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Münchner Opernfestspiele "Le Grand Macabre" zur Eröffnung

Sex, Dekadenz und ohrenbetäubender Radau: György Ligetis Oper "Le Grand Macabre" weicht oft von der herkömmlichen Moral-und Klangvorstellung ab. Krzysztof Warlikowski inszeniert das Werk zur Eröffnung der Münchner Opernfestspiele.

"Le Grand Macabre" an der Bayerischen Staatsoper | Bildquelle: Wilfried Hösl

Bildquelle: Wilfried Hösl

Scheppern, tröten, quieken, grunzen, knallen, klappern, kreischen… Die Fülle der Geräusche und Töne in György Ligetis einziger Oper "Le Grand Macabre" ist unerschöpflich. Und unersättlich lustvoll.

Unerschöpfliche Klangvielfalt in Ligetis "Le Grand Macabre"

Nichts ist zufällig. Alles hat Ligeti präzise notiert, alles dient der Illustration des letzten Tages vor der Apokalypse. Und entsprechend sind alle Mitwirkenden hochkonzentriert. Ohne das Stück komplett zu verinnerlichen, hat man keine Chance, es auf die Bühne zu bringen, meint Dirigent Kent Nagano. "Es bleibt immer eine große Herausforderung, technisch gesehen." Aber die Proben sorgen auch für viel Heiterkeit: "Wir haben sehr sehr lustige Momente, wo plötzlich das ganze Orchester und der Cast anhalten müssen, weil wir so stark lachen müssen."

Türklingeln und Kuckuckspfeifen im Orchestergraben

"Le Grand Macabre" an der Bayerischen Staatsoper, Benjamin Bruns und Michael Nagy | Bildquelle: Wilfried Hösl Benjamin Bruns und Michael Nagy in "Le Grand Macabre" | Bildquelle: Wilfried Hösl Der Graben ist proppenvoll mit kuriosen Instrumenten, der Streicherapparat hingegen ist reduziert auf ein mageres Dutzend. Kent Nagano regelt wie ein Verkehrspolizist jede Türklingel, jede Kuckuckspfeife, jeden Hickser. "Es ist nicht einfach, genau eine Achtel nach dem Schlag einen Schluckauf zu machen. Aber das Timing ist wirklich kritisch für das Maximum an Ironie!", lacht er.

Münchner Opernfestspiele

Die Bayerische Staatsoper konzentriert sich mit ihren beiden Neuproduktionen am Saisonende auf Geniestreiche des 20. Jahrhunderts: Die Münchner Opernfestspiele verneigen sich vor Ligetis "Le Grand Macabre" und Debussys "Pelléas et Mélisande". Weitere Infos zum Programm.

"Le Grand Macabre": Ausreizen der menschlichen Stimme

"Le Grand Macabre" an der Bayerischen Staatsoper, Sarah Aristidou | Bildquelle: Wilfried Hösl Sarah Aristidou in "Le Grand Macabre" | Bildquelle: Wilfried Hösl Die Oper besticht aber nicht nur durch Ironie und kuriose Klänge. Sie ist auch definitiv die Oper mit den dreckigsten und längsten Schimpftiraden. Trotzdem ist "Le Grand Macabre" eine der wenigen zeitgenössischen Opern, die seit ihrer Uraufführung 1978 regelmäßig gespielt wird. Und wahrscheinlich bricht das Werk auch alle Rekorde, wenn es um das Ausreizen der menschlichen Stimme geht. Da kann man nicht einfach als Tenor oder Bass-Bariton antreten, wie Sam Carl, der den Astradamors singt: "Ich muss ausgesprochen tief runter mit der Stimme und ins Falsett, also ganz hoch. Aber nicht nur einfach, um einen komischen Effekt einzustreuen. Das sind bestimmt zehn Seiten im Falsett und ich laufe in High Heels herum. Aber es macht Spaß!!"

Was macht der Mensch mit seiner Zeit auf der Erde?

Was wie ein Klamauk, wie ein schräger Weltuntergangsschwank anmutet, ist viel mehr. In "Le Grand Macabre" wird die Frage aller Fragen verhandelt, nämlich: Mensch, was machst du eigentlich mit deiner Zeit auf der Erde? Klare Antworten gibt es keine. Wilde Angebote jede Menge. Die Sopranistin Sarah Aristidou schwingt sich dafür als Venus und als Chef der Geheimen Politischen Polizei in galaktische Stimmhöhen auf. "Wir kommen innerhalb von zwei Stunden mit ganz vielen Trieben der Menschheit in Berührung, und das in einer Situation der Apokalypse. Wo man denkt: Wieso macht ihr das? Solltet ihr euch nicht damit auseinandersetzen, dass die Welt untergeht?"

"Le Grand Macabre" live auf BR-KLASSIK

Live aus dem Münchner Nationaltheater: BR-KLASSIK überträgt die Premiere von György Ligetis Oper "Le Grand Macabre" am 28. Juni 2024 im Radio.

Michael Nagy singt den Tod

"Le Grand Macabre" an der Bayerischen Staatsoper, Michael Nagy | Bildquelle: Wilfried Hösl Michael Nagy verkörpert in "Le Grand Macabre" den Tod | Bildquelle: Wilfried Hösl Die Welt geht also am Ende der Oper unter, alle sterben. Aus die Maus. Ein Bild, das Regisseur Krzysztof Warlikowski wortwörtlich im Finale der Inszenierung aufnimmt: Er lässt Riesenmäuse über die Bühne spazieren. Der Tod überlebt in "Le Grand Macabre". Er, der große Makabre, hat nämlich den Weltuntergang im sturzbetrunkenen Zustand verpennt. Michael Nagy singt den Tod, diesen rätselhaften Nekrotzar, blass geschminkt, mit kahlem Schädel und, wie sich das für einen ordentlichen Tod gehört, mit der Sense in der Hand. "Es ist tatsächlich wenig dabei, was dem Ohr schmeichelt, es ist aber Musiktheater im allerallerbesten Sinne. Im Grunde kann man die Partitur lesen und hat schon ein Stück schon vor Augen", sagt Nagy. "Und wenn man daran interessiert ist, zutiefst skurriles und dabei wahrhaftiges Theater zu sehen,  muss man das Stück sehen und hören!"

Sendung: "Allegro" am 27. Juni 2024 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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