Klassische Musik ist weltfremd? Nicht für Hanni Liang. Die Konzertdesignerin findet: Klassik transportiert gesellschaftspolitisch relevante Botschaften. Das will Hanni Liang dem Publikum näherbringen.
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Wenn die Pianistin Hanni Liang ein Konzert gibt, geht es ihr um mehr als die reine klangliche Präsentation eines Werks. Das Publikum muss sich darauf gefasst machen, mit neuen Gedanken nach Hause zu gehen und nicht nur mit schöner Musik im Kopf.
Bei einem Konzert im Münchner HP8, das Hanni Liang mit Studierenden der Musikhochschule einmal ausgerichtet hatte, fühlte sich das Publikum am Ende betroffen, gar ertappt. Die Konzertbesucher:innen sollten sich durch auf dem Boden aufgemalte Kreise bewegen, die für "Circle of Influence", "Circle of Concern" und "Circle of Control" standen. Aber das Publikum reagierte anders als geplant, erzählt Hanni Liang im BR-KLASSIK Interview: "Niemand hat sich bewegt, alle standen außen an den Seiten. Zum Glück gab es danach ein Podiumsgespräch, wo ich das Ganze auflösen durfte. Das Nichtbewegen stand sinnbildlich für unsere heutige Gesellschaft."
Ihre Umgebung saugt die Künstlerin Hanni Liang auf wie ein Schwamm. Wenn sie Nachrichten schaut, hat sie danach ein Bedürfnis, Begegnungen zu schaffen. Der Rechtsruck, der Klimawandel – das sind alles Themen, bei denen sie sich ein aktives Handeln der Menschen wünscht. Und genau das versucht sie ins Konzert zu übertragen. Ausgangspunkt ihrer Konzertformate ist stets die Klassische Musik. "Wenn man bedenkt, für was alles Beethoven stand – das ist heute wichtiger denn je." Beethovens 9. Sinfonie symbolisiert beispielsweise Freiheit, Hoffnung und Gemeinschaft.
Hanni Liang setzt besonders auf Interaktion, um Menschen an Kultur heranzuführen. Für NDR Kultur EXTRA hat sie unter dem Titel "Stimmen erheben" ein Livekonzert designt. Zur TV-Sendung.
Wenn die 31-jährige Pianistin Hanni Liang Konzerte designt, werden sie zur interaktiven Performance. | Bildquelle: Felix Broede Die 31-jährige Hanni Liang hat zunächst eine klassische Klavierkarriere verfolgt. Jungstudium in Düsseldorf, anschließendes Klavierstudium mit Stationen in Hannover und Rostock bei Matthias Kirschnereit. Ein traditioneller Karriereweg mit Wettbewerben und Konzerten. Das Highlight dieser Zeit war ihr Debüt in der Elbphilharmonie mit der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen, berichtet Hanni Liang. Doch dann kam die Sinnfrage: Warum das Ganze? Warum Musikerin sein? Viele Begegnungen, unter anderem beim Hamburger Kultur- und Bildungsprojekt Tonali, haben Hanni Liang dann zu einer recht neuen Fachrichtung geführt: dem Konzertdesign.
Vor ungefähr zehn Jahren hat der Kulturmanager und Musiker Folkert Uhde begonnen, den Begriff "Konzertdesign" zu nutzen. Dabei werden Konzerte auf ihre Funktion hin untersucht. Ziel ist es, beim Publikum mehrere Sinne anzusteuern und die Beziehung zwischen Künstler:innen und Publikum bewusst zu gestalten. Klassische Musik wird in Szene gesetzt, ein Konzert wird zu einer interaktiven Performance.
Inhaltlich passiert eine Öffnung des Konzerts gegenüber gesellschaftlichen Themen, ein Kontextualisieren von Klassischer Musik. Warum? "Klassische Musik ist immer wieder finanziellen Kürzungen ausgesetzt", so Hanni Liang. Die Branche müsse sich also fragen: "Welche Rollen haben wir in dem Ganzen? Sind wir in einer immer diverser werdenden Gesellschaft wirklich eine Sprache für alle? Oder nicht doch nur für einen kleinen Teil?"
Die Klassikbranche muss sich fragen: Welche Rolle haben wir in der Gesellschaft?
Die Auseinandersetzung mit dem Heute durch Klassische Musik spielt auch in Musikhochschulen eine immer stärker werdende Rolle. An der Hochschule für Musik und Theater in München können Studierende aller Fächer Veranstaltungen des Fachbereichs "Musikvermittlung und Konzertdesign" belegen. In diesem Rahmen unterrichtet auch Hanni Liang. Sie steht dann vor Studierenden der Instrumentalfächer, angehenden Musikpädagog:innen oder Studierenden der Sound Art. Zusammen entwickeln sie neue Konzepte, versuchen, Musik als Aktionskunst zu verstehen, üben sich darin, vage Ideen auszuformulieren und zu Papier zu bringen. Hanni Liang zeigt so, dass eine künstlerische Karriere mittlerweile mehr sein kann, als der reine musikalische Auftritt auf der Bühne. "Das ist auch immer das, was ich den Studierenden sage: Man kann sich ganz viele Wege selber bauen und auch ganz viele Türen selber öffnen."
Wie fühlt es sich an, eine KI zu sein? Wie fühlt es sich an, Mensch zu sein? Das fragen Studierende der Kompositionsklasse von Moritz Eggert in Zusammenarbeit mit Ali Nikrang, Professor für Künstliche Intelligenz und Musikalische Kreation und Konzertdesignerin Hanni Liang. Das Konzert findet am 31. Oktober in München statt. Mehr Infos hier.
Sendung: "Leporello" am 24. Oktober 2024 ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK
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