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Yaara Tals neue CD "1923" Ein Jahr voller Vielfalt

Wenn Yaara Tal Musik sucht, dann konsultiert die Pianistin das Internet oder sie wühlt in ihrem eigenen Gedächtnis. So ist sie auch auf die Stücke ihrer neuen CD "1923" gekommen. Ein Album, das einige Entdeckungen bereithält.

Yaara Tal | Bildquelle: BR / Gustav Eckart

Bildquelle: BR / Gustav Eckart

BR-KLASSIK: Wenn Sie in dem Jahr, dem Sie Ihre neue CD gewidmet haben, 1923, gelebt hätten, wo wären Sie gerne gewesen?

Yaara Tal: Da kann ich direkt eine Antwort geben, denn in dem Jahr ist meine Mutter geboren. Da wäre ich gern dabei gewesen, das war in der Ostslowakei, damals Tschechoslowakei. Ansonsten wäre ich gern in Wien gewesen.

Ein spannender Künstler der 20er-Jahre: Fritz Heinrich Klein

BR-KLASSIK: Und mit welchem Künstler hätten Sie sich gern getroffen auf einen Wiener Kaffee in einem Wiener Kaffeehaus?

Yaara Tal: Vielleicht mit Fritz Heinrich Klein, dem unbekanntesten der Komponisten auf meiner CD. Der muss eine ganz besondere Persönlichkeit gewesen sein. Den hätte ich gern gekannt.

BR-KLASSIK: Inwiefern besonders?

Yaara Tal: Er war wahrscheinlich der allererste, der ein Stück in einem Zwölftonsystem komponiert hat. Wir denken immer, Arnold Schönberg war der Erfinder. Das stimmt nur bis zu einem gewissen Grad. Andere Leute haben schon vor ihm den Versuch gemacht, diese zwölf Töne in eine gewisse Ordnung zu bringen. Und Fritz Heinrich Klein war wahrscheinlich der erste, der die Töne in sein eigenes System gebracht hat. Leider hat die Welt das nicht gewürdigt. Ich hätte ihm gern gesagt, dass sein Stück "Die Maschine" ein super Werk ist.

Programmschwerpunkt BR-KLASSIK: 1923 – Der wilde Sound der 20er

Frei, wild, anzüglich – das waren die Goldenen 20er. Eine Zeit des Aufschwungs, des technischen Fortschritts, aber auch der Hoffnungslosigkeit und Angst. Ein Jahr lang öffnet BR-KLASSIK das Fenster zu dieser Zeit. Wissenswertes rund um die Musik der 1920er Jahre, Edutainment-Vidoes zu Schlüsselwerken und Musik der Epoche finden Sie hier im BR-KLASSIK-Dossier.

Das Klavierduo Yaara Tal und Andreas Groethuysen am 9. Mai 2023 im Studio 2 des BR-Funkhauses | Bildquelle: © BR/Vera Johannsen Yaara Tal mit ihrem Partner Andreas Groethuysen | Bildquelle: © BR/Vera Johannsen BR-KLASSIK: Was passiert in diesem Stück?

Yaara Tal: Das Stück ist für Klavier zu vier Händen komponiert. Das ist das einzige Stück auf der CD, das ich nicht solo spiele. Ich spiele zusammen mit meinem Partner Andreas Groethuysen. Die Musik klingt so, als wäre sie für den Stummfilm "Metropolis" geschrieben. Das Stück beschreibt verschiedene Klänge, die von Maschinen inspiriert sind. Aber es steckt viel Humor drin. Es ist nicht ernst oder bedrohlich, sondern eher witzig.

Inspirationsquelle: "Im Taumel der Zwanziger" von Tobias Bleek

Yaara Tag Tobias Bleek | Bildquelle: BR Yaara Tal und Tobias Bleek | Bildquelle: BR BR-KLASSIK: Die Idee für das Album "1923" kam mit dem Buch von Tobias Bleek "Im Taumel der Zwanziger". Ein fantastisches Buch über diese Zeit. Wie ging es Ihnen, als Sie das gelesen haben?

Yaara Tal: Tobias Bleek hat mich auf die Idee gebracht, mich mit dieser Zeit zu beschäftigen. Denn er hat schon länger geplant, das Buch zu schreiben und er hat mir gesagt: "Beschäftige dich mit dem Thema. Ich glaube, es gefällt dir irgendwie." Und so ist es auch gewesen. Und immer wenn er ein Kapitel geschrieben hat, hat er mir das geschickt. Es war Work-in-Progress für uns beide.

BR-KLASSIK: Und dann haben Sie begonnen zu recherchieren. Wie lief das genau ab? Sind Sie in Bibliotheken gegangen, haben verstaubte Bücher aus den Regalen gezogen?

Yaara Tal: Das ist heute kaum mehr der Fall. Heute gibt es Internet und es gibt Netzwerke von – wie soll ich sagen – Trüffelschweinen, die diese Kataloge schon im Voraus geplündert haben. Und wir können davon profitieren. Also im Prinzip habe ich drei Quellen gehabt: einmal das Internet, dann haben wir selber – also Andreas Groethuysen und ich – ein Reservoir an PDFs mit ungefähr 50.000 Titeln. Und dann habe ich meine eigene Bibliothek und mein eigenes Gedächtnis. Denn als ich recherchiert habe, habe ich gemerkt, dass ich in meiner Jugend einige Stücke, die 1923 komponiert wurden, bereits gespielt habe.

Musikalische Vielfalt in den 20er-Jahren

BR-KLASSIK: Es sind ja wirklich sehr unterschiedliche Komponisten vertreten auf Ihrer CD. Wie schaffen Sie dennoch eine stimmige Dramaturgie?

Yaara Tal: Ich habe im Endeffekt die CD dreigeteilt. In der Mitte ist musikhistorisch gesehen die bedeutendste Abteilung. Sie ist dem Zwölftonkosmos gewidmet. Natürlich mit Werken von Arnold Schönberg, aber auch mit denen von Josef Matthias Hauer, Fritz Heinrich Klein und Hanns Eisler. Musikhistorisch gesehen stellen diese Werke die wichtigste Botschaft dieser CD dar. Davor habe ich Musik geplant, die der Natur und einer gewissen Spiritualität gewidmet ist. Mit Joseph Achron, Ernest Bloch und mit naturhaften Stücken von Frederick Delius. Und das letzte Kapitel enthält Musik, die das Seelische im Menschen beschreibt. Mit Werken von Leoš Janáček und Frederico Mompou, und dann das Unterhaltsame und Witzigere mit Alexandre Tansman und Emile Jaques-Dalcroze.

INFOS ZUR CD

"1923"

Yaara Tal
Andreas Groethuysen

Label: Sony Classical
Koproduktion mit BR-KLASSIK, aufgenommen im Studio 2 des BR-Funkhauses

Sendung: "Allegro" am 25. August 2023 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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