Alle Jahre wieder zur Weihnachtszeit gleitet ein amerikanischer Schlitten durch Radiostationen, über Weihnachtsmärkte und durch geschmückte Wohnzimmer: "Sleigh Ride" von Leroy Anderson. Seit seiner Uraufführung vor über 75 Jahren gehört er zu den Top-10 der Christmas-Songs in den USA. Entstanden ist der Weihnachtsklassiker allerdings in einer Zeit, in der die Sehnsucht nach Idylle besonders groß war.
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Es ist ein ungewöhnlicher Sommer im Jahr 1946. Der Komponist Leroy Anderson ist quasi arbeitslos. Denn der Krieg ist seit einem Jahr vorüber. Captain Anderson hat für den Geheimdienst der US-Armee gearbeitet. Er ist sprachlich ungeheuer fit, beherrscht Französisch, Schwedisch, Isländisch und auch Deutsch. Bislang hat er Tag für Tag feindliche Nachrichten entschlüsselt, war im Pentagon, war in Schweden. Damit ist Schluss, das Militär muss sparen.
Jetzt könnte er wieder mehr komponieren. Aber so leicht fällt es Leroy Anderson nicht, den Schalter umzulegen: von Krieg auf Kunst. Anderson geht in jenem Sommer mit seiner Familie aufs Land, nach Woodbury, Connecticut. Er schwitzt, die Luft steht. Kein Wunder, die Sonne brüllt vom Himmel, es hat 38 Grad im Schatten. Connecticut erlebt eine der heftigsten Hitzewellen der Geschichte. Wie wohltuend wären da ein paar Schneeflocken….
Erleben Sie Weihnachtsmusik aus aller Welt, am 15. Dezember 2024 von 10:00 bis 0:00 Uhr auf BR-KLASSIK.
Es ist die Sehnsucht nach dem Winter, die Anderson erst mal nur den Titel seines neuen Stücks aufs Notenpapier schreiben lässt: "Sleigh Ride – Schlittenfahrt". Anderson ist überrascht: Das Komponieren läuft erstaunlich gut, es erheitert und erfrischt ihn. Trotzdem, so richtig flutscht der Schlitten noch nicht. Als Anderson nach mehreren Monaten auf dem Land nach New York zurückkehrt, schiebt er den Schlitten aufs Abstellgleis. Für fast zwei Jahre.
Und dann, auf einmal sprudeln die Ideen aus ihm heraus. Vielleicht hat er sich ein bisschen von Leopold Mozarts "Schlittenfahrt" inspirieren lassen. Wer weiß. Was Anderson zuerst für einen gelungenen Anfang gehalten hat, rutscht in den Mittelteil. Anderson schreibt einen neuen, einen atmosphärisch-winterlichen Einstieg, mit Glöckchen, mit knallender Peitsche und klappernden Hufen. Jetzt hebt Andersons Schlitten endlich ab.
Das Boston Pops Orchestra schlittert durch eine umjubelte Uraufführung, und sorgt für Winterstimmung im Mai des Jahres 1948. Bald schon folgt ein romantischer Text, geschrieben von Mitchell Parish – in dem jemand von einer zweisamen Fahrt im Schlitten träumt. Damit ist der Erfolg des "Sleigh Ride" endgültig besiegelt und kein Schneepflug kann ihn stoppen. Bis heute nicht.
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1950 version: Leroy Anderson - Sleigh Ride
Zugegeben, es kann durchaus passieren, dass einen das Pling Pling zu Beginn ein wenig triggert – und man sich fühlt wie im überhitzten Kaufhaus. Aber es gibt da eine Aufnahme, die alle Kitschklischees über den Schneehaufen wirft: Leroy Anderson hat seinen Superhit im Jahr 1950 persönlich dirigiert. Bei ihm hat der "Sleigh Ride" einen derart mitreißenden Swing, eine Fröhlichkeit, dass einem selbst bei minus 20 Grad warm ums Herz wird.
Sendung: "Allegro" am 11. Dezember 2024 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK
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