Superstar Plácido Domingo präsentierte mit unfassbarer stimmlicher Sicherheit eine Operngala in der Münchner Isarphilharmonie. Auch Zarzuela und Operettenarien gab es zu hören. An seiner Seite: die großartige Sopranistin Maria José Siri und die Münchner Symphoniker.
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Wenn er langsam auf die Bühne geht, ein wenig humpelnd, wenn er in routinierten, aber statischeren Gesten als früher Publikum, Konzertmeister und Dirigent begrüßt, dann sieht man es ihm an: Plácido Domingo ist inzwischen 84 Jahre alt. Doch wenn er dann den ersten Einsatz bekommt, traut man seinen Ohren kaum: Da ist Volumen, da sind Schmelz und Sicherheit. Was ich dann höre, ist vor allem am Anfang der Stücke eine Stimme, die ich einem 50-Jährigen zuordnen würde.
Zwar schaut Domingo ab und an aufs Notenpult, aber alles wirkt souverän, nie angestrengt. Mal lässig bei den Zarzuelas, mal heldenhaft und verzweifelt bei "Andrea Chénier", mal wütend bei "Macbeth". Was er für ein erfahrenes Bühnenbiest ist, wie gut er das gesamte Spiel beherrscht, merkt man auch an der Stückauswahl. Denn aus seinem legendär großen Repertoire (ca. 150 Opernrollen) hat er hauptsächlich Stücke mit einem für ihn angenehmen Tonumfang ausgewählt. Weise, nur das zu tun, was man richtig gut beherrscht.
Der spanische Opernsänger Plácido Domingo liebt Zarzuelas. | Bildquelle: picture-alliance/dpa
Ein Höhepunkt: die Zarzuelas. Mit jeder Faser spürt man, dass Domingo mit der Musik aufgewachsen ist. Er liebt sie, seit er seine Eltern die Zarzuelas singen hörte. Das kommt von ganz tief innen. Und auch da wählt er Stücke aus, die etwas für ihn tun: ein bisschen temperamentvoll, aber nicht zu schnell, ein bisschen leidenschaftlich, aber nicht zu hoch, ein bisschen dramatisch, aber keine allzu großen klanglichen Sprünge. Sehr klug.
Wie Domingo zeigt auch sein Landsmann Jordi Bernàcer bei den Zarzuelas seine größten Stärken. Jede Arie dirigiert er sorgsam und daher mitreißend akzentuiert und phrasiert. Seine Art, die "Fledermaus"-Ouvertüre einfach wie eine Zarzuela zu dirigieren, ist für mich eine echte Entdeckung! Da fließt musikalisch nicht das Schlagobers von den Palatschinken, da überraschen scharfe Tapas mit Knoblauch. Bernàcers "Fledermaus" ist keine gemütliche Fiakerfahrt, sondern das Trainingsprogramm eines Toreros.
Maria José Siris Tosca-Arie "Vissi d'arte" war ein echtes Highlight der Operngala in München. | Bildquelle: Maria José Siri
Neben einer Legende wie Domingo auf der Bühne zu stehen, ist eine undankbare Aufgabe, wenn vorrangig Domingo-Fans im Publikum sind. Aber die Sopranistin Maria José Siri meistert ihren Part mit Bravour. Sie hat eine schöne dunkle, voluminöse Stimme und eine wunderbare Ausstrahlung und Präsenz. Sie singt fast alles auswendig, was ihr die Möglichkeit gibt, auch ein wenig Schauspiel einzubringen. Die Tosca-Arie "Vissi d'arte" ist ein echtes Highlight dieses Abends. Und auch die Duette sind großartig: Die Stimmen passen gut zusammen, musikalisch eine einwandfreie Performance.
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Den ganzen Abend über stehen Siri und Domingo links und rechts neben dem Dirigierpult, bis auf das letzte Stück ("Lippen schweigen" aus der "Lustigen Witwe"). Nun sind sie auf der gleichen Seite, mit Körperkontakt, halten Händchen. Mir fällt auf, dass ich im Publikum das ganze Duett über sehr angespannt bin. Ich tue wohl körperlich das, was ich tun würde, stünde ich an der Stelle der Sängerin, infolge des Wissens um den von Domingo selbst bestätigen sexualisierten Machtmissbrauch. Auch wenn es nett ist, dass die beiden kurz Walzer tanzen, beobachte ich an mir selbst, dass ich so etwas bei Domingo nicht mehr entspannt genießen kann.
Aber – ganz wichtig – das ist meine persönliche, individuelle Wahrnehmung. Alle anderen im Operngala-Publikum stört das offenbar nicht, die Fans sind begeistert. Und für die geht Domingo auf die Bühne. Sie feiern ihn mit Standing Ovations, werfen Blumen auf die Bühne. Und der Opernstar will auch nach der vierten Zugabe gar nicht mehr runter vom Podium. Er winkt ein wenig statischer als früher, aber glücklich, den Fans zu.
Sendung: "Allegro" am 19.März 2025 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK
Kommentare (1)
Mittwoch, 19.März, 13:44 Uhr
Franziska
Domingo
Na ja, zB. bei der Macbeth Arie ringt er schon nach Luft. Wenn man ihn früher gesehen und gehört hat, dann ist das jetzt nicht mehr so beeindruckend. Den Fans gefällt naturgemäß alles, was er macht. Persönlich zähle ich eher zu denen, die wünschten, er hätte rechtzeitig und mit Würde aufgehört.