Die Münchener Biennale, das Festival für Zeitgenössisches Musiktheater, geht zuende. Ein letztes Mal haben sich die beiden Künstlerischen Leiter Manos Tsangaris und Daniel Ott "on the way" gemacht – so das Motto der diesjährigen Ausgabe. Neben manch spannenden Pfaden waren auch einige Sackgassen dabei.
Bildquelle: Judith Buss
Genauso unterschiedlich wie Wege beschaffen sein können, war auch das Programm der diesjährigen Biennale, ein letztes Mal unter der Künstlerischen Leitung von Manos Tsangaris und Daniel Ott. Das ist zunächst mal nicht schlecht – Vielfalt ist gern gesehen. Aber wie bei den Wegen gibt es auch bei den Programmpunkten Begleiterscheinungen: Sie können steinig, holprig, rutschig sein – und sich auch als Sackgasse entpuppen.
Bei manchen Opern hatte man das Gefühl: Ein bisschen weniger wäre auch okay gewesen. Der Auftakt "Searching for Zenobia" etwa, ein Stück über syrisch-deutsche Identität, die titelgebende antike Königin, das brutale Assad-Regime und die ignorante Politik des Westens, und eine Barockoper von Albinoni mischt sich auch noch drunter. Das Ganze in einem unausgegorenen Libretto, das größtenteils rezitiert wird. Da fällt die eigentlich tolle Musik von Lucia Ronchetti weitgehend wirkungsarm in jenen Graben, der durch die maue Regie (Isabel Ostermann) durch Teilung der Publikumsbestuhlung in der Muffathalle entstanden ist. Auch die letzte Premiere, "Defekt" von Mithacan Öcal, bietet eine Überfülle, in diesem Fall vor allem aus dem Orchester: eine schillernde Verbeugung vor der Spätromantik zwischen Debussy, Strauss und Schreker. Handwerklich toll gemacht, nur leider ohne Bezug zur ironischen Story um ein defektes Raumschiff, das eine Besatzung ratlos und streitlustig zurücklässt. Immerhin als klassisches (und also nachspielbares) Theater amüsant anzuschauen.
Andere Produktionen überzeugten mit dem Spagat zwischen Performance und Klassischem Musiktheater, wie "Shall I build a Dam" über Wege und Wirkung des Wassers. Die junge japanische Komponistin Kai Kobayashi hat sich wundersame Klanglandschaften ausgedacht für Bassklarinette, Akkordeon, Bratsche, Gesang, Posaune und Klavier – eine atmosphärisch-schillernde Welt rund um die Aggregatzustände des Wassers. Leider blieb völlig offen (und wurde auch nicht ironisch gebrochen), warum das Ganze als posthumaner Hydrofeminismus daherkommen muss.
Ein Hauptanliegen von Manos Tsangaris und Daniel Ott war die Öffnung des Zeitgenössischen Theaters in den Öffentlichen Raum. Das wurde auch in ihrer letzten Ausgabe 2024 deutlich, mit Aktionen wie vor der Staatsoper, wo ein mobiler Bahnhof aufgestellt wurde, bespielbar (auch gerne simultan) auf verschiedenen Bühnen zu allen Seiten hin, mit grandios gespieltem Jazz und wunderbar rezitierten Texten, mit atonalem Chorquartett und tonaler Blasmusik. Und vor allem – und auch das sicher ein Hintergedanke bei der Konzeption – mit vielen verirrt-verwirrten Blicken des Laufpublikums.
Die gab es auch bei einer Aktion, die viel Wirkung zeigte: "RÜBER" von Nico Sauer, der seine "Traffic-Opera" auf den Rücksitz eines Autos verlegte, wobei das nur der Ort fürs Publikum ist. Er selbst wuselte auf einem Moped rund ums Auto, bestückt mit Mikro und Computer, ebenso wie die Akteur:innen, die überall "on the way" verteilt waren, um Klänge beizusteuern. Das in Kombination mit dem gelb verschmierten Auto war auch für alle Unbeteiligten eine unerwartete Show – und schärfte den Blick der Insassen, wer vielleicht doch Teil der Inszenierung sein könnte, woher welcher Klang kommt. Ein gelungenes Stück Modernes Musiktheater – freilich sehr exklusiv, für wenige erlebbar.
Das ist gleichzeitig auch symptomatisch für die Ära Ott/Tsangaris, die eher an partizipativen Kammerformaten, an Installationen interessiert waren, die nicht immer eingelöst haben, was angekündigt war. Ein Beispiel für den Kompromiss zwischen Performance, Oper, Interaktion und Sinn bot heuer die Produktion "Wie geht's, wie steht's" der Komponisten Andreas Eduardo Frank und Patrick Frank (Regie: Georg Schütky), die sich Gedanken gemacht haben über die Wege des Glücks und wie Musiktheater dabei helfen kann, es zu finden. Dabei war nicht immer alles, was hier als Reise durch den Körper von Herz zu Hirn zum Magen angelegt war, künstlerisch umwerfend. Aber als symbolisches Ausrufezeichen, wie man öffentliche Flächen mit Klängen und Publikum mischen kann, durchaus plausibel. Und vor allem garniert mit Humor, der nur manchmal platt, meistens aber stimmig wirkt. Herausragend dabei: Sopranistin Angela Braun ohne Genreberührungsängste und mit viel performativem Feuer.
Sendung: "Leporello" am 10. Juni 2024 ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK
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