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Kritik: "Macbeth" in Nürnberg Verdi-Oper als bunter Psychothriller

Am Staatstheater Nürnberg feierte Giuseppe Verdis Oper "Macbeth" Premiere. Regisseurin Kateryna Sokolova zeigt das Werk als stilisiertes Psychodrama. Mit starken Bildern und einem überzeugenden Titelhelden.

Verdis Oper "Macbeth" am Staatstheater Nürnberg | Bildquelle: Bettina Stöß

Bildquelle: Bettina Stöß

Bilder von Kriegen, Geiselnahmen und anderen Abgründen des menschlichen Daseins sind für uns schon beinahe zur Alltäglichkeit geworden. Angesichts dessen, was uns die Nachrichten täglich präsentieren, ist es für das Theater da tatsächlich schwierig, das Publikum überhaupt noch zu schockieren. Selbst bei einem blutrünstigen Drama wie Verdis "Macbeth", dessen Titelheld bei seinem Weg auf den Thron im wahrsten Sinne des Wortes über Leichen geht. Umso erfrischender ist es daher, dass die aktuelle Neuinszenierung des Staatstheaters Nürnberg in dieser Hinsicht mit so manchen Klischees und Erwartungen bricht. Denn Regisseurin Kateryna Sokolva ästhetisiert das Grauen hier so, wie man es unter anderem aus Filmen von Quentin Tarantino oder Robert Rodriguez kennt. Statt roten Splatter-Fontänen erscheint das Blut bei ihr lediglich in Grautönen als Projektion an der Wand oder regnet wie Rosenblättern von oben herab. Alten aber überaus wirkungsvolle Film- und Theatertricks, welche die Sache jedoch keineswegs verharmlosen, weil das wahre Geschehen im Kopf des Publikums automatisch ergänzt wird.

Blutregen in atmosphärischen Lichstimmungen

Verdis Oper "Macbeth" am Staatstheater Nürnberg | Bildquelle: Bettina Stöß Bildquelle: Bettina Stöß Bei Sokolova mutiert Verdis düstere Shakespeare-Vertonung zu einem packenden Psychothriller, der sich überwiegend im Kopf des Titelhelden abspielt und bei dem das Übernatürliche keinen Platz hat. Schon in der Ouvertüre sehen wir den von Schuldgefühlen geplagten Macbeth fragend in einen Spiegel blicken, aus dem ein tanzendes Alter Ego heraustritt, das ihn aufdringlich durch den Abend begleiten wird. Ähnlich wie die Hexen, die sich ebenfalls als Stimmen in seinem Kopf präsentieren. Was hier Realität ist und was Wahnvorstellung wird da meist bewusst im Unklaren gelassen. Und Antworten muss das Publikum vor allem im kryptischen Finale selbst finden. Den passenden Rahmen dafür schafft Bühnenbildner Nikolaus Webern. Er strukturiert die rasch wechselnden Schauplätze mit einer Reihe von ausgefransten Holzwänden, die in offenen Szenenwechseln über die Spielfläche gleiten und dabei von Sebastian Alphons immer wieder in atmosphärische Lichtstimmungen getaucht werden. Ein kühles Ambiente, in dem für Farben nur wenig Platz ist. Weshalb der stilisierte Blut-Regen einen ähnlich starken Akzent setzt wie die Kostüme, mit denen Constanza Meza-Lopehandía die markanten Charakterzüge der Figuren zusätzlich unterstreicht.

Musik ohne beschönigenden Pathos

Klar ausformuliert wird auch das musikalische Geschehen im Graben. Nachdem es Roland Böer in der Ouvertüre mit den bedeutungsvollen Pausen manchmal noch ein wenig übertreibt, nimmt sein Dirigat mit dem Auftritt der Hexen zunehmend an Fahrt auf und treibt das Drama im Einklang mit dem szenischen Geschehen zügig voran. Wobei er neben Szenen wie dem nervös aufgekratzte Duett nach dem Königsmord oder dem Normalität vorgaukelnden Trinklied der Lady Macbeth immer wieder auch die nötigen Ruhemomente zu setzen versteht. So etwa im berühmten "Patria oppressa", in dem der bestens disponierte Chor des Staatstheaters die Schrecken des Krieges berührend einfängt. Dazu passt es dann auch, dass Dirigent und Regisseurin sich gegen das übliche Jubelfinale entscheiden und stattdessen auf Verdis Florentiner Fassung zurückgreifen, in welcher der Titelheld frei von beschönigendem Pathos kurz und bündig zu Grabe getragen wird.

Nürnberger Enselmble mit starker Bühnenpräsenz

Verdis Oper "Macbeth" am Staatstheater Nürnberg | Bildquelle: Bettina Stöß Bildquelle: Bettina Stöß Was diese Produktion aber ebenso unterstreicht, ist die Qualität des Nürnberger Opernensembles. Denn einen solchen Verdi-Klassiker auf diesem Niveau komplett aus den eigenen Reihen zu besetzen, verdient ein ordentliches Lob. Getragen wird der Abend vor allem von Sangmin Lee in der Titelrolle. Er führt einen kraftvollen Bariton ins Feld, der mühelos über die großen Chor-Tableaus hinweg trägt, verleiht dem innerlich zerrissenen Anti-Helden aber gleichzeitig auch verletzliche Züge. Einen ähnlichen Weg schlägt auch seine Lady Emily Newton ein, die weiteren Ausflüge ins dramatischere Fach aber vorerst noch behutsamer planen sollte. Zwar überzeugt auch sie in den virtuosen Momenten. Doch in der verzwickten Schlafwandel-Szene stößt ihr lyrisch grundierter Sopran zuweilen dann doch ebenso an seine Grenzen wie im Finale des ersten Aktes. Nicolai Karnolsky zieht sich dagegen als Banco ebenso routiniert aus der Affäre wie Hans Kittelmann als Macduff, der trotz angesagter Indisposition durch seine starke Bühnenpräsenz im Gedächtnis bleibt.

"Macbeth" am Staatstheater Nürnberg

Mehr Informationen zu den Folgevorstellungen und der Inszenierung finden Sie hier.

Sendung: "Allegro" am 24. Februar 2025 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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