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Vorbericht – Tanzoper "Orpheus und Eurydike" in Fürth Pina Bausch Reloaded

Sie hat das Tanztheater umgekrempelt: Die Star-Choreografin Pina Bausch. Ihre meisterhafte Inszenierung der Gluck-Oper "Orpheus und Eurydike" ist nun am Stadttheater Fürth zu sehen. Wie die Kult-Choreografie von 1975 wieder zum Leben erweckt wird.

Luiza Braz Batista und Naomi Brito tanzen Pina Bauschs Choreografie "Orpheus und Eurydike" | Bildquelle: Oliver Look

Bildquelle: Oliver Look

"Aber dreh dich bloß nicht nach ihr um!" Das sagt Persephone zu Orpheus, als er dabei ist, seine geliebte Nymphe Eurydike aus dem Totenreich zurück ins Leben zu führen. Doch Orpheus schafft es nicht – er dreht sich um und verliert Eurydike auf ewig. Dieser antike Mythos gehört zur DNA unserer abendländischen Kultur.

Inszenierung 47 Jahre nach der Premiere in Bayern zu sehen

Der Komponist Christoph Willibald Gluck hat aus dem Stoff eine Oper gemacht. Und die Choreographin Pina Bausch bearbeitete diese Oper 1975 für ihr legendäres Tanztheater in Wuppertal. Die Kritiken damals waren euphorisch. Jetzt, 47 Jahre nach der Premiere und fast 13 Jahre nach dem Tod von Pina Bausch, kommt diese Produktion in Bayern auf die Bühne. So authentisch wie möglich, inklusive Kostümen und Bühnenbild. Im Rahmen der diesjährigen Gluck-Festspiele Nürnberg ist das Tanztheater Wuppertal ab dem 29. April im Stadttheater in Fürth zu erleben.

Pina Bausch hat das Tanztheater revolutioniert

"Diese Inszenierung ist eigentlich ein metaphysisches Wunder!", schwärmt Michael Hofstetter, Dirigent und Intendant der Gluck-Festspiele. Er ist bekennender Fan des Tanztheaters von Pina Bausch. Pina Bausch und Christoph Willibald Gluck – beide waren Revolutionäre in ihrer Kunst. Pina Bausch, indem sie etwa Alltagsbewegungen in den Tanz holte. Und Christoph Willibald Gluck, indem er die Oper vom barocken Pomp entschlackte.

Es gibt keinen Ton von Gluck, der nicht aus der Tiefe empfunden ist.
Christoph Willibald Gluck

Gluck zeigt die menschliche Psyche

Glucks Musikdrama "Orpheus und Eurydike" war in seiner Zeit etwas völlig Neues. Denn – so Michael Hofstetter – die Geschichte wird vom Komponisten nicht mehr, wie bis dahin üblich, einfach nur vordergründig erzählt, sondern sie wird ausgedeutet. "Gluck hat verstanden, dass sich der Mensch durch seine Psyche definiert", sagt Michael Hofstetter. "Ich glaube, es gibt keinen Ton von Gluck, der nicht aus der Tiefe empfunden ist, und keinen Takt, mit dem er nicht versucht, die Seelentiefe menschlichen Empfindens auszuloten."

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Pina Bausch: ORPHEUS UND EURYDIKE | Stadttheater Fürth, Tanztheater Wuppertal, Gluck Festspiele 2022

Einstudieren der Original-Choreografie ohne Regiebuch

Die Proben werden von Josephine Ann Endicott geleitet. Die australische Choreographin war lange Assistenten von Pina Bausch. Nun ist sie dafür verantwortlich, das Stück so authentisch wie möglich auf die Bühne zu bringen. Die rund 35 Tänzerinnen und Tänzer agieren auf einer mit nur wenigen Requisiten ausgestatteten Bühne. Ihre fließenden Bewegungen wirken auf jeden Fall nicht wie aus einem 47 Jahre alten Choreographiebuch einstudiert, sondern sie scheinen ganz aus ihnen herauszukommen. "Das Lebendige muss lebendig bleiben", erklärt Josephine Ann Endicott. "Die Bewegungen sind noch in mir gespeichert. Mein Körpergefühl kann sie noch gut zeigen, darum brauche ich kein Regiebuch."

Die Bewegungen sind noch in mir gespeichert.
Josephine Ann Endicott über Pina Bauschs Choreografie von 1975

Glucks Musik wurde in den 1970er Jahren langsamer empfunden

Tsai-Chin Yu, Reginald Lefebvre und das Tanztheater Wuppertal tanzen Pina Bauschs "Orpheus und Eurydike" | Bildquelle: Evangelos Rodoulis Das Tanztheater Wuppertal ist zu Gast bei den Gluck-Festspielen: mit Pina Bauschs Choreografie "Orpheus und Eurydike". | Bildquelle: Evangelos Rodoulis "Tradition ist nicht die Anbetung der Asche, sondern die Weitergabe des Feuers", sagte sinngemäß der französische Philosoph Jean Jaurès. Und das spürt man in dieser Produktion besonders auch bei der Musik. Als "Orpheus" ist der Countertenor Valer Sabadus besetzt. Die Gesangssolisten, der Chor und das Orchester unter Leitung von Michael Hofstetter singen und musizieren historisch-informiert. Bei der Premiere 1975 dagegen war ein Orchester mit modernen Instrumenten zu hören, das noch ganz im Gestus der Romantik spielte. Michael Hofstetter schließt das aus der Geschwindigkeit der Bewegungen der Tänzerinnen und Tänzer – und hat sich mit seinem Orchester etwas angepasst. "Das sind eben die Tempi der Siebzigerjahre. Heute würde man es vielleicht fließender machen", so Hofstetter. "Aber das Genie, mit dem Pina das in den Tanz umgesetzt hat, ist so überwältigend groß, dass in keiner Sekunde diese Tempi als zu langsam erscheinen, sondern man hat das Gefühl, es sei einfach eine unglaubliche Verdichtung der Zeit."

KLICK-TIPP

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Händelfestspielorchester spielt "Orpheus und Eurydike"

Das Orchester für die Neuproduktion kommt übrigens aus Mitteldeutschland: das Händelfestspielorchester aus Halle an der Saale. Michael Hofstetter hat mit den Musikerinnen und Musikern bereits etliche Opern Georg Friedrich Händels aufgeführt. "Dieses Orchester spielt wirklich, wie man sich das heute von einem Weltklasse-Barockorchester wünscht!" Und Händel, betont der Dirigent, hat ja mit dem jungen Christoph Willibald Gluck in London musiziert.

Am Ende von "Orpheus und Eurydike" triumphiert der Tod. Orpheus dreht sich um, verliert Eurydike – und die Bühne ist voll von leblos wirkenden Gestalten. Wollte Pina Bausch damit sagen, dass letztendlich alles in Verzweiflung und Tod mündet? Das kann man so sehen, muss man aber nicht, meint Tänzer Cagdas Ermis. "Die Botschaft entsteht im Augenblick des Zuschauens. Und ich glaube, Pina hätte niemals jemandem eine Botschaft aufgezwungen." 

Die Premiere der Tanzoper "Orpheus und Eurydke" findet am 29. April um 19:30 Uhr im Stadttheater Fürt statt, im Rahmen der Gluck-Festspiele Nürnberg. Alle Aufführungstermine und weitere Informationen finden Sie hier.

Sendung: "Allegro" am 29. April 2022 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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