An Bayerns Grundschulen soll es ab dem kommenden Schuljahr Musik nicht mehr als Einzelfach geben. Stattdessen wird es einen Verbund von Musik, Kunst und Werken geben. Die Entscheidung des Kultusministeriums stößt beim Bayerischen Musikrat auf massive Kritik. Präsident Dr. Helmut Kaltenhauser setzt auf eine bessere Ausbildung der Lehrkräfte, wie er im BR-KLASSIK-Interview erklärt.
Bildquelle: helmut-kaltenhauser.de
BR-KLASSIK: Was sagen Sie als Präsident des Bayerischen Musikrats zu der Entscheidung von Kultusministerin Anna Stolz?
Helmut Kaltenhauser: Man hat es schon ein bisschen befürchtet. Wir hatten im Vorfeld schon ein Schreiben an die Ministerin geschickt, in dem wir darum gebeten haben, dass die Musik nicht darunter leiden soll. Es kam jetzt fast noch schlimmer, als ich erwartet habe. Die Zusammenlegung bedeutet faktisch, dass es eine Kürzung des Musikunterrichts geben wird. Das ist natürlich ein sehr verheerendes Signal.
Kürzung des Musikunterrichts: Ignorant, widersinnig, ungerecht
BR-KLASSIK: Wie soll das genau gehen? Also sollen die Lehrerinnen und Lehrer jetzt Musik und Kunst und Werken gleichzeitig unterrichten?
Helmut Kaltenhauser: Die Stundenzahl wird zusammengezählt und in der Summe reduziert. Dann bleibt es den einzelnen Lehrern überlassen, ob sie mehr Werken machen oder mehr Musik. Deutsch und Mathematik werden um irgendeine Stundenzahl nach oben gesetzt. Da die Gesamtstundenzahl nicht erhöht wird, wird die Musik auf jeden Fall darunter leiden. Denn es kann passieren, dass es für manche Schülerinnen und Schüler keine musikalische Bildung mehr gibt, wenn eine Lehrkraft sagt, der Schwerpunkt liegt bei ihr anderswo. Das ist das Resultat, wenn nicht einmal die Musikstunden fixiert sind.
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BR-KLASSIK: Begründet wird die Entscheidung unter anderem durch die schlechten Ergebnisse der PISA-Studie im Fach Deutsch. Man weiß aber, dass der Spracherwerb durch Musik verbessert wird. Bernhard Neuhoff hat im BR-KLASSIK-Kommentar darauf hingewiesen, wie paradox das ist.
Helmut Kaltenhauser: Darauf haben wir auch hingewiesen. Es ist eigentlich kontraproduktiv. Ich möchte nicht den Wert des Deutschunterrichts abstreiten. Aber ich glaube, dass man durch den Musikunterricht mindestens genauso viel erreichen könnte. Ganz abgesehen von den sonstigen sozialen Fähigkeiten, die durch Musik und eigenes Musizieren dazukommen.
Die Zusammenlegung bedeutet faktisch, dass es eine Kürzung des Musikunterrichts geben wird.
BR-KLASSIK: Anfang Februar gab es einen offenen Brandbrief der bayerischen Chorverbände, als bekannt wurde, dass jetzt wegen dieser schlechten PISA-Ergebnisse mehr Zeit und Raum für Rechnen, Schreiben und Lesen geschaffen werden soll. Welche Möglichkeiten der Einflussnahme hat der Bayerische Musikrat?
Die Entscheidung der bayerischen Kultusministerin Anna Stolz zur Zusammenlegung künstlerischer Fächer an Grundschulen stößt auf heftige Kritik. | Bildquelle: dpa-Bildfunk/Lennart Preiss Helmut Kaltenhauser: Es gibt eine ganze Menge Anschreiben. Das vom Chor ist natürlich besonders eindrücklich, weil es das direkt mit der Fähigkeit des Spracherwerbs verbindet. Musik und Kunst haben offenbar die geringste Lobby, wenn man das zum Beispiel mit Sport oder Religion vergleicht. Ich behaupte mal, dass sich die Kultusministerin im Kabinett nicht durchsetzen konnte. Ich habe demnächst hoffentlich ein Gespräch mit Anna Stolz. Wir werden sehen, inwieweit wir das noch verhindern können. Was wir machen können, ist zumindest dafür zu sorgen, dass die Musik in dem neuen Fächerverbund nicht untergeht. Wir können uns da noch stärker auf die Lehrerausbildung konzentrieren. Da gibt es schon einige Bemühungen. In diese Richtung können wir eigentlich nur weiterarbeiten. Ich glaube nicht, dass wir diesen Kabinettsbeschluss umstoßen können.
Sendung: "Leporello" am 27. Februar ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK
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