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Cellist Kian Soltani im Interview "Musik muss gefährlich sein"

Kian Soltani ist ein echtes Energiebündel. Er mag es nicht, wenn es zu gemütlich wird – besonders in der Musik. Derzeit steht er beinahe täglich auf der Konzertbühne und ist mit seinem Cello quer durch Europa unterwegs. Am Samstag spielt er mit der Camerata Salzburg im Münchner Prinzregententheater Haydns erstes Konzert für Violoncello.

Bild fürs neue Album "Cello unlimited" | Bildquelle: Gregor Hohenberg

Bildquelle: Gregor Hohenberg

BR-KLASSIK: Es gibt viele Konzerte für Cello, gespielt werden aber meist nur drei: Das Cellokonzert von Robert Schumann und die Konzerte von Joseph Haydn in C-Dur und in D-Dur. Vielleicht steht manchmal noch Schostakowitsch auf dem Spielplan oder Elgar, aber dann wird die Luft schon dünn. Was meinen Sie, Herr Soltani, woran könnte diese Haydn-Dominanz liegen?

Kian Soltani: Die gemeine Antwort wäre zu sagen, dass es an vergleichbarer Konkurrenz fehlt. Aber das stimmt nicht. Es gibt viele klassische Cellokonzerte von eher unbekannteren Komponisten. Aus der klassischen Ära der großen Komponisten, sagen wir mal Mozart, Haydn und Schubert, hat nur Haydn Cellokonzerte geschrieben – und dann gleich zwei. Deswegen liegt es in der Natur der Sache, dass Haydn etwas dominiert. Das andere Argument ist natürlich, dass die Stücke so wahnsinnig genial sind und dass man die auch dann noch so oft spielen würde, wenn Mozart auch ein Cellokonzert geschrieben hätte.

BR-KLASSIK: Sie spielen das C-Dur-Konzert bei ihrem Konzert im Münchner Prinzregententheater. Das C-Dur-Konzert und speziell das Finale gilt als extrem schwer. Können Sie uns erklären, woran das liegt?

Kian Soltani: Das Tempo spielt eine große Rolle. Es ist so schwer, weil es so schnell ist – Allegro molto. Ich glaube, dass es auch für die damalige Zeit sehr visionär war, so schwer für das Cello zu schreiben. Haydn war kein Cellist, da ist es schon ungewöhnlich, so virtuos für das Instrument zu schreiben. Luigi Boccherini zum Beispiel hat auch virtuos für Cello geschrieben, aber er war selber Cellist. Außerdem ist Haydns Cellokonzert sehr gut hörbar. Das Orchester begleitet sehr dünn, spielt oft nur Achtel-Noten im Hintergrund, sodass das Cello wirklich im Vordergrund steht. Man hört also jeden Ton und muss da wirklich sehr fein und genau spielen. Man kann sich nicht verstecken.

Musik muss bis zu einem gewissen Grad gefährlich sein.
Cellist Kian Soltani

Kian Soltani in München

Am Samstag, den 9. Dezember, spielt Kian Soltani mit der Camerata Salzburg im Münchner Prinzregententheater.


Programm:

Schumann: Ouvertüre, Scherzo und Finale E-Dur op. 52
Haydn: Konzert für Violoncello und Orchester Nr. 1 C-Dur Hob. VIIb:1
Mendelssohn Bartholdy: Symphonie Nr. 4 A-Dur op. 90 "Italienische"

Karten für das Konzert bekommen Sie hier.

Bis dem Publikum der Atem stockt

BR-KLASSIK: Sind Sie im Konzert ein Treiber? Oder ist das Tempo für Sie nicht alles?

Kian Soltani: Tempo ist natürlich nicht alles, aber eine gewisse Energie muss schon entstehen. Es darf nicht gemütlich klingen. Ich glaube, Musik muss auch bis zu einem gewissen Grad gefährlich sein. Das Publikum muss auch das Gefühl haben, am Limit zu sein, es muss einem so ein bisschen der Atem wegbleiben. Wenn es zu gemütlich ist, dann ist der Charakter ein bisschen verfehlt.

BR-KLASSIK: Nun heißt Konzerte zu spielen, immer wieder zu reproduzieren. Wieviel Varianz empfinden Sie denn bei Ihren eigenen Konzerten? Bleiben Sie streng bei dem, was er sich interpretatorisch erarbeitet und zurechtgelegt haben? Oder lassen Sie auch mal freien Lauf und geben Gas – je nachdem, ob der Dirigent oder das Orchester Sie inspiriert?

Kian Soltani und Aaron Pilsan beí SWEET SPOT TV | Bildquelle: Alescha Birkenholz Bildquelle: Alescha Birkenholz Kian Soltani: Ich versuche, immer wieder auf das Ensemble einzugehen. Ich habe gewisse Grundideen beim Stück, aber ansonsten finde ich es sogar spannend, wenn es einmal anders gespielt wird. Zum Beispiel mache ich gerade das Tripelkonzert von Beethoven in Berlin: Ich habe das Stück schon sehr oft gespielt, aber ich mache es jetzt zum ersten Mal mit Johanna Mallwitz und dem Konzerthausorchester Berlin. Sie hat ihre eigenen Ideen, wie die Übergänge sein sollen. Anstatt zu diskutieren und zu sagen, dass ich es normalerweise anders mache, finde ich es spannend, es einmal so zu probieren. Jetzt spielen wir die Übergänge schneller, als ich es sonst machen würde und das ist spannend. In der Musik gibt es kein Richtig und kein Falsch.

Ständig mit Cello auf Achse

BR-KLASSIK: Heute also das Tripelkonzert von Beethoven in Berlin, dann am Freitag Schumanns Cellokonzert in Salzburg, am Samstag das Haydn-Konzert in München und am Sonntagvormittag wieder das Schumann-Konzert in Salzburg. Gleich danach geht es in die Schweiz. Herr Soltani, wie halten Sie sich da kräftemäßig fit? Was braucht Ihr Kopf, damit Sie das alles konzentrationsmäßig bewältigen?

Kian Soltani: Ich muss zugeben, es ist nicht mein Traumplan. Wenn ich es mir aussuchen dürfte, würde ich es anders planen. Manchmal ergeben sich diese Dinge aber so und man kann einfach nichts daran ändern. Man muss dann einfach durchziehen. Ich glaube, das Wichtigste ist, dass man genug und gut schläft. Außerdem mache ich fast jeden Tag Sport. Das ist wichtig, damit man körperlich fit bleibt. Man braucht auch eine gute Vorbereitung. Natürlich kann ich jetzt nicht zwei Tage vorher anfangen das Haydn-Konzert zu üben. Das braucht Wochen, wenn nicht sogar Monate der Planung. Und planen heißt üben, sich das Üben gut einteilen. Wenn ich jetzt noch üben muss, ist es eigentlich zu spät. Jetzt muss ich die Stücke nur noch warm halten.

Eine gewisse Energie muss schon entstehen, es darf nicht gemütlich klingen.
Cellist Kian Soltani

Sendung: "Leporello" am 6. Dezember ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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