Regisseurin Magdalena Fuchsberger nimmt das Publikum bei ihrer Inszenierung von Händels "Alcina" im Gärtnerplatztheater mit auf einen rauschhaften Trip, der allerdings beim gemütlichen Angrillen im beschaulichen Vorgarten endet. Leider geht das gesellschaftskritische Konzept weder szenisch, noch musikalisch auf, trotz der umjubelten Solisten.
Bildquelle: © Marie-Laure Briane
Was würden Sie mitnehmen auf die sprichwörtliche einsame Insel? Das Lieblingsbuch, das Auto, den Grill oder doch lieber die Hausbar? Da wird jeder was anderes einpacken, aber will man sich eigentlich selbst auf der Insel begegnen oder sich doch lieber zuhause lassen und nur die Träume mitnehmen? Fragen, die sich die Salzburger Regisseurin Magdalena Fuchsberger bei ihrer Inszenierung von Georg Friedrich Händels Oper "Alcina" am Münchner Gärtnerplatztheater stellt. Sie zeigt die Zauberinsel der titelgebenden Märchenkönigin als Rumpelkammer, in der alle Beteiligten ihre verborgenen Sehnsüchte endlagern. Bunt ist diese Gegend, teilweise absurd grell, vollgestellt wie ein Wertstoffhof und genauso unübersichtlich.
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Hier darf jeder seine Emotionen ausleben, aus seiner Rolle fallen, abgedrehte Klamotten überwerfen und den kreischenden Affen beim Herumtollen zuschauen. Die bei Händel eigentlich unheilbringende Insel ist hier also Sinnbild für Freiheit, auch für den Rausch, der den Alltag vergessen lässt. Am Ende allerdings, da hocken sie alle wieder in ihrem schicken Eigenheim, polieren das Auto, fläzen sich in die Gartenmöbel und laden die Nachbarn zum Angrillen ein. Lauter ernüchterte Spießer, die Alcina, die Herrscherin über die Fantasiewelt, mit dem Revolver umlegen, auf dass wieder Ordnung ins Leben kommt. Eine Seelenmülltrennung mit Händel.
Klingt zwar plausibel, funktioniert aber leider gar nicht. Das liegt einerseits an dem düsteren Verhau, den Bühnenbildner Stephan Mannteuffel entworfen hat: hier ein Treibhaus, da eine Pyramide, dort ein Spiegel. Pascal Seibicke, verantwortlich für die Kostüme, schien sich teilweise im Stück geirrt zu haben: Der "Käfig voller Narren" hat erst in einem Monat Premiere. Da tummeln sich Figuren, die an zottelige Patronenhülsen erinnern, da wird indischer Kopfputz aufgefahren und allerlei bizarrer Firlefanz, der auf dieser vermeintlich verführerischen Insel Fluchtreflexe auslösen müsste. Es gibt ja hässliche Gedanken, aber die verkleiden sich doch meist vornehm.
Es ist in der Barock-Oper leider üblich geworden, dass Tänzer die Emotionen darstellen, um die es in den Arien geht, also Wut, Trauer, Liebe, Stolz, Freude. Choreograph Karl Alfred Schreiner scheucht seine Truppe also immer wieder mitten hinein ins Geschehen, aber das lenkt von den Solisten ab und ist weder erhellend, noch fesselnd. Schade, denn das vergleichsweise intime Gärtnerplatztheater ist eigentlich das ideale Haus für Händel. Dirigent Rubén Dubrovsky hätte deutlich mehr aufs Tempo drücken können: Er ging sehr gravitätisch an die ohnehin ziemlich ballasthaltige Partitur, die sich streckenweise nur ächzend vom Fleck bewegt. Ein Prise Ironie, ein Quäntchen Irritation hätten das schmackhafter gemacht.
Das konnten auch die wunderbaren Solisten nicht ganz ausgleichen: Jennifer O'Loughlin in der Titelrolle war stimmlich wie schauspielerisch absolut überzeugend, musste aber eine Leidensfigur wie im Passionsspiel geben. Sophie Rennert als verzauberter Ruggiero, besser bekannt als Roger aus dem "Rasenden Roland", und Monika Jägerová als treusorgende Ehefrau Bradamante bekamen für ihre akrobatischen Arien völlig verdient dankbaren Szenenapplaus. Insgesamt sehr freundlicher Beifall für das Ensemble, zurückhaltende Reaktionen auf das Regieteam.
Sendung: "Piazza" am 1. Februar ab 8:05 Uhr auf BR-KLASSIK
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