Für seine Filmmusik zu Edward Bergers "Im Westen nichts Neues" hat Volker Bertelmann alias Hauschka im vergangenen Jahr einen Oscar bekommen. Jetzt steuert der deutsche Komponist den Soundtrack zu Bergers neuem Vatikan-Thriller "Konklave" bei. Im Gespräch mit BR-Klassik verrät Bertelmann, mit welchen musikalischen Mitteln man am besten Spannung erzeugt – und wie sich sein Leben seit dem Oscar-Gewinn verändert hat.
Bildquelle: picture alliance / Captital Pictures | Can Nguyen
BR-KLASSIK: Nach "Im Westen nichts Neues" ist "Konklave" Ihre nächste Zusammenarbeit mit dem Regisseur Edward Berger. Hat sich die Dynamik der Zusammenarbeit im Vergleich zum letzten Mal geändert?
Volker Bertelmann: Mit Edward Berger habe ich jetzt schon fünf Filme gemacht. Davon zwei große Kinofilme, die hintereinander kamen: "Im Westen nichts Neues" und "Konklave". Ich muss sagen, schon bei "Im Westen nichts Neues" war das Vertrauen da, dass ich in der Lage bin, die Vorstellung, die er hat, musikalisch umzusetzen. Ich glaube, ich hätte sonst an diesen Soundtrack und an diesen Film gar nicht herangehen können mit so einer Unbescholtenheit. Ich habe einfach nur gesagt: "Ich mache jetzt mal was."
BR-KLASSIK: Für den Soundtrack zu "Im Westen nichts Neues" gewannen Sie 2023 den Oscar für die beste Filmmusik. Hat sich dadurch Ihr Leben verändert?
Volker Bertelmann bei den Oscars 2023 | Bildquelle: picture alliance / Photoshot | - Volker Bertelmann: Ja natürlich, es wäre komisch, wenn der Oscar das Leben nicht verändern würde. Bei mir persönlich versuche ich aber, die Wirkung nicht ganz so zu gewichten, weil ich der Meinung bin, mein Leben sollte einfach so weitergehen, wie es vorher war. Es kommt schon genug Veränderung dadurch, dass andere es anders wahrnehmen. Die tollen Veränderungen liegen darin, dass man einfach eine andere Wahrnehmung bekommt, in dem was man macht. Obwohl man das Gleiche schon vorher gemacht hat, bekommt die Arbeit, durch das Prädikat, durch die Wertigkeit des Prädikats, auf einmal einen ganz anderen, respektvollen Umgang. Wenn man etwas sagt, sagt jemand vielleicht eher: "Der wird es schon machen, das wird schon in Ordnung sein. Der hat ja hier schon dies und jenes gewonnen." Vor dem Oscar-Gewinn wurde mir oft dazwischen geredet und es wurde immer dran rumgearbeitet, bis ich mich irgendwann nicht mehr wiedergefunden habe. Jetzt bin ich etwas mehr geschützt in meiner eigenen Arbeit.
BR-KLASSIK: Wenn Sie sich zurückerinnern: Wie sah der Tag nach dem Gewinn des Oscars aus?
Volker Bertelmann: Man ist total müde. Aber der Tag, an dem man gewinnt, ist ein bisschen wie ein Rausch. Ich habe den Tag mit meiner Familie, mit meinen Kindern und meiner Frau verbracht und wir haben alles zusammen erlebt. Und das macht das Ganze sehr normal. Also, wir haben immer gesagt: Es ist ein bisschen wie ein Schützenfest.
BR-KLASSIK: Wie gehen Sie grundsätzlich einen Filmscore an? Gibt es z.B. bestimmte Arbeitsschritte oder Eigenheiten, die bei Ihnen immer gleich sind?
Filmszene aus "Konklave" | Bildquelle: Leonine Volker Bertelmann: In den meisten Fällen bereite ich mich so vor, dass ich mir ganz viele Sounds angucke. Ich suche neue Instrumente. Ich versuche für mich eine Möglichkeit zu finden, an irgendetwas Spaß zu bekommen, das zu dem Film passt. Ich versuche für mich eine Entdeckung, die mir persönlich gefällt, mit der Entdeckung für die Filmmusik zu verbinden, denn das bedeutet einfach, dass ich viel mehr Freude daran habe und auf neue Ideen komme. Und der Score klingt dann nicht wie jeder andere, weil man zum Beispiel mit einem neuen Instrument arbeitet. Eine außergewöhnliche Entdeckung für "Konklave" war zum Beispiel das "Cristal Baschet". Das ist ein Instrument aus Glasstäben, gestimmt auf vier Oktaven. Die spielt man mit Wasser und das klingt im weitesten Sinne wie ein Synthesizer. Aber es gibt keine elektronische Verfremdung des Klangs. Als ich das gefunden, damit gearbeitet und es dann Edward Berger geschickt hatte, war klar, dass es ein interessantes Instrument, ein interessanter Sound für den Film ist.
BR-KLASSIK: Fangen Sie mit der Kompositionsarbeit an, wenn es schon einen Schnitt gibt oder sind Sie auch schon beim Drehbuch und davor beteiligt?
Volker Bertelmann: Ich kriege das Drehbuch, manchmal möchte ich auch gerne das Rohmaterial sehen, damit ich mitbekomme, wie das Gedrehte aussieht. Edward Berger ist eher jemand, der mir die Sachen erst gibt, wenn er das Gefühl hat, die sind vorzeigbar. Das ist für mich ganz gut, weil ich dann immer ein bisschen Zeit habe, mich mit dem Projekt zu beschäftigen. Aber ich fange dann auch an, mir Gedanken zu den Sounds zu machen, ihm Sachen zu schicken. Ich arbeite jetzt zum Beispiel mit ihm schon am nächsten Film und ich denke schon darüber nach. Es gibt bestimmte Sounds, die ich zwar höre, aber ich weiß noch gar nicht, wie, aus welchen Instrumenten ich sie baue. Ich habe gerade eine Vorstellung, die ist sehr abstrakt, aber ich versuche dann für mich eine kompositorische Möglichkeit zu finden, die Instrumente miteinander zu verbinden. Und das habe ich bei "Konklave" auch gemacht.
BR-KLASSIK: Gibt es bestimmte musikalische "Tricks" oder Techniken, um bei einem Thriller wie zum Beispiel "Konklave" Spannung zu erzeugen?
Volker Bertelmann: Das, was am meisten Spannung schafft, ist: gegen das Bild zu arbeiten. Je weniger man den Drive unterstützt, je punktueller man ihn unterstützt, desto besser. Also: Einfach das Auto und die quietschenden Reifen alles übernehmen lassen – und dann haut man wieder mit einem Schlag dagegen. Was ich auch sehr gerne mache, ist zum Beispiel Triolen gegen Sechzehntel, also Metrik, gegeneinander laufen zu lassen. Dadurch entsteht Chaos, ein organisiertes Chaos. Man hat als Hörer die ganze Zeit das Gefühl, dass eine Instabilität da ist. Was Störungen erzeugt, sind auch die Spielweisen Pizzicato, Col Legno – also alles, was unkontrolliert klingt, wo der Sound irgendwie wegbritzelt, wo Sachen auch mal nicht auf die geraden Zählzeiten kommen, sondern einfach eine Sechzehntel vorgezogen sind und dann nochmal eine Sechzehntel. Und man wartet und wartet und denkt: "Wann kommt denn jetzt endlich der Downbeat?" Und dann kommt er irgendwann einmal und dann geht es wieder ungerade weiter. Also, eine Unruhe schaffen mit den Erwartungen des Normalen.
Ein Trick ist auch, dass man nie zu hoch anfängt. Also mit je weniger man anfängt, desto höher ist natürlich der Peak. Viele Musiken, die ich höre, fangen eigentlich schon hoch an. Dadurch nimmst du gar keine dynamische Verdichtung wahr, sondern du fängst halt schon von vornherein auf dem Level an, wo es auch endet. Man kriegt von vornherein gesagt: "Die fahren doch jetzt los. Das braucht doch jetzt Speed." Aber ich habe ja noch zwei Minuten, ich muss ja den Speed erstmal aufbauen. Also gib mir mal zwei Minuten Zeit, ich kann mit Schlägen und mit Bass Drums und mit einzelnen Hits, schon sagen: "Hey, das wird fett. Aber wartet noch ein bisschen." Und das braucht Mut.
BR-KLASSIK: Gab es ein bestimmtes Bild oder eine bestimmte Szene in "Konklave", wo Sie wussten: "Hier kann ich ansetzen, hier erzähle ich meine musikalische Geschichte"?
Filmszene aus "Konklave" | Bildquelle: Leonine Volker Bertelmann: Ich glaube, das religiöse Thema und das Finden eines religiösen Instruments war eigentlich das erste Element, das mir half, diesen spirituellen Raum zu füllen. Es gibt eine Szene, die damit endet, dass der scheidende Papst im Sarg abtransportiert wird. Das ist eine ganz lange Strecke, die das ganze Prozedere beschreibt, wie er aus seinem Sterbebett in den Krankenwagen gebracht wird. Diese Sequenz war eigentlich die Sequenz, die alles geknackt hat. Als ich die gefunden hatte, war für alle anderen Szenen klar, wie sie funktionieren. Dann sind Elemente von dieser Strecke nach hinten gewandert. Und damit haben sich alte Entwürfe, die eigentlich auch schon als gut empfunden wurden, wieder verändert. Das heißt, man muss manchmal ein bisschen warten, bis die Nuss geknackt ist.
BR-KLASSIK: Gerade ist ja auch "Dune: Prophecy" herausgekommen, eine Serie, für die Sie den Soundtrack komponiert haben. Im Unterschied zu einem Film wie “Konklave” bewegen Sie sich hier in einem Franchise, das klanglich schon eine Identität hat - ausgehend von den Kinofilmen, deren Soundtracks von Hans Zimmer sehr ikonisch komponiert sind. Nehmen Sie das mit in die kompositorische Arbeit oder können Sie sich davon freimachen?
Volker Bertelmann: Davon kann ich mich freimachen. Hans Zimmer hat eine tolle Musik gemacht, die gut zu den "Dune"-Filmen passt. Ich hatte ein Gespräch darüber ganz am Anfang und es war eigentlich für uns alle klar: Das wird was anderes. Das ist ganz klar auch wie die filmische Arbeit, da kannst du auch nicht sagen: Hey, ich will das genauso machen wie im Kinofilm. Es ist aber ein anderes Format, es ist eine Fernsehproduktion. Das ist ja viel intimer. Die Fernsehshows haben sehr viel mehr persönliche Momente.
"Dune" als Kinofilm ist ja sehr breit und flächig und hat viele lange Sequenzen, die eigentlich aussehen wie Gemälde, wo aber nicht viel Handlung ist. Man sieht jemanden, der zehn Minuten lang auf einem Wurm reitet. Da kann man natürlich musikalisch ganz anders arbeiten, als wenn du zum Beispiel eine sehr dichte Geschichte hast, die ganz viel erzählt, die aber ständig die Locations wechselt. Allein dadurch ergibt sich schon eine ganz andere Typografie für die Musik. Insofern haben wir von vornherein gesagt: Wir machen was anderes. Aber ich glaube, wir haben auch echt ikonische Elemente gefunden.
Sendung: Cinema, immer sonntags ab 18:05 Uhr
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