Katharina Wagner selbst wird in China die "Walküre" inszenieren: Gestern wurde bekannt, dass die Bayreuther Festspiele mehrere Wagner-Opern in Shanghai zeigen werden. Jetzt äußert sich die Festspiel-Chefin dazu im Interview mit BR-KLASSIK. Für sie sei das ein "wichtiges Zeichen für die globale Vernetzung der Opernwelt".
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BR-KLASSIK: Wie hat es sich ergeben, dass die Bayreuther Festspiele bald in Shanghai residieren?
Katharina Wagner: Maestro Xu Zhong besuchte im letzten Sommer die Festspiele und wir lernten uns in Bayreuth kennen, sehr schnell schätzen, und wir begannen über das Projekt zu sprechen. Herr Xu machte dabei deutlich, dass Shanghai an einer längerfristigen Zusammenarbeit interessiert sei. Er selbst ist nicht nur ein hervorragender Dirigent und Pianist, der an zahlreichen renommierten Häusern gearbeitet hat, sondern auch ein höchst kompetenter und verlässlicher Gesprächspartner und künstlerischer Leiter des Shanghai-Grand-Theater.
BR-KLASSIK: Wie sieht es aus, mit der Wagner-Rezeption in China, wird Wagner dort gespielt? Und wie wird das angenommen?
Katharina Wagner: Wagner ist für Xu Zhong und für viele Chinesen ein "High-Level-Dom", wie er es vor einigen Jahren bereits formulierte. Man näherte sich über viele Jahre dem Werk Wagners zunächst noch vorsichtig an und hat mittlerweile bereits den Ring-Zyklus der Oper Köln zur Aufführung gebracht. Auch das Theater Erfurt gastierte bereits in Shanghai mit einer Wagner Gala. Im Shanghai Grand Theatre soll eine eigene Wagner- Aufführungspraxis begründet werden. Dieses Haus wurde vor über zwanzig Jahren mit Wagners Holländer eröffnet, und es zählt zu den bedeutendsten Musik-Institutionen Chinas.
Das chinesische Publikum interessiert sich immer mehr für Wagner und will diese Musik auch verstehen.
BR-KLASSIK: Es werden "Tristan und Isolde", "Die Walküre" und "Tannhäuser" nach Shanghai geschickt werden, in welchen Inszenierungen?
Katharina Wagner: Tristan wird die Inszenierung von Roland Schwab sein, die in Bayreuth zwei Spielzeiten lief. Die Walküre wird eine Neuproduktion sein, die ich selbst inszenieren werde. Der Tannhäuser ist eine Produktion meines Vaters für die Bayreuther Festspiele aus dem Jahr 1985. Hier wird nach den Originalplänen das Bühnenbild nachgebaut
BR-KLASSIK: Werden die Inszenierungen an den dortigen Geschmack angepasst?
Katharina Wagner: Nein, sowohl Tristan als auch Tannhäuser sind ja bestehende Inszenierungen. Bei meiner Neuproduktion der Walküre gab es vorab wie üblich eine Modell- und Konzeptpräsentation, die künstlerische Freiheit obliegt dabei vollkommen meinem Team und mir. Unabhängig davon gab es auch keinerlei Aufforderung dies zu tun.
BR-KLASSIK: Im Vorfeld der Kooperation mit Abu Dhabi wurde viel darüber gesprochen, wie der brisante Stoff der Walküre mit Mord und Inzest dort aufgenommen werden wird. Wie ist das in China?
Katharina Wagner: Im Rahmen der Konzept- und Modellpräsentation wurden die General Managerin und auch Maestro Xu Zhong mit der Produktion vertraut gemacht, dramaturgisch habe ich keine Veränderungen vorgenommen und auch nicht vornehmen müssen.
BR-KLASSIK: Werden die Kinderopern neuinszeniert oder werden auch Konzepte aus Bayreuth aus den letzten Jahren zu sehen sein?
Katharina Wagner: Es werden Wiederaufnahmen der Bayreuther Kinderopern sein, also unserer Fassungen. Im Jahr der Tristan Produktion von Roland Schwab wird auch die Kinderoper der "Tristan" sein, so setzen wir dies auch bei "Walküre" mit der Kinderoper des Rings und "Tannhäuser" fort.
BR-KLASSIK: Was gibt’s denn für interkulturelle Unterschiede in der Arbeit an Opernhäusern hier und in China?
Bald Wagnerisch bespielt: das Grand Theatre in Shanghai. | Bildquelle: picture alliance / Weng lei - Imaginechina | Weng Lei Katharina Wagner: In China wird die Probenarbeit selbstverständlich von Dolmetschern begleitet, ansonsten ist die Arbeit gleichermaßen hochprofessionell, wie auch hierzulande. Die kulturelle Öffnung und das wachsende Interesse an westlicher Musik und Kunst in den letzten Jahrzehnten haben zusehends auch Wagner-Opern in den Fokus gerückt. Wagner gilt als komplexer, aber auch als bedeutender Teil der westlichen Operntradition, der zunehmend von chinesischen Opernliebhabern und Musikern geschätzt wird. Shanghai und China insgesamt haben in den letzten Jahren große Fortschritte in der Musikbildung gemacht. Viele junge chinesische Musiker, darunter Dirigenten und Sänger, sind inzwischen in westlichen Musiktraditionen ausgebildet und haben auch ein tiefes Interesse an den Werken von Wagner. Diese Generation von Musikern trägt dazu bei, dass Wagner zunehmend an Bedeutung in der chinesischen Musikwelt gewinnt. Somit sind die Aufführungen auch ein wichtiges Zeichen für die globale Vernetzung der Opernwelt. Im Übrigen sehen die vertraglichen Vereinbarungen stets Ausstiegsklauseln vor für den Fall, dass es zu einer politischen Eskalation kommt.
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BR-KLASSIK: Wird es Übertitel und Einführungsvorträge geben? Wie vermittelt man die Stoffe?
Katharina Wagner: Wir arbeiten selbstverständlich auch mit Dramaturgen, ob es Einführungsvorträge geben wird, klärt sich noch. Gesungen wird in Originalsprache der Oper.
BR-KLASSIK: Wie passt das Verständnis von künstlerischer Freiheit aus Mitteleuropa in ein Land, in dem Zensur durchaus Teil des künstlerischen Alltags ist?
Katharina Wagner: Die Opernproduktionen, wie z.B. der Lohengrin der Bayerischen Staatsoper wurden in Shanghai so zur Aufführung gebracht, wie auch in München. Ebendies war auch für uns selbstverständlich die Grundvoraussetzung.
Ein wichtiges Zeichen für die globale Vernetzung der Opernwelt
BR-KLASSIK: Auf Social Media gibt es mittlerweile Kritik an dem Vorhaben, aus politischen Gründen. Das chinesische Regime setzt sich in immer wieder über Menschenrechte hinweg. Kann eine hauptsächlich von öffentlichem Geld finanzierte Institution wie die Bayreuther Festspiele das ignorieren?
Katharina Wagner: Auch zahlreiche Opernensembles und namhafte Sinfonieorchester, wie z.B. die Bayerische Staatsoper, das ORF-Radio-Sinfonieorchester Wien, die Berliner und Münchner Philharmoniker und die Staatskapelle Dresden haben in den letzten Jahren in China mit größtem Erfolg gastiert und damit gezeigt, dass Musik und Kultur über Grenzen hinweg verbinden und vermitteln können. Diesem Credo möchten auch wir folgen.
Sendung: "Leporello" am 11. Dezember 2024 ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK
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