Seine Interpretationen waren von zeitloser Schönheit, sein Spiel leidenschaftlich und makellos: Der sowjetische Geiger David Oistrach gehört zu den bedeutendsten Musikern des 20. Jahrhunderts. Vor 50 Jahren ist er gestorben.
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Ein unverwechselbarer, samtiger Ton, ein warmes Vibrato, dazu eine brillante Technik: Das waren David Oistrachs Markenzeichen, mit denen er es als Geiger an die Weltspitze schaffte. Trotz seiner Virtuosität waren prahlerische Showstückchen nicht seine Welt. Der bescheidene Musiker aus Odessa setzte auch schon mal einen reinen Beethoven-Abend aufs Programm – was zu seiner Zeit eher unüblich war. Auf die Frage, welches das schwierigste Stück sei, dass er spiele, antwortete Oistrach mit einem Augenzwinkern: "Die schwierigsten Stücke spiele ich nicht."
Der Geiger David Oistrach spielte technisch brillant und mit tiefgreifendem Ton. | Bildquelle: picture-alliance
Werke von Mozart, Beethoven und Bach lagen Oistrach besonders am Herzen. Auf der Bühne strahlte der stämmige Geiger eine große Ernsthaftigkeit aus. Gleichzeitig war sein Spiel leidenschaftlich und tiefgreifend. David Oistrach vereinte "technische Perfektion, Schönheit, Größe und Wandelbarkeit des Tons, individuelle Expressivität und Selbstkontrolle, darstellerische Disziplin und Spontaneität", schrieb der Musikkritiker Harald Eggebrecht.
Und noch etwas zeichnete den "Jahrhundertgeiger" aus: "Seine außergewöhnliche künstlerische Persönlichkeit war nicht zu trennen von seinem aufrichtigen, warmen und großzügigen Herzen." So beschrieb ihn einst sein langjähriger Freund Yehudi Menuhin. Und sein Berufskollege Isaac Stern pflichtete bei: "In all den Jahren, in den ich ihn kannte, habe ich ihn nie ein schlechtes Wort über jemanden sagen hören."
David Fjodorowitsch Oistrach wurde 1908 in Odessa geboren und wuchs in einer Familie jüdischer Herkunft auf. Dreieinhalb Jahre alt war er, als sein Vater ihm eine gelbe Spielzeug-Violine mit nach Hause brachte – der Beginn einer lebenslangen Leidenschaft für die Musik. "Ich sehe mich als Kind nicht anders als mit einer Geige", erinnerte sich David Oistrach zurück. Schon im Vorschulalter wurde er Schüler von Peter Stoljarski, dem bedeutendsten Geigenprofessor in Odessa. Mit sechs gab er sein erstes öffentliches Konzert. Doch als "Wunderkind" wollte sich David Oistrach nie bezeichnen.
David Oistrach unterrichtete seinen Sohn Igor mehrere Jahre lang am Moskauer Konservatorium. | Bildquelle: picture alliance / akg-images Nach seinem Violinstudium zog Oistrach nach Moskau und bekam eine Professur am Konservatorium, wo später Gidon Kremer und Oleg Kagan zu seinen Schülern gehörten. Auch privat lief es gut für den Geiger: Er heiratete die Pianistin Tamara Rotarewa; ihr gemeinsamer Sohn Igor wurde selbst später ein bekannter Violinist. Vater und Sohn bildeten ein Vierteljahrhundert lang ein gefeiertes Duo und sind auf mehreren Schallplattenaufnahmen gemeinsam zu hören.
Ein Schlüsselmoment für Oistrach war seine Teilnahme am Eugène-Ysaÿe-Wettbewerb 1937 in Brüssel (heute "Concours Musical Reine Elisabeth"). Der damals 29-Jährige gewann den ersten Preis - und machte so auch außerhalb der Sowjetunion auf sich aufmerksam. Doch eine internationale Karriere blieb Oistrach zunächst verwehrt, denn aufgrund der restriktiven Politik der Stalin-Ära konnte er keine Konzerte in Europa und Amerika geben. Zudem brach der Zweite Weltkrieg aus. Oistrach reiste mehrmals an die Front, um unter schwierigen Bedingungen für die Soldaten zu musizieren.
Ab 1949 ging David Oistrach immer öfter außerhalb der Sowjetunion auf Tournee, nach Finnland, Italien, Großbritannien oder auch Frankreich. Sein umjubeltes Debüt in der New Yorker Carnegie Hall gab er im November 1955. Neben diesen Tourneen spielte er über 100 Konzerte pro Jahr in der Sowjetunion – ein straffes Programm. Nach einem Konzert in München gab der vielbeschäftigte Virtuose zu: "Mich interessiert alles: Kunst, Theater und Natur. Aber leider habe ich nicht genug Zeit, um alle meine Leidenschaften zu befriedigen." Dazu gehörten auch das Schachspiel, Fotografie und Fußball.
Dmitri Schostakowitsch, mit dem Oistrach gut befreundet war, widmete dem großen Geiger seine beiden Violinkonzerte. Auch andere Komponisten schrieben für Oistrach, unter anderem Aram Chatschaturjan und Sergei Prokofjew. Bald gehörte David Oistrach zu den bekanntesten klassischen Interpreten der Sowjetunion. Ein "Vorzeigekünstler" für das sowjetische Musiksystem. Oistrach arrangierte sich mit dieser Rolle, um weiterhin im Ausland gastieren zu können, doch er litt auch unter seiner propagandistischen Vereinnahmung.
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Triple Concerto for Violin, Cello and Piano in C Major, Op. 56: III. Rondo alla Polacca...
Der Geiger David Oistrach, der Pianist Swjatoslaw Richter und der Cellist Mstislaw Rostropowitsch im September 1969 in Berlin. | Bildquelle: picture alliance / Sammlung Richter Seine reiche Diskografie reicht vom Barock bis in die Moderne. Für jedes Werk fand er einen stimmigen Ton. Legendär wurde David Oistrachs Einspielung des Tripelkonzerts von Beethoven, gemeinsam mit zwei weiteren sowjetischen Musikern: dem Cellisten Mstislaw Rostropowitsch und dem Pianisten Swjatoslaw Richter. Die Aufnahme entstand 1969 mit den Berliner Philharmonikern unter Herbert von Karajan.
In seinen späteren Jahren war David Oistrach nicht nur als Solist und Professor gefragt, sondern auch als Dirigent tätig. Doch das anstrengende Künstlerleben mit vielen Reisen beeinträchtigte David Oistrachs Gesundheit. Über Jahre hatte er mit Herzproblemen zu kämpfen. Am 24. Oktober 1974, während einer Konzertreise in Amsterdam, verstarb Oistrach in seinem Hotelzimmer an Herzversagen. Er wurde 66 Jahre alt.
Kurz vor seinem Tod blickte David Oistrach in einem Interview auf sein Künstlerleben zurück: "Ich habe immer viel gearbeitet. Früher, in meinen jungen Jahren, habe ich meistens Violine gespielt und unterrichtet." Das habe ihn "viel Gesundheit und Nerven und Zeit" gekostet. "Aber ich versuche, alles zu machen in der Musik, was ich kann."
Sendung: "Klassik-Stars: Zum 50. Todestag des Geigers David Oistrach" am 24. Oktober 2024 ab 18:05 Uhr auf BR-KLASSIK
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