Vor drei Jahren hat Romeo Castellucci einen neuen "Don Giovanni" bei den Salzburger Festspielen vorgestellt. Eine Produktion, die die Oper ordentlich entstaubt hat. Jetzt hatte die Wiederaufnahme in Salzburg Premiere.
Bildquelle: dpa-Bildfunk/Barbara Gindl
Peitsche, Katapult, Knalleffekt – das sind Wörter, die einem in den Sinn kommen können bei dieser Produktion. Auf der Bühne fliegen die Fetzen, sei es zwischenmenschlich oder ganz real, wenn vom Himmel ein Klavier oder sonst was kracht. Und im Graben schnalzt Feuermagier Teodor Currentzis Leuchtraketen unterschiedlichster Glitzergrade in das Große Festspielhaus. Bricht abrupt ab, spannt, federt, ficht und wirbelt. Eine Waffe, vom ersten bis zum letzten Takt.
Da brennt also was, keine Frage. Und das ist insofern ein bisschen lustig, als in der Inszenierung von Romeo Castellucci eigentlich gar nichts brennt. Sie ist wunderbar ästhetisch geformt, mit mal klugen, mal überflüssigen Metaebenen durchsetzt und mit vielen starken Bildern wunderschön anzusehen. In den Arien bleibt den Darstellenden bestes Rampen- und Gestentheater vom letzten Jahrhundert.
Davide Luciano als "Don Giovanni" in der Inszenierung von Romeo Castellucci bei den Salzburger Festspielen 2024 | Bildquelle: © Salzburger Festspiele/Monika Rittershaus
Aber das ist natürlich Konzept. Botschaft: Mozart gibt uns den Weg schon vor. Gut für die Stimmen, die in dieser Wiederaufnahme teilweise jene vom Premierenjahrgang 2021 sind. Nadezhda Pavlova hat als Donna Anna nach wie vor einen raumgreifenden und koloratursicheren Sopran, Federica Lombardi steht ihr vokal als Donna Elvira kaum nach, vermag sich aber tiefer und dramatischer in die Figur zu versetzen. Und Davide Luciano hat auch 2024 sichtlich Freude und hörbar Stimmpower, den Lustmolch in allen Schattierungen bis zum düsteren Ende zu performen. Neu hinzu gekommen ist u.a. Julian Prégardien als sich im Outfit ständig wandelnder Ottavio. Seine gewohnt schlank timbrierten und in der Höhe mühelosen Verzierungen stehen der Figur gut, allerdings hat er einen durchwachsenen Abend mit teilweise unsicherer Intonation, was sich in den Folgevorstellungen legen dürfte.
Aus dem Graben bekommen alle auf der Bühne jedenfalls eine Unterstützung, die man häufig bei Opern vermisst. Explizit erwähnt sei Maria Shabashova, die am Hammerklavier in den Rezitativen Wunder – ja, man muss schon sagen: komponiert. Und Dirigent Teodor Currentzis nimmt penibel-sensibel Acht auf den Rest der Begleitung: wirbelt jede Verzierung in den Handspitzen mit, nimmt das Orchester gerne stark zurück, manchmal zugunsten eines Effekts, der Puristen vermutlich stören könnte. Andererseits: so reine Kunst bekommt man selten. Und nach allem, was man so über Mozart zu wissen glaubt, darf man vermuten: Peitsche, Katapult und Knalleffekt, das hätte ihm wohl auch gefallen.
Sendung: "Allegro" am 29. Juli 2024 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK
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