Sie sind ein Dreamteam der Klassik: Seit zwanzig Jahren treten die Geigerin Julia Fischer und der Cellist Daniel Müller-Schott gemeinsam auf. Ihr persönlicher Hit: Brahms' Doppelkonzert. Im Interview sprechen sie über ihr allererstes Konzert, eine aufregende USA-Tournee mit Kirill Petrenko und den Albtraum Abitur.
Bildquelle: Christine Schneider
"Uns verbindet mehr als Musik"
Interview mit Julia Fischer und Daniel Müller-Schott
BR-KLASSIK: Julia Fischer und Daniel Müller-Schott, seit 20 Jahren treten Sie immer wieder gemeinsam auf. Angefangen hat alles in Bamberg mit dem ersten gemeinsamen Konzert. Wie haben Sie es in Erinnerung?
Daniel Müller-Schott: Das war einfach toll! Dieses gemeinsame Erleben von Musik und gerade des Doppelkonzerts von Brahms! Julia und ich kannten uns ja vorher schon ziemlich gut. Wir haben eigentlich beide darauf gewartet, dass dieser Moment irgendwann kommen wird. Insofern hatte es schon etwas Feierliches, als das Konzert dann wirklich Realität wurde.
Julia Fischer: Ich habe es auch durchweg positiv in Erinnerung. Aber ich war auch ziemlich nervös, weil ich Brahms' Doppelkonzert erst einmal davor gespielt hatte, glaube ich, und da bin ich eingesprungen und habe das Konzert in nur drei Tagen gelernt. Mit Daniel war es also das erste Mal, dass ich das Doppelkonzert ernsthaft im Konzert gespielt habe. Gleichzeitig wusste ich, dass Daniel es schon sehr oft gespielt hatte. Und ich hatte halt die Hoffnung, dass es irgendwie passt, was ich da mache.
Daniel Müller-Schott: Es hat sehr gut gepasst.
BR-KLASSIK: Wenn Sie beide die 20 Jahre ein bisschen Revue passieren lassen, was geht Ihnen da spontan durch den Kopf?
Freunde auf und jenseits der Bühne: die Geigerin Julia Fischer und der Cellist Daniel Müller-Schott. | Bildquelle: Christine Schneider
Julia Fischer: Wir haben natürlich nicht nur Brahms‘ Doppelkonzert gespielt, wir hatten ja auch viele Kammermusikerlebnisse und viele Tourneen miteinander. Die tragischste Tournee war sicherlich mit dem Orchestre Philharmonique de Monte Carlo im März 2011, als Yakov Kreizberg während der Tour starb. Neeme Järvi ist dann eingesprungen.
Es gab aber auch wahnsinnig positive und schöne Erlebnisse. Wir waren mit der Bayerischen Staatsoper und Kirill Petrenko vor ein paar Jahren in der Carnegie Hall und haben dort zusammen Brahms' Doppelkonzert gespielt. Um uns herum waren alle so nervös. Es war, glaube ich, das erste Mal, dass das Bayerische Staatsorchester in den USA auf Tour war, Kirill Petrenko wurde gerade kurz zuvor zum Chef der Berliner Philharmoniker ernannt und es war sein Debüt in der Carnegie Hall. Die Crème de la Crème der amerikanischen Musikwelt war vor Ort, alle Intendanten, die gesamte Presse. Und wir hatten vorher schon oft in der Carnegie Hall gespielt und haben es einfach genossen, weil wir so ruhig waren. Wir haben uns angeschaut und gesagt: Es ist, als wenn man in Planegg spielt. (lachen)
Daniel Müller-Schott: Das hast du auch gesagt, bevor die Tür aufging in der Carnegie Hall. Das werde ich auch nie vergessen. Kirill war wirklich sehr, sehr angespannt. Aber ja, es war ein wunderbarer Moment, da in der Carnegie Hall die Tournee abzuschließen.
Es ist keine Künstlerfreundschaft, sondern auch eine Freundschaft 'off stage'.
BR-KLASSIK: Was muss passen, wenn man vorhat, miteinander Musik zu machen?
Daniel Müller-Schott: Die menschliche Verbindung. Wir haben durch unsere Erziehung ähnliche Werte verinnerlicht und unser familiäres Umfeld ist sehr ähnlich. Wir haben beide einen älteren Bruder und haben in München an der Musikhochschule studiert, zu einer Zeit, wo man noch sehr analog Musik studieren konnte, wo alles noch wirklich in Ruhe war, wo man sich noch um die Musik, um den Inhalt kümmern konnte. Wir hatten beide Lehrer, die sich unglaublich hingebungsvoll der Förderung von Musik und von jungen Musikern gewidmet haben. Es gibt einfach viele Dinge, die sich überschnitten haben und über die wir uns heute noch wunderbar austauschen können.
Julia Fischer ist nicht nur ein Star an der Geige, sondern auch eine hervorragende Pianistin. | Bildquelle: Uwe Arens Julia Fischer: Was schon außergewöhnlich ist in unserem Fall: Es ist keine Künstlerfreundschaft, sondern auch eine Freundschaft "off stage". Wir haben nicht nur Kontakt, wenn wir miteinander spielen, sondern wir haben eigentlich immer Kontakt. Uns verbindet mehr als das, was wir in der Musik miteinander erlebt haben.
BR-KLASSIK: Wie gehen Sie damit um, wenn Sie sich bei der Erarbeitung eines Programms mal nicht einig sind?
Julia Fischer: Von unserem primären Zugang zu Musik sind wir tatsächlich gar nicht so ähnlich. Aber es gehört ja auch dazu, dass man begreifen möchte, was der andere eigentlich zu sagen hat.
Daniel Müller-Schott: Gerade diese Andersartigkeit bringt einen ja auch weiter. Wenn wir alles gleich empfinden würden, dann wäre es natürlich todlangweilig. Einer empfindet Musik vielleicht anders durch die Erfahrung, die er damit gemacht hat, oder durch Dinge, die ihn inspirieren. Und der andere kann davon lernen. Aber man muss dazu offen sein.
Wenn wir alles gleich empfinden würden, wäre es todlangweilig.
BR-KLASSIK: Manchmal trifft einen Musik wie der Blitz. Daniel Müller-Schott, Sie waren fünf, als Sie das Cello entdeckt haben. Der Türöffner war für Sie der Cellist Yo-Yo Ma. Was ist da passiert?
Daniel Müller-Schott: Mein musikalischer Blitzeinschlag war Robert Schumanns Cellokonzert. Ich war als Fünfjähriger bei einem BRSO-Konzert mit Yo-Yo Ma im Münchner Herkulessaal und konnte oben am Rang gerade mal so drüberschauen. Ich habe mich einfach völlig diesen Klängen vom Cello hingegeben. Schumanns Cellokonzert ist ja ein sehr kammermusikalisch orchestriertes Werk, und irgendetwas hat mich da getroffen, dass ich unbedingt Cello lernen wollte. Lustigerweise saß damals am Solocello mein späterer Lehrer, der Walter Nothas.
BR-KLASSIK: Frau Fischer, können Sie sich an ein ähnliches Erweckungserlebnis erinnern?
Julia Fischer: Ich fürchte, nein. Ich war noch nicht vier, als ich angefangen habe, Geige und Klavier zu spielen. Ich kann mich also gar nicht an eine Zeit erinnern, wo ich kein Instrument gespielt habe. Meine Mutter hat sehr viel zu Hause gespielt, als ich klein war, sie hatte eine riesige Klavierklasse und hat ständig unterrichtet. Ich kann mich auch nicht daran erinnern, dass ich je einen anderen Berufswunsch gehabt hätte. Mit drei oder vier wollen ja die Kinder Lokführer oder Feuerwehrmann oder was weiß ich werden. Die Phase habe ich irgendwie übersprungen.
15. Oktober 2022, 20:00 Uhr
16. Oktober 2022, 17:00 Uhr
Bamberg, Joseph-Keilberth-Saal
Julia Fischer & Daniel Müller-Schott
Bamberger Symphoniker / Juanjo Mena
Johannes Brahms: Doppelkonzert für Violine und Violoncello a-Moll op. 102
Die Konzerte werden von BR-KLASSIK aufgezeichnet. Den Mitschnitt hören Sie am 2. November 2022 ab 20:05 Uhr.
BR-KLASSIK: Sie sind beide begeisterte Kammermusiker. Es gibt allerdings nicht allzu viel Literatur für Violine und Violoncello. Wie gehen Sie damit um?
Instrumententausch. Julia Fischer ist durchaus neidisch auf die Cellisten, weil sie Dvořáks tolles Violoncellokonzert spielen können. | Bildquelle: Christine Schneider Daniel Müller-Schott: Wir finden schon immer was. Einiges haben wir schon gespielt, also das Kodály-Duo, die Ravel-Sonate, diese beiden Hauptwerke aus dem zwanzigsten Jahrhundert, dann das Duo von Schulhoff. Davon gibt es auch eine CD. Jetzt beschäftigen wir uns wieder mit Martinu, der hat auch zwei Duos geschrieben, die wir uns im Dezember anschauen, weil wir da im Beethoven-Haus Bonn spielen.
Julia Fischer: Und im Notfall muss ich halt aufs Klavier ausweichen.
BR-KLASSIK: Von wem hätten Sie denn gern ein schönes Konzert für Violine, Violoncello und Orchester gehabt?
Julia Fischer: Ich möchte, dass Esa-Pekka Salonen eines schreibt. Ich bin ein großer Fan von seiner Musik. Wenn man jetzt zurückblickt, dann von Dvorak natürlich. Auf das Dvořák-Cellokonzert bin ich schon wahnsinnig neidisch.
Daniel Müller-Schott: Und wir Cellisten sind natürlich auf Brahms' Violinkonzert irgendwo neidisch. Brahms schrieb ja auch selber mal, nachdem er Dvořáks Cellokonzert gehört hat: Wenn er gewusst hätte, wie man für das Cello schreiben kann, hätte er auch ein großes Werk für Cello und Orchester komponiert. Das wäre schon spannend gewesen. Es gibt viel, worauf Cellisten neidisch sein können: das Beethoven-Konzert, die Mozart-Konzerte und so.
BR-KLASSIK: Vor kurzem lief auf BR-KLASSIK ein Beitrag über Träume und Albträume des Redaktionsteams nach der Festspielzeit im Sommer. In arbeitsintensiven Phasen begleitet uns unsere Arbeit ja bis in den Schlaf. Geht Ihnen das auch so?
Julia Fischer: Es passiert mir schon, dass ich im Traum ein Klavierkonzert spielen muss. Und ich bin offensichtlich nachhaltig gestört durch meine Abiturzeit, weil ich so viel gefehlt habe damals. Ich träume relativ oft, dass man mir das Abitur wegen zu häufiger Fehlstunden aberkennt und dass ich zurück in die Schule gehen muss. Dann muss ich wieder in der Schulbank sitzen und irgendwelche Matheaufgaben lösen.
Daniel Müller-Schotts persönlicher Albtraum: Völlig unvorbereitet auf die Bühne kommen. | Bildquelle: © Uwe Arens Daniel Müller-Schott: Mir geht es auch immer wieder so, dass ich von der Schulzeit träume und dann unglaublich froh bin, wenn ich aufwache. Gott sei Dank, die Schule ist vorbei! Ich habe auch mal geträumt, dass ich mit Krzysztof Penderecki ein neues, von ihm geschriebenes Cellokonzert auf der Bühne aufführen soll. Dabei hatte ich die Noten noch nie gesehen. Ich war schon auf der Bühne und bin während des Applauses rumgelaufen, um zu fragen, wer mir die Noten gibt. Da ist man dann auch froh, wenn man aufwacht.
BR-KLASSIK: In Bamberg werden Sie jetzt beide Ihr 20-jähriges gemeinsames Bühnenjubiläum feiern. Wie damals vor 20 Jahren treten Sie mit dem Doppelkonzert von Brahms auf. Was wird anders sein?
Julia Fischer: Erst mal ist der Dirigent ein anderer. Wir spielen dieses Mal mit Juanjo Mena, vor 20 Jahren war Christoph Poppen dabei. Ich glaube auch, dass sich unsere Interpretation verändert hat. Möglicherweise nicht dramatisch, aber all die Dirigenten, mit denen wir das Konzert in den 20 Jahren gespielt haben, hinterlassen eine kleine Spur.
BR-KLASSIK: Und es hat sich ja doch durchgezogen bei Ihnen…
Julia Fischer: Wir haben das Konzert jedes Jahr eigentlich mindestens einmal miteinander gespielt. Wir hatten großartige Aufführungen und auch nicht so großartige. Es ist ja nicht so, dass jedes Konzert immer fantastisch ist. Man hat auch Dirigenten dabeigehabt, die vielleicht eine völlig neue Sicht hatten, oder auch Ideen, die uns dann inspiriert haben.
Ich habe heute eine völlig andere Fähigkeit zuzuhören als vor 20 Jahren.
Daniel Müller-Schott: Und ich glaube, dass das Leben außerhalb der Musik einen enormen Einfluss hat. Was mein Spiel betrifft: Ich bin ich mir ganz sicher, dass ich eine völlig andere Fähigkeit habe zuzuhören als vor 20 Jahren. Man muss seine Fähigkeiten dahingehend entwickeln, dass man seinen Radar auf alle Instrumente, auf alle beteiligten Menschen ausdehnt. Vor 20 Jahren, als wir das Konzert gespielt haben, glaube ich, waren wir sehr mit uns beschäftigt. Heute können wir mehr die Vogelperspektive einnehmen. Deshalb glaube ich, findet dann schon eine andere Interpretation statt.
BR-KLASSIK: Also hatten Sie quasi ein Tunnelohr, als Pendant zum Tunnelblick…
Daniel Müller-Schott: Wir hatten auch ein Erlebnis in Frankfurt, das uns in Erinnerung geblieben ist, weil wir gerade beide Instrumente gesucht haben. Wir haben sehr schöne alte Instrumente, aber es hat eine Zeit gedauert, bis wir was gefunden hatten, das zu uns passt. Da hatten wir also beide gerade frisch diese Instrumente bekommen und waren unglaublich beschäftigt mit der Suche nach dem richtigen Klang. Das war dann eine Aufführung, die so ganz hermetisch verschlossen war.
Am 15. und 16. Oktober spielen Daniel Müller-Schott und Julia Fischer das Doppelkonzert von Johannes Brahms in Bamberg. | Bildquelle: © Christine Schneider Julia Fischer: Verschlossen auch voneinander. Ich stimme allem zu, was Daniel sagt. Aber was ich bis heute nicht begreifen kann, ist, dass das Hören im Konzert ganz anders ist als das Hören in der Probe. Es passiert mir immer wieder: Ich probe und konzentriere mich und will alles mitbekommen. Aber im Konzert bemerke ich dann plötzlich Dinge, die ich in der Probe nicht bemerkt habe und erschrecke manchmal auch. Ach, der spielt ja auch noch mit?! Dieses Phänomen fasziniert mich immer wieder.
BR-KLASSIK: Was wünschen Sie sich für die nächste Zeit?
Julia Fischer: Ich wünsche mir natürlich die nächsten 20 Jahre Brahms' Doppelkonzert mit Daniel.
Daniel Müller-Schott: Dass wir in 20 Jahren wieder hier sitzen und sagen: Auf die vergangenen 40 Jahre.
Julia Fischer: Vielleicht gibt’s ja bis dahin noch ein weiteres Doppelkonzert, das wir dann feiern…
Daniel Müller-Schott: Das hoffe ich auch, ja.
BR-KLASSIK: Alles Gute für Sie, schöne Konzerte und herzlichen Dank für das Gespräch!
Das Interview führte Michael Atzinger für BR-KLASSIK.
Kommentare (2)
Donnerstag, 13.Oktober, 14:03 Uhr
Sylvia Philipp
Die Aussagekraft dieses Interviews ist gleich Null ... Das lag sicherlich nicht an Michael Atzinger, der seit jeher ausgezeichnete und interessante Interviews mit viel Wissen und Empathie führt. Diese beiden Künstler sind maßlos überschätzt und wenn sie in diesen Zeiten nichts anderes zu sagen haben, könnte man auf weitere Gespräche mit ihnen durchaus verzichten!
Und die zweideutige Überschrift läßt anderes erwarten ...
Dienstag, 11.Oktober, 21:59 Uhr
Wolfgang
Gefangen in der Zeitschleife
Das Interview hätte geauso auch vor 20 Jahren stattfinden können.
Jetzt sind die beiden doch gestandene, fast mittelalte Künstler (nach heutigen Maßstäben, nach früheren sowieso), die über ihre Stellung im hier und jetzt reflektieren sollten, in einer Zeit, die wirklich durch monumentale Ungeheuerlichkeiten charakterisiert ist, auf die jeder Mensch und Künstler reagieren muss.
Stattdessen bekommen wir ein Bravo-light-Interview über die künstlerischen Anfänge mit den üblichen Selbstgefälligkeiten.