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"La fille du régiment" – die fünf besten hohen C's Wenn Hochseilartisten singen

Die Bayerische Staatsoper präsentiert ihrem Publikum als nächste Neuproduktion etwas Französisches: "La fille du régiment / Die Regimentstochter". Wegen des Premierentermins 22.Dezember 2024 eine Art Weihnachtsgeschenk: diese Rarität aus der ungemein produktiven Komponistenwerkstatt namens Donizetti. Als berühmt-berüchtigt gilt eine Arie, die dem Tenor gleich neun Mal das hohe C abverlangt.

Opernsänger Luciano Pavarotti - Tenor | Bildquelle: picture-alliance/dpa

Bildquelle: picture-alliance/dpa

Sie haben etwas Marktschreierisches – die Höhenflüge hinauf in die magische Stratosphäre. Unter den Sängerinnen und Sängern, die sich auf der Opernbühne tummeln, wirken gerade Tenöre nicht selten wie Hochleistungssportler. Die für die hohe Stimmlage der Männer zuständigen Vokalisten ähneln (Stab-)Hochspringern. Spitzentöne im Bereich des hohen C schaffen viele nicht ohne "Anlauf". Vielleicht ist aber auch der Vergleich zwischen Tenören und Hochseilartisten in der Manege passend. So sehr der Ausführende auch athletische Stimm-Power benötigen mag: Sein hohes C sollte möglichst nicht nach einem Kraftakt klingen. Es ist schon seit den 1830er Jahren die Regel, für den Extremton nicht etwa die Kopf-, sondern die Bruststimme einzusetzen: wie erstmals an der Pariser Opéra. Der Name des experimentierfreudigen Tenors war Gilbert Duprez, damals Interpret des Arnold in Gioachino Rossinis letztem Bühnenwerk "Guillaume Tell". Den Komponisten erinnerte der für ihn ungewohnte Klang eines hohen C mit Bruststimme an den "Schrei eines Kapauns, während man ihm die Gurgel umdreht".

Radio-Tipp

BR-KLASSIK überträgt die Premiere von Gaetano Donizettis "La fille du régiment" am 22. Dezember 2024 ab 18:00 Uhr live aus der Bayerischen Staatsoper – mit Xabier Anduaga in der Rolle des Tonio.

JUAN DIEGO FLÒREZ

Es ist ein überaus intensiver "Strahl", den die Stimme des peruanischen Weltklasse-Tenors Juan Diego Flórez aussendet. Der gleißende Trompeten-Ton wandelt sich auch zu einem Oboen- oder Flöten-Ton, sobald es der musikdramatische Zusammenhang erfordert. Im Fall der Cabaletta des Arnold im 4.Akt von Gioachino Rossinis "Wilhelm Tell" (hier nicht im originalen Französisch, sondern in der italienisch übersetzten Fassung) ist allerdings in erster Linie die Trompete im Tenor gefragt. Das hohe C am Ende hält Flórez eine gefühlte Ewigkeit lang, ohne ins Schwitzen zu kommen. Durch das Standfoto im Kostüm ist zu erkennen: Den Typus Latin Lover gibt er in einer feinsinnigen, smarten Spielart, ohne den Macho-Aspekt übermäßig zu betonen.

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Guglielmo Tell " Corriam , voliam .. " Juan Diego Florez

 FRANCO CORELLI

Franco Corelli bediente seine Fans in Applaus treibender Heldenpose: durch portamento-selig angesteuerte, mit größter Effizienz explodierende, vor gestähltem Selbstvertrauen strotzende Spitzentöne. Der Mann aus Ancona präsentierte sich im Bewusstsein, dass er die Forderung nach der "physique du role", der "Rollengestalt", spielend zu erfüllen vermochte: durch das Aussehen eines Hollywood-Stars! Die spanischen Untertitel der dokumentierten Bühnenaufführung passen zum spanischen Sujet von Giuseppe Verdis "Trovatore". Hier wusste Corelli derart zu beeindrucken, dass sich niemand die Frage stellte, ob das hohe C am Ende der Stretta Manricos vom Komponisten überhaupt vorgesehen war. Es geht tatsächlich auf eine langjährige Aufführungstradition zurück, aber keineswegs auf die originale Partitur.

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Di Quella Pira (Il Trovatore) - Franco Corelli - Subtítulos en español

NICOLAI GEDDA

Als würde er das hohe C aus dem Ärmel schütteln! Als Schwede russischer Abstammung schrieb Nicolai Gedda Gesangsgeschichte. Überall bewunderte man die Feinheit seines silbrig hell schimmernden Timbres, die spielerische Eleganz und Anmut seiner Stimmführung, die exemplarische Phrasierung und raffinierte Tongebung, die technische Virtuosität und das Farbspektrum dessen, was Experten "voix mixte" nennen. Aus dem Skandinavier wurde ein Meister der Vokalkunst, der Musik und Wort perfekt auszubalancieren wusste. Angeborene oder anerzogene Nachdenklichkeit ging bei Gedda eine besondere Verbindung ein mit hochseriösem Arbeitsethos. Das Tondokument mit Rodolfos Arie aus dem ersten Bild von Puccinis "Bohème" mag technisch mangelhaft sein, vermittelt aber Live-Atmosphäre.

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Nicolai Gedda - Che gelida manina (live)

ALFREDO KRAUS

Es gibt Tenöre, die scheinbar nicht altern. Alfredo Kraus ließ seine Stimme über Jahrzehnte hinweg mit jugendlicher Frische erschallen. Er mied bewusst die zermürbenden Partien des dramatischen Fachs, konzentrierte sich auf einen differenzierten Gesangsvortrag voller aristokratischer Noblesse. Da war jemand, der den Geheimnissen gefühlvoller und elegant kontrollierter Phrasierung auf den Grund ging. Und ein Prunkstück waren seine mühelosen Spitzentöne. Zum Beispiel in der Kavatine des 3.Aktes von Charles Gounods "Faust", bei der fünf Kulturräume zusammenkommen: Der Sohn einer Spanierin und eines Österreichers interpretiert die französische Adaption eines deutschen Stoffes vor japanischem Publikum in Tokio (TV-Fassung einer Bühnenproduktion mit japanischen Untertiteln).

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Salut! demeure chaste et pure - Alfredo Kraus (Faust)

LUCIANO PAVAROTTI

Eine Naturstimme mit unverwechselbar metallischer Färbung – darüber verfügte der Modeneser Tenor Luciano Pavarotti. Sein Timbre war immer leicht wieder zu erkennen. Pavarotti gebot über eine fundierte Atemtechnik und Phrasierungskunst, und vor allem über eine brillante, perfekt polierte Höhe, die viele als Ausdruck von echter Lebensfreude empfunden haben. Es gab strahlkräftige Spitzentöne, die von Pavarotti wie Leuchtraketen abgefeuert wurden. Das hat seinen circensischen Reiz gehabt: als wären wir nicht in der Oper, sondern im Zirkus! Etwa in der mit neun hohen C’s gespickten Kavatine des Tonio aus Gaetano Donizettis "Regimentstochter / La fille du régiment" – hier in einer umjubelten Studioproduktion.

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Pavarotti's Legendary High C 's

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