Er war ein absoluter Verdi-Spezialist: Carlo Bergonzi. Fast alle Tenorpartien des italienischen Opernkomponisten hat er auf der Bühne gesungen – vor allem in den 1950er- bis 1970er-Jahren. Mit seiner lyrischen Stimme und überragenden Gesangstechnik begeisterte er als führender Verdi-Tenor auf den großen Opernbühnen. Dabei begann Carlo Bergonzi seine Karriere ursprünglich als Bariton. Am 13. Juli wäre er 100 Jahre alt geworden.
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Irgendwer bezeichnete den Sänger einmal als "personifizierte italienische Musikalität". Tatsächlich war Carlo Bergonzi ein Gesangskünstler, verstand sich auf Legato-Phrasierung und Artikulation in Perfektion. In die Operngeschichte ist er als einer der feinsinnigsten Interpreten eingegangen, stilistisch extrem versiert. Über Jahrzehnte hinweg wusste er seine Stimme geschmackvoll und intelligent zu färben, zu schattieren. Seine Gesangslinie schien gezogen wie mit einem Silberstift.
Gleichermaßen respektheischend erschien das Angeborene wie das Erworbene bei Bergonzi, sein aristokratisches Timbre wie die elegante Linienführung (auch im piano-Bereich). Die Beachtung sämtlicher Vortragsbezeichnungen in den Noten war nicht für jeden Tenor seiner Generation eine Selbstverständlichkeit – für Bergonzi schon. Dabei begann seine Karriere als Bariton. "Meinen Weg vom Bariton zum Tenor habe ich als Autodidakt zurückgelegt", erzählte Carlo Bergonzi mal in einem Interview. "Als ich noch Bariton war, hatte ich das Glück mit großen Tenören zu singen. Es war immer meine große Leidenschaft zu verstehen, wie sie sangen. Ich wollte das Geheimnis ergründen, warum sie so singen konnten."
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Carlo Bergonzi - Live in Concert
Was für ein Mut, sogleich mit einer Partie wie Andrea Chénier zu debütieren! Da war Bergonzi gerade einmal 27 Jahre alt. Von Bari aus eroberte er im Handumdrehen die renommierten Opernbühnen der Met in New York und des Londoner Royal Opera House Covent Garden. Auch die Lyric Opera Chicago und das Teatro Colón in Buenos Aires wurden zu bevorzugten Wirkungsstätten Bergonzis, innerhalb Europas vor allem Verona und Mailand, auch Hamburg. Münchner Opernfreunde werden sich an seine letzten Liederabende im Herkulessaal der Residenz erinnern, bei denen er noch eine Vielzahl seiner Vortragstugenden abrufen konnte, zumal die fabelhafte Atemstütze und -kontrolle, die er sich als junger Mann erarbeitet hatte.
An Aufnahmen kamen dreißig komplette Opern für Bergonzi zusammen, Recitals von Donizetti bis Tosti. Bemerkenswert bis heute: das Bündel sämtlicher Tenor-Arien Verdis. Dessen musikalisches Wesen lag für Bergonzi von Beginn an in der Luft, kam er doch in Vidalenzo bei Busseto zur Welt, in unmittelbarer Nähe zu Verdis Geburtsort. Kein Wunder, dass er sich niemandem so innig verpflichtet fühlte wie dem größten Opernkomponisten Italiens.
Sendung: "Cantabile" am 13. Juli 2024 ab 13:05 Uhr auf BR-KLASSIK
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