Eine Violine aus 50.000 Jahre altem Holz erklang am Wochenende erstmals in München. Geigenbauer Martin Schleske hat das Instrument aus einem Kauri-Stamm gefertigt, der im neuseeländischen Hochmoor geborgen wurde. Nun präsentierte Geiger Ingolf Turban diese besondere Violine bei der Uraufführung des Oratoriums "Seligpreisungen" von Enjott Schneider in der Münchner Frauenkirche.
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Die Frauenkirche ist in eine mystische Atmosphäre getaucht. Hinter den Musikern verschwimmen die Säulen und deckenhohen Fenster in Nebel und den wechselnden Farben einer synästhetischen Lichtinstallation. Darauf der Schatten des gekreuzigten Jesus, der übermenschlich groß über den Musikern schwebt.
Die Seligpreisungen der Bergpredigt sind für Komponist Enjott Schneider viel mehr als ein biblischer Stoff – er bezeichnet sie als die "Magna Charta des Humanen" – eine religionsübergreifende Wahrheit, die stets der Stille entspringt – in Wort und Musik. "Bei der Konzeption der Seligpreisungen war mir ganz klar, dass ich eine eher leise Musik machen will, denn alle großen Weisheiten kommen immer aus der Stille", so Schneider. "Also brauchte ich was sehr Intimes, Leises. Ich wollte vor allem mit Chor und Solovioline arbeiten, sodass der Chor den Text schonmal verständlich macht. Und den Übergang ins Supernaturale sollte die Violine zeigen."
Ein 50.000 Jahre alter Kauri-Stamm wird im Hochmoor von Neuseeland geborgen. | Bildquelle: privat Hier kommt die neue Violine von Ingolf Turban ins Spiel. Denn sie hat eine Besonderheit, durch die sie diese Transzendenz besonders gut ausdrücken kann: In sich trägt die Geige Überbleibsel einer Zeit, in der die Welt noch von Mammuts und Säbelzahntigern bewohnt war. Der Boden der Geige besteht aus einem 30.000 bis 50.000 Jahre altem Holz aus den Hochmooren Neuseelands. Wie eine Moorleiche war der Stamm eines Kauri-Baumes dort über Jahrtausende konserviert worden. Geigenbauer Martin Schleske baute daraus ein Instrument. "Es erfüllt mich mit Dank und Ehrfurcht, dass meiner Werkstatt einige klanglich exzeptionelle Stücke für den Bau außergewöhnlicher Geigen zur Verfügung gestellt wurden, bevor der Stamm zum Weltnaturerbe erklärt wurde", so Schleske.
Alte Geigen klingen besser als neue. Die zweite Geigenstimme ist leichter als die erste. Und Stradivaris Geheimnis ist der Lack. Oder doch nicht? Sieben Irrtümer über die Violine.
Der Geiger Ingolf Turban (l.) und Geigenbauer Martin Schleske. | Bildquelle: privat Den Klang der Geige beschreiben Ingolf Turban und Enjott Schneider als magisch, intensiv, voll und reif. Mit diesen Qualitäten macht sie Turbans anderen Instrumenten – unter anderem einer Stradivari aus dem Jahr 1721 – durchaus Konkurrenz. "Das ist so wie Sportwagen fahren", erklärt Turban. "Sie geben etwas Gas und es kommt sofort eine Beschleunigung in den Ton. Sie müssen eher nach unten regulieren und sagen: So, jetzt reite ich diese Geige mal etwas zarter. Diese Geige hat in sich eine unglaubliche Volumengröße und ein Potential. Jetzt bin ich dran, die Geige sozusagen zur Feinheit zu erziehen." In der Verschmelzung der Uraufführung mit dem Debüt der "Eiszeit-Geige" werde "Spiritualität gerade mit allen Fasern erlebbar", so Turban.
Sendung: "Leporello" am 25. November 2024 ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK
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