Es gibt mehr als Quartettmusik. Und auch noch andere Oktette als das berühmte von Felix Mendelssohn. Das möchte Julia Fischer mit ihrem neuen Festival zeigen. Als Leiterin des "Boswiler Frühling" stellt sie ein abwechslungsreiches Programm vor. Und sie verrät, warum auch Weltstars von einem Festival an einem so idyllischen, kleinen Ort profitieren.
Bildquelle: © Felix Broede
BR-KLASSIK: Julia Fischer, wo liegt eigentlich Boswil?
Julia Fischer: Boswil liegt hinter Zürich. Ich fahre mit dem Auto nach Zürich und dann einfach noch ein bisschen weiter geradeaus. Dann komme ich nach Boswil.
BR-KLASSIK: Und warum sollte ich da jetzt im April hinfahren?
Julia Fischer: Ich glaube, wir haben für dieses Wochenende tatsächlich ein sehr, sehr spannendes Programm zusammengestellt. Benjamin Nyffenegger und ich machen ja die Intendanz gemeinsam. Und das Festival an diesem Wochenende steht unter dem Motto "Begegnungen" beziehungsweise Freundschaft. Wir haben in jedem Konzert Komponisten zusammengestellt, die sich beeinflusst oder inspiriert haben – oder die Gruppen gebildet haben. Es gibt zum Beispiel die "Groupe de Six", die wir am Samstagabend vorstellen, französische Komponisten des frühen 20. Jahrhunderts. Am Samstagvormittag sind es "die mächtigen Fünf" aus Russland. Und ganz besonders freue ich mich auf das Eröffnungskonzert jetzt am Freitag. Da habe ich persönlich am meisten zu tun.
Julia Fischer übernimmt zusammen mit Benjamin Nyffenegger die Leitung des Boswiler Frühlings. Sie tritt dort auch selbst im Konzert auf. | Bildquelle: Uwe Arens Julia Fischer: Ich spiele die Sonate für zwei Geigen von Eugène Ysaÿe zusammen mit Lena Neudauer, meiner Kollegin aus München. Lena und ich spielen miteinander, seitdem wir vier Jahre alt sind. Wir kennen uns also wirklich sehr, sehr gut. Aber diese Sonate haben wir noch nie miteinander gespielt. Es war für mich ein neues Werk zu lernen. Es ist sehr kompliziert, sehr komplex, aber unglaublich farbenreich. Wir hatten sehr viel Spaß beim Proben und freuen uns beide sehr. Und dann spiele ich noch die große Violinsonate von César Franck, die jeder kennt. Die war ja ein Hochzeitsgeschenk für Eugène Ysaÿe, deswegen diese Zusammenstellung. Ich spiele sie zusammen mit dem Schweizer Pianisten Oliver Schnyder. Den kenne ich auch schon, seit ich acht oder neun Jahre alt bin. Wir haben viel miteinander gespielt. Und im zweiten Teil gibt es dann das Oktett von George Enescu. Dieses Oktett ist an diesem Wochenende wohl die größte Herausforderung für alle Beteiligten. Es ist sehr lang, dauert fast 40 Minuten. Aber es ist unfassbar, was Enescu da geschaffen hat – an Klangfarben und Möglichkeiten.
Wir haben gesagt: Wir haben den Mut und probieren das jetzt.
BR-KLASSIK: Das Oktett von Enescu ist auch so gut wie nie zu hören...
Julia Fischer: Es ist nie zu hören, weil es wirklich schwer ist. Gerade bei Kammermusik-Festivals wird immer gerne das Oktett von Mendelssohn gespielt. Denn das ist vom Zusammenspiel her nicht kompliziert. Man braucht einen sehr, sehr guten ersten Geiger, und dann läuft die Sache mehr oder weniger. Bei Enescu sind alle acht Stimmen hochkomplex, sehr schwer. Jeder muss seine Stimme wirklich geübt haben. Und das Zusammenspiel ist ungleich schwerer als bei einem Mendelsohn- oder auch einem Bruch-Oktett. Wir haben aber jetzt gesagt, wir haben den Mut, wir probieren das. Wir haben sogar extra einen Tag mehr Probenzeit eingeplant. Und jetzt laufen schon seit Wochen viele WhatsApp-Diskussionen über Bogenstriche und Tempi. Aber wir freuen uns sehr, dass wir das machen können.
BR-KLASSIK: Sie haben schon ein paar Namen genannt. Es ist ihnen gelungen, wirklich Weltstars nach Boswil zu locken: Nils Mönkemeyer, Lena Neudauer, Yulianna Avdeeva, Maximilian Hornung – das sind natürlich Zugpferde. Haben sie sich alle gleich überreden lassen?
Julia Fischer: Ich muss jetzt nicht so viel überreden. Die waren alle gleich ganz begeistert. Nils Mönkemeyer spielt ja bei mir im Quartett, genauso wie Benjamin Nyffenegger auch. Wir sind ja sehr eng befreundet. Und es war klar, dass wir unsere Quartettleute da haben möchten. Nur Alexander Sitkowetski kann dieses Mal leider nicht dabei sein, weil er keine Zeit hat. Er war schon anderweitig verpflichtet.
Erstmals zusammen mit Julia Fischer zu erleben: Maximilian Hornung beim Boswiler Frühling. | Bildquelle: Marco Borggreve Julia Fischer: Mit Yulianna Avdeeva spiele ich sehr gerne und sehr oft zusammen. Und wir spielen am Samstagvormittag tatsächlich auch vierhändig zusammen. Darauf freue ich mich ganz besonders. Ich spiele ja wirklich sehr gerne Klavier auf der Bühne, aber ich muss mir dann schon so einen Ruck geben, dass ich auch zuhause übe und die Zeit finde. Aber ich freue mich sehr darauf, dass wir das miteinander machen können. Mit Maximilian Hornung habe ich tatsächlich noch nie gespielt. Wir kennen uns natürlich, haben aber noch nie gemeinsam auf der Bühne gestanden. Und ich freue mich sehr, dass wir da jetzt die Gelegenheit dazu bekommen.
BR-KLASSIK: Musikalische Freundschaften steht als Motto über der ersten Ausgabe des Festivals in Boswil. Ist das vielleicht auch ein Signal an unsere Welt? Kommt es vielleicht mehr denn je drauf an, sich darauf zu besinnen, was uns zusammenhält?
Julia Fischer: Ich glaube, dass ist prinzipiell die Aufgabe von Musik. Musik verbindet einfach – über Nationalitäten, Religionen und Geschlechter hinweg. Das immer wieder zu vermitteln, ist glaube ich die große Aufgabe von Musik. Als wir das Festival geplant haben, wussten wir nicht, wie kaputt die Welt zu diesem Zeitpunkt sein wird. Aber selbstverständlich ist es uns immer ein Anliegen, zu verbinden.
Musik verbindet einfach – über Nationalitäten, Religionen und Geschlechter hinweg.
BR-KLASSIK: Wer hatte überhaupt die Idee, Boswil als Festival-Ort zu wählen?
Julia Fischer: Die Anfrage kam tatsächlich von Benjamin Nyffenegger an mich, ob wir das zusammen machen wollen. Ich glaube, Boswil hat sich an Benjamin gewendet, und er hat mich dann gefragt. Denn wir haben oft darüber nachgedacht, wie wir wieder so ein Festival finden könnten, wo wir mehr programmieren können als nur Quartett. Wir spielen zwar sehr, sehr gerne Quartett, aber es gibt ja in der Kammermusik wirklich so großartige Werke. Das ist einfach eine eigene Welt. Wir planen beide sehr gerne und denken darüber nach, was gut zusammenpasst. Deshalb haben wir dann gleich gesagt, ja, das wollen wir machen.
BR-KLASSIK: Große Namen an kleinen Festivalorten. Das ist schön für das Publikum, das vielleicht ein bisschen abseits der Kulturzentren wohnt. Aber diese Erlebnisse scheinen auch für Künstler und Künstlerinnen immer attraktiver zu werden: Weg vom großen Event. Ist das ein Gedanke?
Stargeigerin Julia Fischer zusammen mit BR-KLASSIK-Moderator Michael Atzinger im Studio | Bildquelle: BR-KLASSIK Julia Fischer: Ich würde weder das eine noch das andere gegeneinander ausspielen. Es ist natürlich so: Wenn sich 15 Musiker – oder wie viele wir jetzt auch sein werden – für mehrere Tage an einem Ort zusammenfinden, dann entstehen dabei ja mehr als nur die vier Konzerte. Es gibt Gespräche und Inspiration. Der eine hat vielleicht gerade ein Werk kennengelernt, über das er berichten möchte. Oder man tauscht sich aus über Klang, Instrumente und Repertoire. Und diese Inspirationsquellen brauchen wir alle. Denn in der Hektik des Konzertlebens, wo wir für ein paar Stunden irgendwohin kommen, ein Konzert spielen und wieder abreisen, da nimmt man nicht unbedingt so viel Energie mit. Man gibt viel Energie. Inspiration und Kraft geben diese Orte, wo man mehrere Tage miteinander verbringen, miteinander sprechen, proben und sich austauschen kann.
BR-KLASSIK: Was mir außerordentlich gut gefällt: Auf der Website steht das Stichwort Festivalerlebnis mit Kulinarik und Übernachtung. Das heißt, es gibt ein Menü zur Musik?
Julia Fischer: Ja, aber damit beschäftige ich mich jetzt persönlich nicht so viel. Ich bin für die musikalische Seite zuständig. Deshalb kann ich Ihnen nicht sagen, was es zu essen gibt. Ich gehe auch nicht in die Küche und koche. Aber ich werde auch etwas essen. (lacht)
4. bis 7. April 2024 im Künstlerhaus Boswil
Kammermusikfestival unter dem Motto "Begegnungen"
Künstlerische Leitung: Julia Fischer & Benjamin Nyffenegger
Sendung: "Allegro" am 3. April 2024 um 6.05 Uhr auf BR-KLASSIK
Kommentare (2)
Donnerstag, 04.April, 21:39 Uhr
robert habeck
keine ahnung
es ist schon bezeichnend, dass Julia Fischer keine Ahnung von diesem legendären Musik-Ort hat, der berühmt ist wie Lockenhaus in Österreich oder Marlboro in den USA. das Interesse scheint sich in Grenzen zu halten, betrachtet man den schwachen Vorverkauf ihres Festivals im Boswil
Mittwoch, 03.April, 22:58 Uhr
Barbara Gärtner
Freitagabend-Konzert in Boswil
Wer sind die Mitwirkenden anderen Künstler, ausser denen, die schon im Interview genannt sind?
Vielen Dank und freundlichen Gruss,
Barbara Gärtner