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Klarinettistin Sharon Kam "Ich freue mich auf den Rest meines Lebens"

Sharon Kam ist weltweit gefeierte Klarinettistin. Seitdem sie 1992 den ARD-Musikwettbewerb gewonnen hat, ist viel passiert in ihrer Karriere und ihrem Leben. Anlässlich ihres Neujahrskonzerts mit den Nürnberger Symphonikern am 5. Januar blickt sie zurück und erzählt, warum ihre Leidenschaft für Musik ein bisschen so ist, wie die kindliche Liebe für Spaghetti.

Sharon Kam | Bildquelle: © Nancy Horowitz

Bildquelle: © Nancy Horowitz

BR-KLASSIK: Sharon Kam, das neue Jahr ist gerade einmal ein paar Tage alt. Wie halten Sie es denn mit Vorsätzen? Gibt es die und vor allem wie lange halten die bei Ihnen?  

Sharon Kam: Ich habe mir dieses Jahr nicht viel Gedanken über Vorsätze gemacht, nicht für mich persönlich. Der größte Vorsatz, glaube ich, ist für unsere Welt mehr Frieden zu haben. Kleine Bordeinheiten, an die man sich hält oder nicht hält, sind in dem Sinn nicht so wichtig im Moment. 

Immer noch denke ich, ich kann gar nicht Klarinette spielen.
Sharon Kam   

BR-KLASSIK:  Wie sind Sie denn ins neue Jahr gestartet? 

Sharon Kam: Sehr privat mit Freunden, in ganz kleiner Runde ohne Krawall. Wir haben nur ein bisschen Feuerwerk gehört, als wir das Fenster aufgemacht haben. Alle Kinder waren außer Haus. Es war das erste Mal, dass ich gar keine Kinder bei mir hatte. Das war irgendwie wie der Anfang vom Rest meines Lebens. Ohne Kinder kann es auch lustig sein. Es ist zwar nur ein Abend, aber das ist schon ein komisches Gefühl gewesen, keine Spiele am Tisch zu haben und keine Person, die nicht ein Glas Champagner mittrinkt um Mitternacht. Es war aber schön. Also ich freue mich auf den Rest meines Lebens.

 Den Erfolg genießen lernen

BR-KLASSIK: Sie haben 1992 den ersten Preis beim ARD-Musikwettbewerb in München gewonnen. Erschrecken Sie manchmal, wenn Sie sich bewusst machen, dass das schon über 30 Jahre her ist? Oder freuen Sie sich eher, dass alles so lange so gut gegangen ist? 

Sharon Kam | Bildquelle: Maike Helbig Bildquelle: Maike Helbig Sharon Kam: Letzteres, wirklich. Ich wundere mich immer, dass mein Traum wahr geworden ist. Manchmal fühlt man sich noch immer als totaler Anfänger. Man macht sich Sorgen über alles, auch über die nächste Phrase und den nächsten Ton. Immer noch denke ich, ich kann gar nicht Klarinette spielen. Und trotzdem kommen so viele Leute, um mich zu hören. Und dann blickt man zurück durch die Augen von jüngeren Leuten und man merkt, wie viel man eigentlich schon weiß, wie viele Erfahrungen man gesammelt hat. Und dann wird es einem klar, wie glücklich man sein sollte, dass es so lange gehalten hat - mit sich selbst, mit der Welt, mit dem Publikum, mit den Komponisten. Man hat viel geleistet und sollte es genießen.

Ich wundere mich immer, dass mein Traum wahr geworden ist.
Sharon Kam

Zwischen Herausforderung und Spaß

BR-KLASSIK: Setzen Sie jetzt andere Schwerpunkte als vor 30 Jahren? Können Sie freier und selbstbestimmter arbeiten?  

Sharon Kam: Absolut. Ich nehme auch nicht jede Anfrage an, ich suche mir mein Repertoire sehr genau aus. Nach Spaß, aber auch nach Herausforderungen. Herausforderungen sind wichtig, auch in meinem hohen Alter. Ich glaube, ich brauche dadurch, dass ich Stücke mit vielen unterschiedlichen Leuten gespielt habe, nicht so pingelig in die Details zu gehen. Da lernt man manchmal mehr, als wenn man mit ganz genauen Vorstellungen kommt, wie das alles sein muss.  

BR-KLASSIK: Das Repertoire für Klarinette ist viel kleiner als für Geige oder Klavier. Wie gehen Sie damit um? Gehen Sie in Archive, um Unbekanntes auszugraben? 

Sharon Kam: Auch. Und ich versuche auch zu schauen, ob man Stücke, die man sehr gerne mag, auf Klarinette spielen kann. Ich bin ein bisschen wie ein Kind, das seine Spaghetti Bolognese wahnsinnig gerne mag. Das ist gut für meinen Beruf. Ich brauche nicht jeden Tag etwas Neues.  

Ich brauche nicht jeden Tag etwas Neues.
Sharon Kam

Neujahrskonzert in Nürnberg

BR-KLASSIK: In Nürnberg spielen Sie jetzt das zweite Klarinettenkonzert des Spaniers Oscar Navarro. Für mich eine Neuentdeckung. Wie sind Sie darauf gestoßen?  

Nürnberger Symphoniker | Bildquelle: Torsten Hönig Die Nürnberger Symphoniker | Bildquelle: Torsten Hönig Sharon Kam:  Durch Studenten, durch Reisen nach Spanien, aber auch durch YouTube-Videos. Ich wusste, dass es wahnsinnig gute Unterhaltungsmusik auf einem sehr hohen Niveau ist. Er ist ein Filmmusik-Komponist, der wahnsinnig toll für Orchester schreiben kann. Das Stück hat im Grunde alles, was man liebt. Ich wurde gefragt, ob ich das Konzert von Navarro hier in Nürnberg spielen kann, und ich sagte: Super, mache ich gerne! Es ist alles sehr klassisch, schön flott. Man muss die Finger schnell bewegen können und sehr laut und sehr hoch spielen. Es ist wunderbare Musik, die zum Jahreswechsel sehr gut passt. Nicht so intellektuell, aber sie gibt einem wahnsinnig viel zurück.

BR-KLASSIK: Er hat das Stück 2012 geschrieben, also vor 12 Jahren.

Sharon Kam: Genau. Es ist eine total nachvollziehbare und emotionale Musik mit spanischen Themen und Rhythmen. Also ich muss atemtechnisch sehr lang atmen können und berührend spielen. Es gibt unglaublich schnelle Triller und die Klarinette ist immer im Vordergrund als Soloinstrument. Ich bin in diesem Stück nicht so sehr ein Orchestermitglied.

Neujahrskonzerte mit Sharon Kam

Klarinettistin Sharon Kam spielt mit den Nürnberger Symphonikern unter Leitung von Chefdirigent Jonathon Darlington zwei Neujahrskonzerte. "Tanz mit deinem Darling 2.0" sind die Konzerte am 5. Januar und am 6. Januar 2024 in der Meistersingerhalle übertitelt. Alle Informationen dazu finden Sie hier.

 Sendung: "Allegro" am 5. Januar ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK

Kommentare (2)

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Samstag, 06.Januar, 20:19 Uhr

Prof. Christa Siebert-Freund

Sharon Kam

Ich habe Sharon Kam vor ein paar Jahren einmal live erlebt und war absolut fasziniert von ihrer Musikalität, ihrer Virtuosität, ihrem Wahnsinnsatem und ihrem traumhaften Piano. Sie ist die legitime Nachfolgerin von Sabine Meyer, eventuell sogar noch auf einem höheren
technischen Niveau.

Samstag, 06.Januar, 11:52 Uhr

Frauenkron

Eva

Sehr geehrte Damen und Herren, gibt es eine Möglichkeit, das Konzert vom 5.+6.1. "nachzuhören"? Ich fand das Programm bezaubernd, besonders auf das Klarinettenkonzert bin ich gespannt, und Waldteufel hat sehr schöne Stücke geschrieben, die mir viel geben.

Das Interview war sehr sympathisch. Vielen Dank!

Herzliche Grüße, Eva Frauenkron

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