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Karinettist Martin Fröst "Ich will Formate verändern"

Steif und elitär – so empfinden viele die Klassikszene. Auch der schwedische Klarinettist Martin Fröst steht ihr zunehmend skeptisch gegenüber und sucht nach neuen Wegen. Am Sonntag spielt er zusammen mit dem Swedish Chamber Orchestra in Erlangen. Mit BR-KLASSIK hat er vorab über Angst vor Veränderung und die Kraft der Meditation gesprochen.

Martin Fröst | Bildquelle: © Mats Bäcker

Bildquelle: © Mats Bäcker

BR-KLASSIK: Herr Fröst, überraschen Sie sich gern selbst?

Martin Fröst: Ich glaube schon. Ja, ich überrasche mich gern selbst. Ich mag das Gefühl, mir selbst und dem Orchester was Neues beizubringen. Und ich mag das Gefühl, dass wir Teil einer Richtungsveränderung sind. Wenn ich später auf mein Musikerleben zurückschauen kann und merke, ich war Teil einer Veränderung, eines "wind of change", dann würde mich das sehr stolz machen. Stolzer vielleicht, als wenn ich 900 Mal das Weber-Konzert gespielt hätte oder so. Das ist natürlich auch ein wichtiger Teil meines Lebens, aber nicht unbedingt der Teil, auf den ich später mal zurückblicke.

Vorwärts denken heißt, seinen Fuß in etwas zu setzen ohne zu wissen, ob es funktioniert.
Martin Fröst, Klarinettist

BR-KLASSIK: Was meinen Sie mit "Wind of Change"?

Martin Fröst: Ich würde gern das Format von Auftritten verändern. Ich war dabei bisher vorsichtig, weil wir in einer konservativen Welt leben. Deshalb habe ich immer auch das Standardrepertoire aufgenommen und auf der Bühne präsentiert. Mein Ziel war, es besser als irgendjemand sonst zu spielen. Ich wollte sichergehen, dass ich dadurch das Alibi habe, auch andere Dinge zu machen. Das heißt für mich: eine andere Richtung in der Musik einzuschlagen. Vorwärts denken heißt oft, seinen Fuß in was reinzusetzen, von dem man nicht sicher sein kann, dass es funktioniert, und es dann weiterzuentwickeln.

BR-KLASSIK: Sie treten in Clubs auf, spielen manchmal barfuß auf der Bühne, mögen es, Dinge aufzubrechen. Sind Sie angstfrei?

Martin Fröst: Eigentlich ist das Gegenteil der Fall. Ich hatte immer Angst, Regeln zu brechen. Aber jetzt bin ich 53 Jahre alt und habe alles gemacht. Ich habe das ganze Klarinetten-Repertoire gespielt, habe mit den meisten großen Orchestern zusammengearbeitet. Das heißt, ich könnte mir jetzt – bildlich gesprochen – musikalisch das Genick brechen, und es wäre nicht so schlimm. Allerdings habe ich große Angst davor, nicht mehr dem künstlerisch hohen Anspruch gerecht zu werden. Wenn man denkt, man kann etwas gut und wiederholt es dann immer wieder, besteht auch die Gefahr der Routine. Man spielt und das Publikum kommt, weil es eben eine Tradition ist, ins Konzert zu gehen. Aber das ist falsch. Warum starten wir immer mit einer Ouvertüre, dann kommt der Solist, dann die Pause und dann kommt die Sinfonie? Immer das Gleiche! Wenn man versuchen will, diesen Code aufzubrechen, braucht man viel Selbstbewusstsein.

Ich hatte immer Angst, Regeln zu brechen.
Martin Fröst

BR-KLASSIK: Nach einer längeren Krankheit haben Sie begonnen zu meditieren. Tun Sie das nach wie vor?

Martin Fröst: Ja, tue ich. Ob das Meditieren jetzt wirklich die körperliche Gesundheit verbessern kann, weiß ich nicht, aber das ist mir egal. Für mich war diese Veränderung gut, und ich lebe jetzt ein gesünderes Leben.

BR-KLASSIK: Was gibt Ihnen die Meditation?

Martin Fröst: Als ich so 30, 40 war, bin ich mindestens 250 Tage im Jahr unterwegs gewesen auf Konzertreisen. Man spielt immer in den gleichen Sälen, die gleichen Stücke, weil das Repertoire für Klarinette überschaubar ist. Das ist stressig für den Kopf. Man muss seine Leistung oft wiederholen und mindestens genauso gut spielen wie beim letzten Mal. Das Gefühl habe ich jetzt nicht mehr. Ich fokussiere mich auf die kreative Seite des Musizierens. Die Priorität ist nicht, die Klassikwelt zu erobern, sondern interessante Dinge mit seinem kreativen Leben zu machen. Das ist aufregend und es macht mich glücklich. Meditation hat damit natürlich zu tun, denn ich fokussiere mich auf das Wesentliche und schiebe den ganzen Balast weg: Angst, Konkurrenz, Perfektionismus. Mein Leben ist jetzt ausgewogener und mein Geist kreativer.

Konzert

Sonntag, 22. Oktober 2023 um 19 Uhr
Heinrich-Lades-Halle, Großer Saal, Erlangen

Jacob Mühlrad: "Rems" (2019)
Carl Maria von Weber: Konzert für Klarinette und Orchester Nr. 1 f-Moll op.73
Ludwig van Beethoven: Sinfonie Nr. 7 A-Dur op.92

Swedish Chamber Orchestra
Martin Fröst, Klarinette und Leitung

 Sendung: "Leporello" am 19. Oktober 2023 ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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