Mehr als 1200 Menschen mussten wieder nach Hause gehen: Das BRSO-Konzert mit Dirigent Herbert Blomstedt am Samstag wurde wegen technischer Probleme kurzfristig abgesagt. Der Vorfall wirft ein trübes Licht auf die Musikstadt München, die von einer "Bugwelle" aufgeschobener Sanierungen überrollt zu werden droht. Ein Kommentar.
Bildquelle: picture-alliance/dpa
Die besten Satiren schreibt immer noch das Leben, auch die bitteren: Ausgerechnet ein Warnlicht, das sich nicht mehr abschalten ließ, verhinderte ein Konzert des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks im Münchner Herkulessaal. Alarmstimmung ist in diesem Fall wirklich angebracht, denn so, wie es aussieht, drohen München mindestens weitere zehn Jahre Siechtum, was die Konzertsäle betrifft.
Die Tickets für das abgesagte BRSO-Konzert mit Herbert Blomstedt werden erstattet. Nähere Infos finden Sie hier.
Kunstminister Markus Blume beklagt seit langem eine "Bugwelle" von Sanierungsfällen, weil zahlreiche Gebäude "auf Verschleiß" gefahren worden seien. Tatsächlich gammelt der Herkulessaal in der Residenz vor sich hin, ohne dass das sich die Politik darum bisher viel geschert hätte. Ganz abgesehen davon, dass der Nachkriegsbau schon immer architektonisch umstritten und akustisch problematisch war. Wer zeitgemäße Veranstaltungssäle kennt, für den fühlt sich dort jedes Konzert wie eine Art Rücksturz in die Fünfziger an – nur ohne Wilhelm Furtwängler am Pult. Tapfer die Musiker, die diese Zustände auf Dauer aushalten.
Der große Saal im Münchner Kulturzentrum Gasteig, die Philharmonie, wurde gerade bis auf Weiteres eingemottet. Wann die Sanierung dort abgeschlossen sein wird, steht in den Sternen. Was bleibt, ist die Isarphilharmonie, ein Ausweichquartier, das viel Lob bekam, aber eben nicht für die Ewigkeit gebaut wurde. Also richten sich alle Augen auf den Freistaat, der seit rund 20 Jahren einen neuen, repräsentativen Konzertsaal in Aussicht stellt. Minister Blume hält daran fest, nennt das aber selbst augenzwinkernd "einfach kühn" – immerhin will er es schaffen, die ursprünglich kalkulierten Kosten zu halbieren.
Angesichts dieser Lage ist Blaulicht-Alarm wirklich angebracht, womöglich ergänzt um ein paar düstere Fanfarenstöße. Geht es nach den Verantwortlichen in Stadt und Freistaat, soll München als Konzertmetropole mit drei herausragenden Orchestern weithin glänzen, doch diesen Lippenbekenntnissen folgten wenig Taten. Den Grund dafür nennt Markus Blume in einem Interview mit der "Abendzeitung" selbst: "Mit Kulturpolitik gewinnt man leider keine Wahlen."
Dem ist schwer zu widersprechen, marode Konzertsäle dürften tatsächlich kaum einen Wähler umtreiben, zumal sich Freunde der Popmusik und experimenteller Formate in München zum Beispiel über das wirklich coole "Bergson Kunstkraftwerk" mit knapp 500 Plätzen freuen dürfen. Aber haben die Kulturpolitiker übersehen, dass Deutschland neben Österreich weltweit als Hochburg der klassischen Musik gilt und dafür bewundert wird? Gerade München könnte leuchten, mit seinen drei Spitzenorchestern, und zwar weit über die Stadtgrenzen hinaus.
Wie beglückend und international werbewirksam ein angemessener Konzertsaal sein kann, das zeigt ein neiderfüllter Blick zur Elbphilharmonie oder nach Luzern an den Vierwaldstätter See. Das sind architektonische Juwelen, die auch viel Geld in die Städte lenken. Womöglich sind dort sogar die Wähler begeistert. Zu solchen Visionen gehört Mut zur Neugewichtung der staatlichen Ausgaben. Ja, womöglich müssten irgendwo ein paar Autobahnkilometer weniger gebaut werden, um die finanzielle "Bugwelle" zu reiten, von der Markus Blume spricht. Eine Herkules-Aufgabe, klar, aber damit sicherte sich der gleichnamige antike Held bekanntlich einen Platz auf dem Olymp.
Sendung: "Leporello" am 13. Januar 2025 ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK
Kommentare (5)
Dienstag, 14.Januar, 08:15 Uhr
Marcus
Klangerlebnis Herkulessaal
Es ist ein Dilemma!
Durch die Zerstörung Münchens im Zweiten Weltkrieg lag auch die Kunst und Kultur in Trümmern.
Trotz aller Probleme dieser Zeit wollte man den Menschen auch in der Kunst Perspektiven eröffnen.
Aber bekanntlich liegt Kunst im Auge des Betrachters! Der Klassizismus war noch nicht "geschätzt". Statt das Gebäude des berühmten ODEON wieder seiner Bestimmung zuzuführen, errichtete man im klassizistischen Thronsaal Ludwigs l. den (Neuen) Herkulessaal. Eine Raumkomposition, die nie für musikalische Klangerlebnisse konzipiert war, dient nun für Musik.
Leider hat man nun zwei unbefriedigende Situationen....
...den Verlust eines hervorragenden klassizistischen Saales...und ungenügende Akustik in einem Saal der 50er Jahre.
Dienstag, 14.Januar, 01:17 Uhr
Livia Laios
>1 Milliarde nur für eine schmale Elite???
Ich liebe Musik, brauche aber keinen Luxus bei deren Darbietung. Die Säle Münchens sind völlig ausreichend, wenn man diese technisch in Ordnung bringt. Ein Gebäude für mehr als 1 Milliarde Euro ist in Zeiten von wachsender Armut der Menschen auch in München, die jeder auf den Straßen sehen kann, der sich einmal außerhalb der High Soc bewegt, nicht mehr vertretbar. 1 Milliarde wird für die Hebung der Möglichkeiten gerade armer Menschen dringender benötigt als für eine Plattform einer mit Verlaub winzigen Elite, die sich selbst bespiegeln will. Flaggschiff muss die Musik selbst sein. Der Hype um die Elbphilharmonie ist auch schon längst abgeebbt.
Wenn sogenannten Weltstars dann nicht nach München kommen wollen, sollte man sich auf die Tugenden der Entwicklung hochklassiger, ansässiger Ensembles besinnen. Ökologisch sind die weltreisenden Künstler ohnedies nicht mehr sinnvoll. Und wenn man einen solchen Kommentar hier ablehnt, dann will man keine andere Meinung als die eigene hören.
Montag, 13.Januar, 21:55 Uhr
Bassetto
Herkulessaal
Für den Backstage-Bereich im Herkulessaal gibt es nur ein Wort: Unzumutbar.
Die Garderoben für die Orchestermitglieder sind zu klein. Es gibt keine Privatsphäre zum Umziehen, kaum eine Möglichkeit, die wertvollen Instrumente sicher abzulegen.
Die Toiletten sind uralt und stinken.
Dass der winzige, klapprige Personenaufzug noch fährt, ist ein Wunder.
Auf ihren Auftritt warten die Musiker in einem heruntergekommenen, engen Treppenhaus.
Kein Außenstehender würde glauben, dass hier Weltstars ein- und ausgehen. Wirklich keine Visitenkarte für die Musikstadt München.
Montag, 13.Januar, 21:45 Uhr
Klaus Teuber
Hausgemacht
Seit über zehn Jahren plädiere ich für die Sanierung von Gasteig und Herkulessaal. Horst Seehofer war sich mit OB Ude einig, dass dies eine gute Lösung für Philharmoniker UND BR sei. Wir hätten wahrscheinlich heute zwei tolle Konzertsäle. Dies scheiterte an der sturen Haltung des BRSO nebst demagogischer Protestwelle durch Gerhaher, Mutter, Jansons und einigen anderen. Das Desaster von Samstag hat das Orchester zu einem Großteil selbst zu verantworten. Im Übrigen ist der Herkulessaal akustisch nicht schlechter als die Elbphilharmonie. Und neben einem hoffentlich bald renovierten Gasteig braucht man auch weiterhin keinen neuen, dann ganz ähnlichen zweiten Konzertsaal, erst recht nicht in einer viel zu engen Baulücke.
Montag, 13.Januar, 14:57 Uhr
Hans Timm
Absage des Blomstedt-Konzertes
Seit der Kubelik-Zeit bin ich ein Bewunderer des BRSO. Obwohl ich nicht (mehr) in München wohne, höre ich mir fast alle Direktübertragungen im Radio an (oder fahre nach dem 600 Kilometer entfernten München, um live dabei sein zu können).
Die respektlose Haltung der Politik und die Vernachlässigung der Kunst/Musik gegenüber ist ein Ärgernis, ja, vielmehr ein Skandal, auch den Künstlern gegenüber. Ein neuer Konzertsaal muss her und zwar sofort.
Hans Timm