentialismus soll die sieben Opern prägen, die in der nächsten Saison gezeigt werden. Um den krisengeschüttelten Sponsor BMW fürchtet die Staatsoper einstweilen nicht.

Bayerische Staatsoper am Max-Joseph-Platz | Bildquelle: colourbox.com

Bildquelle: colourbox.com

In jeder Hinsicht ganz schön riskant, die nächste Spielzeit an der Bayerischen Staatsoper. Der aus Belgien stammende Intendant Serge Dorny hält sich ein berühmtes Motto des nicht gerade bequemen französischen Denkers Jean-Paul Sartre. Der schrieb mal: "Der Mensch ist lediglich so, wie er sich konzipiert. Der Mensch ist nichts anderes, als wozu er sich macht." Mit anderen Worten: Sartre fordert von jedem Einzelnen Eigenverantwortung, sein Leben in die eigenen Hände zu nehmen, nicht irgendwelchen Populisten hinterherzulaufen.

Saisonbeginn erst Ende Oktober

Dieser erste und fundamentale Grundsatz des Existentialismus hat demnach die Auswahl der Stücke für die nächste Saison geprägt, die übrigens wegen Renovierungsarbeiten etwas kürzer sein wird und erst Ende Oktober beginnt. Der Mensch ist grundsätzlich frei, auch zum Unglücklichsein. Serge Dorny: "Wir sind nicht vorherbestimmt. Und ich finde heute, in diesen Zeiten, wo unsere Verantwortung und unsere Freiheit ständig in Fragen gestellt werden und sich täglich verändern, ist das ein hochaktuelles Thema. Das heißt, wir können selbst entscheiden und die Meinung von jedem Einzelnen ist wichtig und wir können selbst gestalten, handeln und unsere Aktionen entscheiden, wer wir sind und wie die Welt, unsere Gesellschaft von morgen aussehen."

Große Stars und viele Debütanten

Serge Dorny, Intendanzen der Bayerischen Staatstheater | Bildquelle: Bayerische Staatsoper Intendant Serge Dorny | Bildquelle: Bayerische Staatsoper Und damit nicht genug Risiko: Serge Dorny engagierte für Repertoire-Aufführungen zwar abermals große Stars, doch bei wichtigen Neuproduktionen wie Wagners "Walküre" setzt er weitgehend auf Debütanten, auf Nachwuchskräfte. Einer der Gründe dafür: Sie sind bei den Proben in der Regel präsenter und engagierter als Weltstars, die selten Zeit haben, durchgehend sechs Wochen an einer Premiere zu arbeiten. Serge Dorny verweist auch darauf, dass die Bayerische Staatsoper nicht stets dieselben Sänger präsentieren will, die an allen anderen großen Häusern zu erleben sind. Die eigene Handschrift zählt, auch bei der Besetzung. Und ein heutiger Klassiker wie Richard Strauss habe an der Staatsoper schließlich auch dirigiert, als er am Anfang seiner Karriere stand. Serge Dorny gegenüber dem BR: "Die bayerische Staatsoper war immer ein innovatives Haus. Das heißt, unsere Vorgänger haben den Mut gehabt, junge Musiker wie den gerade mal gut 30-jährigen Richard Strauss einzuladen. Ich glaube, dass ist die DNA der bayerischen Staatsoper. Wenn wir an die Zukunft der Oper glauben, wir uns daran erfreuen, dann sollten wir eine Nostalgie der Zukunft haben."

Wir sollten Nostalgie der Zukunft haben.
Intendant Serge Dorny

"Faust", "Rigoletto", "Walküre" und die Uraufführung von "Of One Blood"

"Nostalgie der Zukunft", das klingt so ironisch wie treffend: Gerade in der Oper gibt es ja viel Konservatismus, und das Münchner Publikum gilt nicht gerade als besonders neugierig und aufgeschlossen, sondern eher genussorientiert, weshalb italienische Werke sehr populär sind, neben den Hausgöttern Mozart, Wagner und Richard Strauss. Das sprichwörtliche "Heimweh nach der Zukunft", also nach Uraufführungen, ist weniger stark ausgeprägt. Gleichwohl wird sich der in Brisbane geborene australische Komponist Brett Dean in der neuen Oper "Of One Blood" mit dem Duell der beiden Königinnen Elisabeth und Mary Stuart beschäftigen (10. Mai 2026). Außerdem erwarten die Zuschauer Charles Gounods Romantik-Thriller "Faust" (8. Februar 2026) und Verdis "Rigoletto" (7. März 2026). Wagners "Walküre" wird die Opernfestspiele am 25. Juni 2026 eröffnen.

Umstrittene Oper von Rimski-Korsakow

Szene aus der Doku "500 Jahre Bayerisches Staatsorchester"  | Bildquelle: Tosca Media Film und Fernsehproduktion GmbH Generalmusikdirektor Vladimir Jurowski | Bildquelle: Tosca Media Film und Fernsehproduktion GmbH Generalmusikdirektor Vladimir Jurowski freut sich auf dieses "Liebesdrama", mindestens ebenso wichtig ist ihm allerdings "Die Nacht vor Weihnachten" (29. November 2025), eine wenig gespielte und politisch seinerzeit durchaus umstrittene Oper von Nikolai Rimski-Korsakow aus dem Jahr 1895. Grund für die Neugier: Sie spielt in der Ukraine, und der Dichter Nikolai Gogol, der die zugrunde liegende Erzählung schrieb, wurde dort auch geboren und kulturell geprägt. Es wird also auch um das Spannungsverhältnis zwischen "Groß"- und "Klein"-Russland gehen, wobei allerlei Hexen und Fabeltiere ihren Auftritt haben werden. Regie führt der für sein hoch professionelles Entertainment bekannte frühere Intendant der Komischen Oper Berlin, Barrie Kosky.

"Staatsoper ist für BMW wichtig"

Der wichtige Geldgeber BMW, der gerade mit einem scharfen Gewinnrückgang Schlagzeilen machte, soll der Staatsoper übrigens erhalten bleiben, zum Beispiel für das Konzert "Oper für alle" im BMW-Park in München, wo normalerweise die Basketballmannschaft des FC Bayern antritt. Serge Dorny fürchtet trotz wirtschaftlicher Probleme nicht um den Zuschuss vom Autokonzern: "Die Bayerische Staatsoper ist für BMW wichtig, wir haben einen neuen Vertrag für die nächsten drei Jahre unterschrieben. Es gibt Nachhaltigkeit in unseren Beziehungen, viel verbindet uns mit BMW, auch in schwierigen Zeiten verbindet uns viel. Die Welt ändert sich nun mal, der neue Vertrag sichert die Zukunft."

Die Welt wird augenscheinlich turbulenter und vielleicht auch gefährlicher. Womöglich tatsächlich der richtige Moment, um sich auf Jean-Paul Sartre zu besinnen: "Wenn wir sagen, dass der Mensch für sich selber verantwortlich ist, so wollen wir nicht sagen, dass der Mensch gerade eben nur für sich selbst verantwortlich ist, sondern dass er verantwortlich ist für alle Menschen."

Sendung: "Allegro" am 17. März 2025 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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