Bluescreentechnik für die Oper - darauf setzt Barockmusikexperte und Videokünstler Kobie van Rensburg. Eine gute Entscheidung, um Händels Zauberoper "Rinaldo" am Landestheater Niederbayern in Passau in Szene zu setzen.
Bildquelle: Landestheater Niederbayern/Peter Litvai
So frisch wie die Musik des großen Barockkomponisten Georg Friedrich Händel daherkommt, so lebendig reiten auch die Krieger in Passau heran, wenn sie nicht grad auf einem fliegenden Teppich über Jerusalem oder die Wüste schweben. Die Bühne ist in der Horizontalen zweigeteilt: Unten agieren die Sängerinnen und Sänger in ihren Kostümen vor blauem Hintergrund und werden von verschiedenen Kameras live gefilmt, oben erscheinen sie zeitgleich in Großaufnahme in einer virtuellen Realität.
Neu ist diese Technik nicht, ganz im Gegenteil scheint sie derzeit sehr en Vogue zu sein auf Deutschlands Bühnen, vergleiche nur Rusalka in Stuttgart oder Candide in Regensburg, aber das macht ja nichts. Und speziell den Anforderungen von Händels Zauberoper "Rinaldo" wird sie gerecht, denn wie sonst sollte man in einem Augenblick glaubhaft wilde Schlachtenszenen zwischen christlichen Kreuzrittern und mohammedanischen Streitern darstellen und im nächsten wilde Furien der zeitweise maximal erbosten Zauberin Armida; temperamentvoll dargestellt und furios gesungen von Ina Yoshikawa.
Premiere in Passau: 1. Dezember 2022, Premiere in Landshut: 20. Januar 2023, Premiere in Straubing: 3. Januar 2023. Weiter Infos zum Programm finden Sie hier.
Juliane Wenzel (Goffredo), Sabine Noack (Rinaldo), Peter Tilch (Eustazio), Ina Yoshikawa (Armida), Emily Fultz (Almirena) | Bildquelle: Landestheater Niederbayern/Peter Litvai
Regisseur und Ausstatter in einer Person Kobie von Rensburg hat sich aber nicht etwa damit begnügt, nach Belieben Zauberwesen, weiße Haie und Kampfgetümmel aus dem bühnentechnischen Ärmel zu schütteln, sondern er gibt der quirligen Geschichte um den strammen Kreuzritter Rinaldo und seine amourösen und militärischen Verwirrspiele noch eine gewaltige und wohltuende Portion Ironie mit. Die kriegslüsternen Herren beider Seiten werden gehörig auf die Schippe genommen in ihrem Testosteronwahn, ebenso der Wankelmut der Liebenden - eben haben sie sich noch angebetet, dann wird schnell mal gehasst und über die Wut auf den gemeinsamen bösen Feind findet man flugs wieder zusammen und schon ist alles wieder eitel Sonnenschein.
Im zweiten Teil des Abends wird die Blödelei immer stärker, das fängt bei den sehr saloppen Übersetzungen an, "Schnucki", "Hasi", "Blödmann" heißt es da oder schon auch mal "Scheiße", wenn etwas gar nicht hinhaut, um im Jargon zu bleiben. Aber auch die bildlichen Paraphrasierungen im Blue Screen rasten immer mehr aus, und auf einmal tanzen zum musikalischen Schlachtengetümmel lauter Totengerippe einen heißen Rock'n'Roll mit der Dirigentin am Cembalo. Den einen mag's genervt haben, den anderen, so wie mich, hat es erfreut, denn die Persiflage auf den Krieg hat sich folgerichtig gesteigert, und drum ist auch die in vielen Theaterwerken nach der Pause so gern einsetzende Ermüdung weitgehend ausgeblieben.
Die sich ins Wahnwitzige steigernde Inszenierung lässt auch über manche musikalische Schwäche hinwegsehen, wenn zum Beispiel die Soloflöte zu tief gestimmt ist oder die Abstimmung zwischen Sängern und Dirigentin Cornelia von Kerssenbrock nicht mehr so hundertprozentig ist. So gabs insgesamt wenig Grund zum Klagen, außer für die wunderbare Sängerin Emily Fultz in einer der berühmtesten Arien der Musikgeschichte.
Sendung: "Allegro" am 12.12.2022 ab 06:05 Uhr auf BR-KLASSIK
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