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Kritik – Rossinis "Cenerentola" in Augsburg Aschenputtel am Webstuhl

Natürlich kann Rossinis Oper „La Cenerentola“, das Märchen vom Aschenputtel, überall spielen. In Köln, Bangkok oder in Chicago. Überall auf der Welt gibt es Menschen, die ihren beengten sozialen Verhältnissen entkommen wollen und von einem besseren Leben Träumen. Auch in Augsburg.

Szene aus "La Cenerentola" am Staatstheater Augsburg (Premiere 1.12.2024) | Bildquelle: Jan-Pieter Fuhr

Bildquelle: Jan-Pieter Fuhr

In Augsburg gab es lange Zeit eine florierende Textilindustrie, in der zahlreiche Gastarbeiter aus Italien arbeiteten. Und weil das Theater Augsburg mit seiner Ausweich-Spielstätte ganz in der Nähe dieser ehemaligen Textilbetriebe spielt, setzt Regisseur Manuel Schmidt seine Cenerentola als Gastarbeiterfrau an einen Augsburger Webstuhl der 1960er-Jahre. Und so webt die Augsburger Cenerentola an ihrem Traum von einem besseren Leben als zukünftige Braut eines imaginären Prinzen. Und diese Traumgespinste treten allmählich ganz märchenhaft als Figuren aus den Stoffen hervor. Eine hübsche Idee.

Unnötiger Kostümplunder

Da hätte Schmidts Kostümbildnerin Dinah Ehm ruhig auf ihre Kostümfundusshow aus allen möglichen Jahrhunderten verzichten können, mit der sie die Geschichte zusätzlich aufzupeppen versuchte. Es hätte völlig gereicht und wäre überzeugender, wenn sie die Handlung konsequent in den 60er-Jahren belassen hätte, statt nur am Anfang und am Ende. Der Kostümplunder nimmt der ansonsten lebendigen und witzigen Aufführung mit ihren durchweg überzeugenden Protagonisten tatsächlich ein bisschen was von ihrer Wirkung.

Ekatarina Aleksandrova überzeugt als Cenerentola

Ekatarina Aleksandrova ist eine recht anrührende Cenerentola, die jenseits von Kitsch und Leidesgestik stimmlich wie darstellerisch glaubhaft an ihrem Traum von einem besseren Leben webt – und dabei weder Bitterkeit noch Groll gegen ihre maximal kratzbürstigen Stiefschwestern hegt. Diese überschlagen sich in herrlich grotesken Ehrerbietungungsgesten, sobald sie den vermeintlichen Prinzen Ramiro auch nur aus der Ferne zu erkennen meinen und wirken dabei so wunderbar lächerlich, dass es eine wahre Freude ist. Olena Sloia und Luise von Garnier sind auch stimmlich sehr präsent.

Orchester muss erst in Fahrt kommen

Die anfangs ein wenig hölzern wirkende Szenerie (Bühne: Bernhard Siegl) gewinnt im Lauf der Aufführung mehr und mehr an Tempo  und Witz. Und auch die allzu einheitliche Lichtregie (Marco Vitale meint es etwas zu ernst mit der authentischen Industriehallen-Beleuchtung) bietet doch noch ein wenig Abwechslung. Auch das Orchester unter Ivan Demidov spult zunächst Rossinis herrlich überdrehte Feuerwerksmusiken sehr präzise, aber auch recht pauschal ab, bleibt in Sachen Kontrasten in Dynamik und Tempo sehr zurückhaltend. Doch mehr und mehr kommen auch Demidov und seine Musikerinnen und Musiker in Fahrt, lassen sich vom absurd-komischen Gewusel auf der Bühne zu einer mehr und mehr auch musikalisch witzigen Spielweise animieren.

Sendung: "Allegro" am 2. Dezember 2024 um 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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