"United for future" – unter diesem Motto finden sich das Ukrainische Jugendsinfonieorchester und das Bundesjugendorchester für gemeinsame Benefizkonzerte zusammen. Am 3., 4. und 5. Juli treten sie in der Berliner Philharmonie, im Staatstheater Hannover und der Kölner Philharmonie auf. Renommierte Säle – und trotzdem eine Notlösung. Denn eigentlich war die Zusammenarbeit für ein Konzert im Opernhaus Odessa geplant. Uta Sailer hat die Beteiligten, die aus allen Ecken Europas für die Probenarbeit angereist sind getroffen. Darunter die Dirigentin Oksana Lyniv.
Bildquelle: Mutesouvenir/Kai Bienert
United for future
Ukrainisches Jugendorchester und Bundesjugendorchester
In den ersten Kriegstagen habe sie unglaubliche Angst gehabt, erzählt Viktoria Mendzhul vom Ukrainischen Jugendsinfonieorchester. Keinen Ton habe sie mehr spielen können. Angesichts der Opfer, sei ihr das Musikmachen so belanglos vorgekommen. "Aber dann habe ich verstanden, dass es sehr wichtig ist, die Kunst und Kultur lebendig zu halten", so die junge Musikerin.
Das Ukrainische Jugendsinfonieorchester ist ein Projektensemble wie das deutsche Bundesjugendorchester. Eigentlich studiert Viktoria Mendzhul in Kiew. Wegen des Krieges ist sie jedoch geflohen und setzt ihr Studium in Prag fort. Für die Gemeinschaftskonzerte mit dem Bundesjugendorchester ist sie extra nach Deutschland gereist – wie viele andere ukrainische Jugendliche auch, die in ganz Europa verstreut leben.
Musiker*innen des ukrainischen Jugendsinfonieorchesters bei einem Konzert in Graz 2019 | Bildquelle: Youth Symphony Orchestra of Ukraine Den Jugendlichen gehe es physisch gut – sie seien unversehrt, sagt Sönke Lentz, Orchesterdirektor beim Bundesjugendorchester. Gleichzeitig betont er: "Was sich aber in der Psyche abspielt, das wissen wir alle nicht." Sorgen macht er sich außerdem um die volljährigen Orchestermitglieder, insbesondere die männlichen. Viele von ihnen seien noch in der Ukraine. Manche dürften für die Arbeitsphase zwar ausreisen, erzählt Lentz, aber ihre Familien blieben weiter im Land. "Und was das mit Menschen macht, das können wir uns, glaube ich, gar nicht wirklich ausmalen."
Das Wissen um die traumatischen Erfahrungen des Krieges erfordert viel Fingerspitzengefühl im Umgang. Deswegen machen sich viele im Bundesjugendorchester Gedanken, wie sie ihren ukrainischen Kolleginnen und Kollegen am besten begegnen sollen. Die Geigerin Katharina Strepp etwa will sich bemühen, das Thema nicht zu forcieren. Entscheiden sei es, herauszufinden, ob überhaupt die Bereitschaft bestehe, über solche Erfahrungen zu sprechen. "Zuhören oder empathisch zu sein und auf die anderen eingehen, ist wichtig"
Samstag, 2. Juli: öffentliche Generalprobe in Rendsburg
Sonntag, 3. Juli: Berliner Philharmonie
Montag, 4. Juli: Staatstheater Hannover
Dienstag, 5. Juli: Kölner Philharmonie
Dirigent: Artem Lonhinov
Das Wichtigste ist für uns jetzt, die Hoffnung nicht zu verlieren. Wir brauchen ganz, ganz viel Kraft, um weiterzukämpfen und weiter an die europäische Werte glauben zu können.
Gegründet wurde das Ukrainische Jugendsinfonieorchester im Jahr 2017 von der Dirigentin Oksana Lyniv. Für das Ukrainische Jugendsinfonieorchester hat sie die besten Musikerinnen und Musiker des Landes zusammengetrommelt. Und jetzt, in den dunklen Kriegsmonaten, ist ihr Ensemble für viele zum Rettungsanker geworden. Zu Beginn des Krieges habe das Orchester seine sämtlichen Mitglieder kontaktiert, sagt die Dirigentin, auch ehemalige. Einige habe sie in Kellern und Luftschutzbunkern erreicht, auf der Suche nach Schutz vor den russischen Bombardements. "Viele haben geweint, viele haben gesagt, sie können nun nichtmal mehr üben."
Die ukrainischen Jugendlichen, die sich jetzt in Deutschland für die Benefizkonzerte aufhalten, sind sehr froh über das Kooperationsprojekt. Auch wenn die Zukunft ihres Ensembles völlig unklar ist. Die Geldmittel des ukrainischen Staates flössen derzeit vollständig in die Armee, erklärt Oksana Lyniv. Die Kultur sei da logischerweise nachrangig. Die Dirigentin bedauert das, ist aber auch dankbar für die Solidarität und für die vielen Einladungen und Hilfen, die das Orchester von seinen Partnern in Europa und weltweit bekommen habe.
Zu diesen Helfern zählt auch das Bundesjugendorchester. Die Einnahmen aus den anstehenden Benefizkonzerten fließen in die Ukraine, damit das Orchester überhaupt weiter bestehen kann. Das motiviert alle, auch die jungen Musikerinnen und Musiker aus dem Bundesjugendorchester.
Wir sind jung, stark, wir stehen zusammen, und wir wollen das verteidigen, was uns wichtig ist, nämlich Gemeinschaft und Zusammenhalt.
Sendungen: "Allegro" am 24. Juni 2022, ab 6:05 Uhr und "Musik der Welt - Basar" am 2. Juli 2022 um 23.05 Uhr auf BR-KLASSIK
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