Ivo Pogorelich tritt in München mit dem Jerusalem Symphony Orchestra unter Julian Rachlin auf. Und zeigt erneut, warum er einst als Enfant terrible unter den Pianisten galt. Grenzwertig findet das der BR-KLASSIK-Kritiker.
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Es war ein Programm aus dem Lehrbuch, ganz traditionell mit Ouvertüre, Solo-Konzert, Symphonie. Und Julian Rachlin erwies sich als versiert in allen drei Genres ohne Frage. Aber er hat auch ein wenig zu viel Gas gegeben, um ja Eindruck zu machen, zu sehr auf die Tube gedrückt und dabei leider desöfteren Lautstärke mit Ausdruck verwechselt - vor allem in der Brahms-Symphonie. Hier zeigte das Orchester zwar durchaus seine Klangqualitäten - ganz wunderbar zum Beispiel die Horngruppe. Aber Rachlin ließ insgesamt zu wuchtig und auch zu statisch musizieren, was den Drive dieser Musik, das Vorwärtsdrängende doch ziemlich ausgebremst hat.
Vor zwei Jahren hat der Geiger und Dirigent Julian Rachlin die Position des Chefdirigenten des Jerusalem Symphony Orchestra übernommen. Denkbar schwierig also die Situation nun in diesen von Gewalt geprägten Zeiten. Doch gerade da scheint die Musik immer wieder auch ein Hilfsmittel zu sein, mit der Gegenwart klar zu kommen. Nun also im Konzert in München, als Solist mit dabei der Pianist Ivo Pogorelich. Auf dem Programm die Ouvertüre "Ruslan und Ludmila" von Michail Glinka, das zweite Klavierkonzert von Rachmaninow und Brahms' vierte Symphonie.
Ivo Pogorelich im BR-KLASSIK-Interview: "Etwas Wertvolles geht gerade verloren"
Hin und wieder, wenn Rachlin sich einer Streichkantilene mit besonderer Hingabe widmet, merkt man vielleicht den Geiger in ihm. Aber sonst setzt er eher auf die große Orchester-Gestik und die üppige Klangfülle mehr als auf die Feinzeichnung.
Mit Ivo Pogorelich im 2. Klavierkonzert von Rachmaninow war ein Pianist zu hören, der immer wieder für kontroverse Reaktionen gesorgt hat. Es gibt Solisten, die ihre Eitelkeit pflegen und solche die ihre Eigenheiten pflegen. Pogorelich gehört ohne Zweifel zu letzteren. Das war schon sehr eigenwillig wie er dieses Schlachtroß des Repertoires quasi von hinten aufgezäumt hat und ihm die wogende Klangsinnlichkeit immer wieder ausgetrieben hat.
Eine Art Anti-Romantik mit gestanzten, gehackten Tönen, knallhart, trocken. Markant wäre noch das positivste was man dazu sagen könnte. Ein Rachmaninow on the rocks extra dry sozusagen. Das war tatsächlich etwas grenzwertig. Für Ravel wäre das eine solche Gangart, die Klarheit und Nüchternheit interessant, aber bei Rachmaninow ist das recht querständig zur Partitur. Wäre interessant zu wissen, wie Rachmaninow auf so eine Interpretation reagiert hätte...
Sendung: "Allegro" am 20. März 2025 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK
Kommentare (1)
Donnerstag, 20.März, 12:24 Uhr
Renate von Törne
Jungwirth zu Ivo Pogorelich (Rachmaninow)
Sehr geehrte Damen und Herren,
nehmen die Redakteure von BR Klasik jetzt die Kulinarik als Vergleichshilfe? Gestern las ich den Artikel von Frau Goldhammer zum Domingo-Konzert (mit befremdlichen persönlichen Einstreuungen), in dem sie die "Fledermaus"-Ouvertüre mit Fantasien über Schlagobers resp.
Knoblauch versah. Heute lese ich bei Herrn Jungwirth über Pogorelichs Interpretation des Rachmaninow-Klavierkonzertes "on the rocks extra dry". Reicht das musikbezogene Vokabular nicht mehr aus? Koch- und Ess-Sendungen gibt es schon genug!
Trotzdem großes Kompliment für BR Klassik – ich höre nichts anderes!
Beste Grüße
Renate von Törne