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Kritik - "Tristan und Isolde" in Regensburg Klang-Taifun über der Irischen See

Musikalisch erwies sich diese Wagner-Premiere als Glücksfall: Generalmusikdirektor Stefan Veselka lieferte aus dem Orchestergraben jede Menge Starkstrom für fulminante Rollenporträts der Solisten. Szenisch blieb der Abend allerdings blass – wegen eines Krankheitsfalls musste die Regie kurzfristig neu besetzt werden.

Tristan und Isolde | Bildquelle: Sylvain Guillot/ Theater Regensburg

Bildquelle: Sylvain Guillot/ Theater Regensburg

Über der kalten Irischen See entwickeln sich ja normalerweise keine Taifune, außer bei Richard Wagner, bei dem steigen dort dermaßen heiße Gefühlsmassen auf, dass sie zu rotieren beginnen und ziemlich viel Unheil anrichten. Mag sein, dass Tristan und Isolde damit rein meteorologisch nicht sonderlich glaubwürdig sind, seelisch entfesseln sie einen Tornado, und das war am Theater Regensburg dank des fulminanten Dirigats von Generalmusikdirektor Stefan Veselka jederzeit zu hören. Klar, eigentlich verträgt das vergleichsweise kleine Haus am Bismarckplatz keine dermaßen hitzige Interpretation. Weil Veselka offenkundig zeigen wollte, was er so draufhat und das Philharmonische Orchester mitten hinein lotste ins stürmische Zentrum von Wagners Partitur, hatten die Sänger stellenweise Mühe mitzuhalten. Da schlug auch mal die Klang-Gischt über ihnen zusammen.

Musik wie unter Strakstrom

Gleichwohl war es eine Freude, sich von diesem ungebändigten, spätromantischen Expressionismus mitreißen zu lassen, zumal sich die Musiker trotz einer gewissen Ausgelassenheit keine Patzer und Ungenauigkeiten leisteten. Großartig, diese Klangbalance, diese emotionale Energie! Gerade bei "Tristan und Isolde", dieser Endzeit-Musik, kann eine gehörige Portion Starkstrom nicht schaden, auch, wenn mal die Sicherungen durchbrennen und Funken schlagen - schließlich ist das Ziel dieser Reise die "Weltennacht", die Tristan besingt, wo die Sonne niemals scheint und sich alles im Sternenstaub auflöst. Vom Nicht-Leben im buddhistischen Sinne hat sich Wagner in dieser Phase seines Schaffens anscheinend mehr erhofft als vom Nach-Leben, wie es das Christentum in Aussicht stellt.

Beeindruckend, welche Sängerriege das Theater Regensburg aufbieten konnte: Der amerikanische Heldentenor Corby Welch begeisterte als Tristan mit seiner nimmermüden Kondition und seiner volltönenden, niemals überanstrengt wirkenden Stimme. Selten ist diese aufreibende Partie so kultiviert und unhysterisch zu erleben. Dasselbe gilt für die neuseeländisch-britische Sopranistin Kristin Sharpin als Isolde. Zwar hat sie eine etwas kantige, auch kühle Stimme, die passt aber zu dieser Charakterrolle einer ungemein starken, selbstbewussten Frau. Hervorragend mit seiner warmherzigen Ausstrahlung und seiner sonoren stimmlichen Präsenz auch der aserbaidschanische Bariton Seymur Karimov als treusorgender Kurwenal, wogegen Roger Krebs als König Marke und Svitlana Slyvia als Brangäne sehr blass blieben.

Aber die Regie enttäuscht

Daran lag es allerdings nicht, dass der Abend nicht so fesselnd war, wie es die Musik nahelegte. Der junge Regisseur Dennis Krauß hatte für einen kurzfristig erkrankten Kollegen einspringen müssen und musste sich daher wenige Tage vor Probenbeginn auf ein bereits fertiges Bühnenbild von Kristopher Kempf einstellen. Er konnte wenig mehr machen als die Personen dekorativ im Unterdeck eines Kriegsschiffs zu verteilen. Zahlreiche Bullaugen und eine eiserne Kommandobrücke deuteten das an. Dieser unwirtliche Raum zerfällt nach und nach, Sinnbild dafür, dass die monumentalen Gefühle von Tristan und Isolde nicht mehr hineinpassen in die enge Welt. Szenisch hätte das bei besserer Vorbereitung sicher anrührender aussehen können, so war es eine aus der Not geborene Behelfslösung, die aber nicht so unansehnlich war, wie es einige Protestrufe nahelegten. Insgesamt ein musikalisch überzeugender Wagner-Abend am Theater Regensburg.

Sendung: "Allegro" am 30. September ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK

Kommentare (4)

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Mittwoch, 02.Oktober, 22:08 Uhr

E. Vogler

Begeistertes Publikum - enttäuschte Kritik?

Eine gelungene Oper ist ein Werk ohne Gegensätze, in dem Text und Musik einander bedingen.
Seitens des Orchesters ist die "Tornado-Entfesselung" gut geglückt, insbesondere im dritten Akt musste man aber zeitweise befürchten, dass die Bläser durchgehen.
Dass Roger Krebs als König Marke und Svitlana Slyvia als Brangäne sehr blass blieben, stimmt stimmlich für den ersten Akt, im weiteren Verlauf holen sie aber auf, sicherlich mit noch weiterem Potential. Ohne Tadel dagegen die beiden Hauptdarsteller. keine Frage, und sicher ein Glücksgriff, wie für mich auch die Regie - denn die hier erwähnte rein dekorative Verteilung der Figuren fand keinesfalls statt.
Es ist eine ausgesprochen klare Zeichnung ohne große Effekthascherei. Auch die aktive Einbeziehung des Chors ist sehr gut gelungen.
Der lang anhaltende, tosende Applaus des Publikums war wohlverdient.

Montag, 30.September, 14:13 Uhr

N. N.

2/2 Nicht nachvollziehen kann ich hingehen die Kritik an der Regie. Gewiss, es war nun kein Geniestreich der international Seinesgleichen sucht, aber alles was Regie soll, hat sie für meine Begriffe geleistet. Das Bühnenbild war zweckmäßig und Atmossphärisch, mit besonderem Kompliment an den ersten und den dritten Akt, sowie die Chorsänger die viel dazu beigetragen haben Isoldes erbitterung und Heftigkeit gegenüber ihrem Schicksal verständlich zu machen. Selbst die sonst immer sehr blasse Figur des Melot bekam für mich optisches Profil und durch seine ständige Präsenz mehr Tiefgang. Die Geschichte wurde kompetent, ergreifend und schlicht durch das Bühnenfeschehen erzählt, was mehr ist, als ich für einige Produktionen an Häusern mit höherem Anspruch sagen kann.

Montag, 30.September, 14:02 Uhr

N. N.

1/2 Mit Verlaub, ich kann Ihre Bemerkung, die Gischt schlage über den Sängern zusammen, sehr gut nachvollziehen und spreche ausdrücklich mein Kompliment für den gelungenen Vergleich aus, ich würde jedoch nicht unterschreiben wollen, dies bedeute, die Sänger seien Zeitweise überfordert gewesen. Ganz im Gegenteil finde ich, haben alle Beteiligten haben in bewundernswerter Weise die Nerven bewahrt und sich nicht dazu verleiten lassen das Orchester überbrüllen zu wollen. Wenn bei einem Tristan die Orchesterwelle, um im Bild zu bleiben, nie mit aller Gewalt über die Sänger hereinbricht und sie überspült, kommt für meine Begriffe der Dirigent seiner Aufgabe nicht nach. Das bedeutet nicht, die Sänger sollen nicht mehr zu hören sei (was zumindest von meine Platz aus nicht vorkam) aber klar nicht im Mittelpunkt steht.

Sonntag, 29.September, 21:36 Uhr

Wilhelm Wille

Tristan und Isolde

Die Klang-Gischt schlug manchmal über den Sängern zusammen? Mich hat begeistert, dass das Orchester die Sänger eben nicht überdeckt hat. So unterschiedlich ist die Wahrnehmung. Aber ich gebe zu, dass Haus ist akustisch problematisch.

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