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Richard Clayderman wird 70 The Normal One

Er ist der erfolgreichste Pianist der Welt. Fast 90 Millionen Mal haben sich seine Alben verkauft. Und seine "Ballade pour Adeline" kann in Sachen Popularität locker mit Beethovens "Für Elise" mithalten. Trotzdem ist sein Name ein Synonym für grausligen Kitsch. Zu Recht?

Richard Clayderman | Bildquelle: picture alliance/dpa/HPIC | Han Jingyu

Bildquelle: picture alliance/dpa/HPIC | Han Jingyu

Es sagt viel aus über Richard Clayderman, dass wenig über ihn geschrieben wird, er in der Presse aber trotzdem omnipräsent ist. 150 Treffer verzeichnet das Pressearchiv unter seinem Namen. Darunter nur vier Artikel, in denen es tatsächlich um ihn geht. In allen anderen taucht er ausschließlich als Referenz auf. Clayderman ist zwar nicht der Lieblingspianist, dafür aber ein Lieblingssynonym des Feuilletons. Wer Clayderman erwähnt, der kann sich sicher sein, dass der oder die Leserin versteht, was gemeint ist.

Wer will schon mit Clayderman verglichen werden?

Peter Sloterdijk nannte Richard David Precht mal den "Richard Clayderman der Philosophie". Und das war durchweg vernichtend gemeint. Auch Chris Martin, der Sänger von Coldplay, musste sich schon den Vergleich mit dem Poppianisten gefallen lassen. Und dass dem Neoklassiker Nils Frahm nachgesagt wurde, er klinge so, "als spiele Richard Clayderman im Chill-out-Raum eines Clubs", dürfte ihm kaum geschmeichelt haben.

Richard Clayderman gilt als die reine Verkörperung von Kitsch, Seichtigkeit und Sentimentalität, als klimpernde Duftkerze, kurz: als Rosamunde Pilcher des Klaviers (genauso wie Rosamunde Pilcher der Richard Clayderman der Literatur war). Und natürlich ist das alles nicht schmeichelhaft gemeint. Vergleiche mit Clayderman sind eigentlich immer despektierlich. Wobei so viel Ablehnung nur deshalb erlaubt ist, weil er extrem erfolgreich ist. Bis heute hat er mehr Platten verkauft als Bob Dylan, Lady Gaga und Jay-Z zusammen. "Glück" nennt er das selbst.

Die "Ballade pour Adeline" macht Clayderman zum Weltstar

Geboren wird Clayderman vor 70 Jahren als Philippe Pagès. Er wächst in Romainville auf, einer Vorstadt von Paris. Heute immer wieder Hotspot von Ausschreitungen, damals eine Arbeitersiedlung. Der Kommunismus steht hoch im Kurs. Seine Mutter arbeitet als Hausmeisterin in einem Hochhausblock, der Cité Youri Gagarine genannt wird – nach dem sowjetischen Kosmonauten. Der Vater ist Klavierlehrer. Von ihm lernt der Philippe das Spielen.

Und er ist begabt, so begabt, dass er schon mit 12 am Konservatorium genommen wird. Eine klassische Karriere strebt er trotzdem nicht an. Das Interesse an Popmusik ist stärker. Und die häuslichen Verpflichtungen auch. Mit 17 wird er zum ersten Mal Vater, muss also früh Geld verdienen und tut das vor allem als Studiopianist. Ein paar Jahre lang läuft es so lala. Der große Durchbruch kommt erst 1977.

Da entdecken ihn Paul de Senneville und Olivier de Toussaint, zwei Aristokraten, deren Herzen für den Schlager schlagen. Senneville sucht einen Pianisten für seinen neusten Song "Ballade pour Adeline". Und Pagès ist die ideale Besetzung mit seinem langen blonden Haar und dem weichen, offenen Gesicht. Ein schüchterner Beau, ein Märchenprinz. Und der Anschlag ist auch passabel. Jackpot. Nur der Name muss weg: Aus Philippe Pagès wird Richard Clayderman.

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Richard Clayderman - Ballade Pour Adeline (Official Video, 1985) | Bildquelle: Richard Clayderman Official (via YouTube)

Richard Clayderman - Ballade Pour Adeline (Official Video, 1985)

Clayderman, ein verhinderter Jazzer?

Über 20 Millionen Mal verkauft sich allein die "Ballade pour Adeline". Schmachtende Sexten und ein bisschen Synthienebel machen aus dem Studiopianisten einen Weltstar. Erst in Europa, später auch in Asien und in den USA. Dort bescheinigt ihm die Präsidentengattin Nancy Reagan, der "Prince of Romance" zu sein. Seitdem hat er sein musikalisches (Erfolgs-)Rezept nie mehr geändert.

Das ist ein bisschen tragisch, weil er selbst den Jazz liebt. Michel Petrucciani sei einer seiner Lieblingsmusiker, hat er in verschiedenen Interviews betont. Auch Chick Corea oder Herbie Hancock nennt er immer wieder. Es gibt alte Fernsehfilme über ihn, da spielt er ein wenig Boogie Woogie. Aber sowas wollen die Leute bei seinen Konzerten nicht hören. Wer Clayderman kauft, der bekommt auch Clayderman. Und dazu gehört auch der nicht gerade Jazz-like Verzicht auf jede nur erdenkliche Form von Offbeat.

Es geht schnurgerade zu in dieser Musik, soviel ist klar. Meist gibt es irgendein Synthie- oder Streicherbett, über das Clayderman am Klavier irgendeine Melodie buchstabiert. Ja, buchstabiert. Denn so genauso klingt es, wenn Clayderman spielt. Da ist nichts Lässiges in seiner Phrasierung. Da hat man nie den Eindruck, jemand singt. Eher schon den, dass da jemand zählt. Das ist nicht verächtlich gemeint. Im Gegenteil: Genau das macht Clayderman ja so sympathisch. Und einzigartig.

Ganz anders als Liberace ...

Vergleicht man ihn mit einem anderen Showpianisten wie Liberace, dann sticht dieser Unterschied sofort ins Auge. Liberace glänzt durch Virtuosität. Je mehr, desto doller. "To much of a good thing is wonderful", war seine Devise, das Barocke sein Markenzeichen, der Kronleuchter auf dem Klavier unverzichtbar. Und seine Epigonen machen es ihm nach: von Vanessa Mae über David Garrett bis zu Lang Lang.

Richard Clayderman ist anders.

Bei ihm ist klimpertechnisch Askese angesagt. Man kann das "klangliche Schonkost" nennen, wie es ein gewisser Matthias Döpfner getan hat (damals noch nicht Vorstandsvorsitzender von Springer, sondern Musikkritiker bei der FAZ). Man kann darin aber auch ein Moment der Selbstbescheidung erkennen. Clayderman ist der Typ von nebenan, nicht der von einem anderen Stern. The Normal One, nicht The Special One. Die IKEA-Duftkerze und nicht der barocke Kronleuchter.

Richard Clayderman ist die musikalische Verkörperung von Normcore. Und damit liegt er an seinem 70. Geburtstag voll im Trend.

Sendung: Allegro am 28. Dezember ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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Donnerstag, 28.Dezember, 06:25 Uhr

Trappe

Überflüssiges

Der Artikel reißt ungeachtet alles an, für die Länge der Ausführung fehlt es an Qualität. Die einzig nennenswerte Information ist das Elternhaus und Jazzaffinität, der Rest ist so, dass man es am nächsten Tag vergessen hat. Und das ist ein Grundmuster des Feuilletons leider geworden…
Ich war und bin kein Clayderman-Anhänger, aber war doch neugierig, eben aus Unkenntnis mehr zu erfahren. Doch der Artikel dient dazu nur oberflächlich.

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