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Kritik – English Baroque Soloists in München John Eliot Gardiner mit Haydn und Mozart

Die English Baroque Soloists sind eines der renommiertesten Ensembles für Alte Musik – gegründet 1978 von Sir John Eliot Gardiner. Im Januar waren sie mit ihrem Haydn-Mozar-Programm auf Tour und haben am 16. Januar ihr Abschlusskonzert in der Isarphilharmonie gegeben. Ein beseelter Abend, der sich immer mehr gesteigert hat.

Dirigent John Eliot Gardiner  | Bildquelle: © Chris Christodoulou

Bildquelle: © Chris Christodoulou

Der Konzertabend begann mit der Haydn-Sinfonie Nr. 84, ein Auftrag von der Direktion des "Concert de la Loge Olympique" in Paris. Sechs Sinfonien bestellten sie damals bei Joseph Haydn, alle kamen sehr gut an beim Publikum. In einer Kritik von 1788 liest man: "Mit jedem Tag wächst das Verständnis und damit die Bewunderung für die Werke dieses großen Genies. Wie gut versteht er sich darauf, einem einzigen Thema die reichsten und verschiedenartigsten Entwicklungen abzugewinnen". Der Erfolg war so groß, dass die Loge Olympique noch weitere Sinfonien bei Haydn in Auftrag gab und Haydn selbst seine Pariser Sinfonien mehrfach veröffentlichen ließ, in Wien, in Paris und in London.

Steigerungsfähiger Haydn

Haydns Musik auch heute noch so zu musizieren, dass man als Zuhörer erstaunt ist, den Witz, der in dieser Musik steckt, hörbar macht, das ist nicht leicht. John Eliot Gardiner und The English Baroque Soloists sind am Anfang dieser Sinfonie musikalisch noch nicht auf Betriebstemperatur, die klanglichen Details zum Beispiel sind bei den Sforzati noch nicht gut austariert, die dynamischen Schattierungen noch nicht überzeugend. Das Andante, ein Variationssatz, beginnt Gardiner in einem sehr langsamen, behäbigen Tempo, in den Variationen findet er dann zu einem beschwingteren Tempo, der dem Gestus dieses Satzes eher gerecht wird.

Mozart mit Gänsehautmomenten

Ab diesem Zeitpunkt wird die musikalische Aussage immer geschärfter, man musiziert ein wunderbar hemdsärmeliges Menuett, eines, bei dem man sich Gardiner in Gummistiefeln auf seinem Hof in England vorstellen kann und brillieren mit ihrer Beweglichkeit im Schluss-Satz. Trotzdem springt der Funke bei dieser Haydn-Sinfonie noch nicht über, wohl aber bei den Mozart-Werken. Als die ersten Töne der "Sinfonia concertante" gespielt werden, spürt man: Das ist die Musik, die die Musikerinnen und Musiker tief verinnerlicht haben. Da stimmt von der ersten Note an die Energie, die Dynamik ist fein austariert, die Motive bis in die kleinste Verästelung hinein plastisch gespielt. Kurzum: Mozarts Musik sitzt wie ein maßgeschneiderter Anzug mit handgestickten Knopflöchern. Und die beiden Solisten - die Geigerin Isabelle Faust und der Bratschist Antoine Tamestit - sind der edle Stoff, aus dem der Anzug gemacht wird. Toll, wie kammermusikalisch die beiden miteinander und auch mit dem Orchester musizieren, wie sie die teilweisen engen Dialoge auch eng verzahnt ineinanderfließend und doch individuell im Ausdruck gestalten, wie sie das Abgründige ausloten, das Melancholische zelebrieren, die langen musikalischen Linien mit Spannung aufladen: Gänsehautmomente.

Mozarts "Linzer" im Stehen

Der Abend endete dann mit der sogenannten "Linzer Sinfonie", die so heißt, weil W. A. Mozart sie in Linz innerhalb von wenigen Tagen komponiert hat. Hier hat sich gezeigt, wie groß der Unterschied ist, ob man im Sitzen oder im Stehen in der Münchner Isarphilharmonie spielt. The English Baroque Soloists haben diese Sinfonie als einziges Stück im Stehen gespielt und ihr Klang hat nochmal an Volumen, an Tiefe gewonnen: Da klangen die dynamischen Abstufungen noch eine Spur deutlicher, die Crescendi und Decrescendi noch überzeugender. Mit sichtbar großer Spielfreude und einer im positiven Sinne großen Selbstverständlichkeit hat das Orchester die Mozart-Werke gespielt, ein Extralob gebührt der Bläserriege, exzellent! Wie schön, wenn man mit solchen Mozart-Klängen in die Nacht hinausgehen kann.

Sendung: "Allegro" vom 17. Janaur 2023 um 6.05 Uhr auf BR-KLASSIK

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