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Kritik - Katharina Wagner inszeniert in Barcelona "Lohengrin" als Horrorstück

Barcelona statt Bayreuth: Katharina Wagner, Chefin der Bayreuther Festspiele, inszeniert die Wagner-Oper "Lohengrin" am Gran Teatre del Liceu. Der Titelheld wird hier zum Bösewicht, die Liebesgeschichte ist toxisch. Das sorgt bei der Premiere für gemischte Reaktionen.

Katharina Wagner, Festspielleiterin der Bayreuther Festspiele | Bildquelle: Enrico Nawrath

Bildquelle: Enrico Nawrath

Seit dem Bayreuther "Tristan" im Jahr 2015 hat Katharina Wagner nicht mehr selbst inszeniert. Warum jetzt, ausgerechnet in Barcelona, am Gran Teatre del Liceu, und warum ausgerechnet  "Lohengrin"?

"Lohengrin"-Premiere in Barcelona sollte bereits 2020 stattfinden

Dazu gibt es allerhand Vorgeschichten. Erstens handelt sich um eine im März 2020 der Pandemie halber kurz vor der Premiere abgesagte Produktion, die jetzt nachgeholt wird. Mit teils dem gleichen Cast, was bedeutet: Nur wenigen Wochen Probenzeit waren nötig. Zweitens waren damals Koproduktionen geplant, die sich zerschlagen haben. Drittens gibt es in der Biographie der Regisseurin eine gewisse Spanienaffinität. Zur Erinnerung: den "Tannhäuser" inszenierte Wagner 2009 am Teatro Péres Galdós auf Las Palmas. Schließlich, viertens: Der neue "Lohengrin" am Liceu ist nicht ihre erste Regiearbeit zum Stück. Sie hat es schon einmal 2004 in Budapest in Szene gesetzt, als politische Wahlkampf-Oper. Und 2017 betreute sie am Nationaltheater in Prag eine historische "Restaging"-Produktion: das Revival der Bayreuther "Lohengrin"-Produktion ihres Vaters Wolfgang Wagner, von 1967. Man kann also getrost sagen: Dieser Stoff ist für sie inzwischen sehr gut abgehangen.

Bei Katharina Wagner wird Lohengrin zum Bösewicht

Katharina Wagner hat die Mär vom gottgesandten Supermann, der einfliegt, die pure Unschuld zu retten, vom Kopf auf die Füße gestellt und entideologisiert. Ein Thriller ist daraus geworden, ein Horrorstück. Schließlich: Dass diese Lovestory zwischen Ritter Lohengrin, den frau nichts fragen darf und seiner traumverlorenen dummen Elsa eine toxische ist, ist ja nichts Neues. Schon bei Richard Wagner geht es böse aus, da sinkt das Mädchen am Ende entseelt zu Boden. Wagners Urenkelin geht jetzt nur noch einen Schritt weiter:  In ihrer Lesart ist der Gute ein Böser – und die beiden Bösen verwandeln sich in die Guten. Der Schwan ist schwarz, wie bei Tschaikowsky und bei Nathalie Portman.

Opernkrimi: Täter Lohengrin, Opfer Elsa

Lohengrin taucht bereits in der Ouvertüre auf. Er ist es, der zu silberheiligen Gralsmusikklängen Elsas kleinen Bruder umbringt. Und es ist dann an dem gottlosen Paar, Ortrud und Telramund, die Sache aufzuklären. Das klappt nicht ganz. Es gibt ein paar offene Enden in diesem Krimi. Aber auch ein paar Gimmicks. Wie Lohengrin zum Beispiel den Schwan kurz nach der Landung mit einem Fußtritt in die Kulisse befördert, was der sich nicht gefallen lässt, das gibt einen Lacher.

Schauplatz ist ein toter Wald, mit einer vernebelten Lichtung darin, in der ein schwarzer Tümpel glänzt. Darin wird der kleine Gottfried ruckzuck ertränkt. Der schwarze Schwan ist auch schon da, auf seiner Schwaneninsel, er nickt mit dem Köpfchen dazu. In diesem Tümpel waten und stochern später die ermittelnden Kommissare Ortrud und Telramund herum und suchen nach Beweisen. Das Brautgemach schwebt schneeweiß gleich dreifach von oben ein: drei Zimmer, apartmentmäßig ausgerüstet mit Bett, Spiegel, Schrank. Hier spielen sich die schicksalentscheidenden Auseinandersetzungen um die verbotene Frage ab, im zweiten und im dritten Akt – zwischen den Ermittlern, dem Opfer Elsa und dem Täter Lohengrin. Ein intensives Kammerspiel, typisch für den Regiestil Wagners: Jede Figur wird hinterfragt, keiner und keinem ist zu trauen.

Schwarzer Schwan: Stummer Zeuge des Verbrechens

Inszenierung "Lohengrin" am Gran Teatre del Liceu in Bercelona, 2025 | Bildquelle: Antoni Bofill In jeder Szene dieser "Lohengrin"-Inszenierung in Barcelona mit dabei: ein schwarzer Schwan. | Bildquelle: Antoni Bofill Mit sich selbst identisch bleibt eigentlich nur die scheue, dumme Elsa. Und der nette, mechanische, schwarze Schwan. Er ist, wie gesagt, immer dabei. Sitzt im Schrank oder lugt um die Ecke, versteckt sich unterm Bett oder auf der First-Aid-Bahre. Superman wird den stummen Zeugen seines Verbrechens einfach nicht los. Am Ende massakriert er das Tier und legt anschließend Hand an sich selbst. Warum Lohengrin, tot am Boden liegend, trotzdem das vorletzte Wort haben muss? Nun ja, weil es halt so im Textbuch steht:  "Seht da den Herzog von Brabant/Zum Führer sei er euch ernannt!" Das ist insofern fast schon wieder ein Lacher, als Ortrud währenddessen triumphierend die Leiche Gottfrieds aus dem Tümpel birgt. Andererseits: In dem surrealen Gesamtkunstwerk Oper ist es ja absolut nicht ungewöhnlich, dass längst Totgesagte oder dem Tod Geweihte sich noch einmal aufraffen zu längeren Arien. Gilda, im Sack, ist dafür eines der schönsten Beispiele.

Musikchef Josep Pons dirigiert rustikal

Die Chöre des Liceu sind hervorragend einstudiert. In Wagners zeichenhaft filigran verhäkelter Inszenierung stehen diese brabantischen Militärs allerdings meist nur blockweise aufmarschiert im Wege herum. Der katalanische Musikchef am Teatre del Liceu, Josep Pons, dirigiert dagegen unopernhaft rustikal und über weite Strecken viel zu laut. Daneben tauchten überraschend zähe Verzögerungen und abstürzende Descrescendi auf - eine Unwucht in der musikalischen Darbietung, die sich bei einigen Sängern ungut fortsetzt.

Sängerische Leistung durchwachsen

Günther Groissböck als König Heinrich tönt brüchig, Roman Trekel als Heerführer verwackelt. Und auch die ansonsten so zuverlässig strahlende Elisabeth Teige hat an diesem Abend offenbar einen kleinen Frosch im Hals. Olafur Sigurdarson dagegen ist ein klar artikulierender Telramund und Klaus Florian Vogt, erstmals als krimineller Lumpenkerl-Lohengrin, wieder einmal eine Wucht, absolut gegenwärtig auch in den listig-leisen Passagen. Doch die Schau stiehlt ihm diesmal überraschend seine Gegenspielerin: Miina-Liisa Värelä als Ortrud. Sie ist neu im Cast. Ihre Attacke so bewundernswürdig durchschlagend, wie die Gestik lebenswahr und die Parlandopassagen traumhaft perlend. Das illustre Festpublikum feierte sie entsprechend, spendete aber auch für alle anderen gerechten Applaus.

Ein paar Buhrufe fürs Regieteam

Einzig Katharina Wagner und ihr Team ernteten ein paar demonstrative Buhrufe von den ewigen Gralshütern strenger Werktreue, die sich aber, darauf möchte man wetten, auch nicht eine Sekunde gelangweilt haben dürften.

Sendung: "Allegro" am 18. März 2025 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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