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Regisseur Roland Schwab Wie der neue Bayreuther "Tristan" wird

Die Liebe zu Film und Musik hat Roland Schwab zur Musiktheaterregie gebracht. Jetzt inszeniert er zum ersten Mal in Bayreuth: Tristan und Isolde. Aber nicht nur Richard Wagner gehört zu seiner Lieblingsmusik.

02.03.2022, Nordrhein-Westfalen, Bonn: Roland Schwab, Musiktheater-Regisseur, steht im Theater Bonn. Die Bayreuther Festspiele sollen am 25. Juli 2022 überraschend mit einer Neuproduktion von "Tristan und Isolde" von Richard Wagner unter der Regie von Roland Schwab eröffnet werden. Foto: Rolf Vennenbernd/dpa +++ dpa-Bildfunk +++ | Bildquelle: dpa-Bildfunk/Rolf Vennenbernd

Bildquelle: dpa-Bildfunk/Rolf Vennenbernd

"So schöne Überraschungen gibt es selten im Leben", sagt Roland Schwab über den Anruf aus Bayreuth. Erst im Dezember hatte er auf diese Weise erfahren, dass er im Juli den Tristan inszenieren soll. Keine leichte Aufgabe, zumal er zu dem Zeitpunkt nicht einmal ein Konzept hat. "Never ever habe ich etwas in der Schublade", erklärt er im Interview mit BR-KLASSIK. Vielmehr habe er ein "Sensorium" für die Werke, Liebe und die Richtung, in die es gehen soll. "Es hilft natürlich, dass ich Wagner von meinem Jugendalter an verehre wie keinen anderen Komponisten."

Erst Physik, dann Liszt und schließlich Musiktheaterregie

Dabei war es gar nicht Richard Wagner, der Roland Schwab zur klassischen Musik und damit zur Musiktheaterregie gebracht hat. Zunächst hatte er ein Semester Physik studiert. "Ich habe kurz reinstudiert in Physik und auch schnell wieder rausstudiert", lacht er. Über den Film sei er schließlich zur Regie gekommen und über Franz Liszt zur klassischen Musik. Dieser "war bei mir musikalisch die Initialzündung." In einem Laden in Hamburg hatte er mit 16 eine Schallplatte mit Swjatoslaw Richter und den beiden Klavierkonzerten von Liszt herausgezogen und sich in den Komponisten verliebt. "Der, den ich am meisten verehre und wertschätze, ist Richard Wagner, aber die große Herzensliebe ist Franz Liszt." Aus den beiden Leidenschaften habe er dann für sich "eine Synthese gemacht: Musiktheaterregie."

Meine Musik mit Roland Schwab

Franz Liszt: h-Moll-Sonate Liszt, Claudio Arrau
Richard Wagner: Tristan, Auszug aus dem zweiten Akt mit Brigitte Fassbaender als Brangäne
Richard Strauss: "Im Abendrot", Kurt Masur und Jessye Norman
Dmitri Schostakowitsch: "Passacaglia" aus "Lady Macbeth von Mzensk."
Tool: "The Pot"

Die Sendung können Sie hier nachhören.

Tristan in Bayreuth: Die Utopie einer Liebe

Wie konkret seine Inszenierung in Bayreuth aussehen wird, verrät er nicht, lässt aber durchblicken: "Es wird kein Tristan mit dem interpretativen Hammer, sondern ein ganz nuanciertes Nachspüren der Musik." Denn das Werk sei eines der wenigen, die absolut zu sehen seien. Es besitze eine "perfekte Vollkommenheit". "Die Transzendenz des Werkes wird durch Regieoperationen nur gefährdet", erklärt Schwab. Für ihn ist der Tristan die Utopie einer Liebe, die sich allen Umständen zum Trotz behaupte – nicht wie so oft in anderen Inszenierungen eine Liebe, die von vornherein zum Scheitern verurteilt ist. Genau das wolle er zeigen: Den Gedanken einer Liebe, die doch eine Zukunft hat, selbst wenn alles gegen sie zu sein scheint. "Ich denke, den Zuschauer doch mit einem Glücksgefühl zu entlassen."

Extreme in der Oper

Den Sängerinnen und Sängern möchte er dabei Einiges abverlangen, denn es wäre schade, wenn etwas auf der Strecke bliebe, erklärt Roland Schwab. "Ich würde nicht contra Sänger arbeiten, aber so, wie nichts auf der Strecke bleiben darf, muss man sich für einen Abend komplett verausgaben, dass man denkt, man könnte nicht mehr geben." Denn Oper lebe von Extremen. "Was von Komponisten nicht extrem komponiert ist, ist heute vergessen."

In Bayreuth ist man nie auf der sicheren Seite.
Roland Schwab, Regisseur

Regisseur Roland Schwab | Bildquelle: Matthias Jung Der Regisseur Roland Schwab inszeniert dieses Jahr zum ersten Mal in Bayreuth. | Bildquelle: Matthias Jung In Bayreuth zu arbeiten ist für Roland Schwab auf eine ganz bestimmte Weise besonders: "Alle haben ein ganz tolles Bewusstsein, an welchem Ort sie sind. Es ist ganz erstaunlich, berührend", erklärt er. "Es sind Feingeister, die wissen, für wen sie arbeiten – für das Gesamtkunstwerk 'Wagner' in großer Verehrung. Das ist mir so noch nicht passiert." Dennoch weiß er, dass Bayreuth auch seine Tücken hat, etwa beim Schlussapplaus – doch darauf sei er vorbereitet. "Wenn man in Berlin öfter inszeniert hat und in München, dann weiß man, was ein 'Buh-Orkan' ist." Es sei Energie und damit grundsätzlich etwas Positives. "Ich provoziere überhaupt kein 'Buh' bei Tristan, aber in Bayreuth ist man nie auf der sicheren Seite."

Klassische Musik oder Rockmusik?

Der Musikgeschmack von Roland Schwab liegt jedoch nicht exklusiv bei Bayreuth, Wagner und Liszt. "Ich liebe Musik, die entfesselt, die Power gibt" – etwa Rockmusik oder Heavy Metal. Ebenso Musik, die rätselhaft bleibe, der er nicht auf die Schliche komme, ganz gleich aus welcher Richtung: "Ich mache keinen Unterschied zwischen sogenannter E- und U-Musik."

Entweder es gibt gute Musik oder es gibt schlechte Musik.
Roland Schwab, Regisseur

Sendung: "Meine Musik" am 14. Mai 2022 ab 11:05 Uhr auf BR-KLASSIK

Kommentare (1)

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Montag, 16.Mai, 09:05 Uhr

Ilse Wagenknecht

Sendung "Meine Musik" am 14.Mai 2022

Für eine recht einsame Liszt und auch Wagnerliebhaberin war die Sendung ein großes Geschenk. Herr Schwab sprach mir aus dem Herzen. Ich entdeckte Liszt 2011 anlässlich seines 200. Geburtstags, die Sendungen im BR waren überwiegend kritisch, aber der Untertitel von Michael Stegmanns Buch "Genie im Abseits" machte mich neugierig, ich verliebte mich in Liszts Musik und Persönlichkeit und erlebte im Kunstfest Nike Wagners 2012 in Weimar eine fast meditativ berührende Aufführung von "Via Crucis". Auch zu so leisen und innerlichen Tönen war Liszt fähig, leider gab es keine Würdigung dieser Inszenierung seiner Ur-Urenkelin im BR.

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