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Kritik - "Die wunderbaren Jahre" in Regensburg Oper gegen DDR-Verklärung

Mit der Uraufführung von Torsten Raschs fünfter Oper "Die wunderbaren Jahre" setzt das Theater Regensburg ein Zeichen gegen die Verklärung der DDR-Vergangenheit, gegen Feindbilder und die Unmenschlichkeit politischer Systeme.

Jonas Atwood, Sophie Bareis & Svitlana Slyvia in der Oper "Die wunderbaren Jahre" am Theater Regensburg, 2025 | Bildquelle: Tom Neumeier Leather

Bildquelle: Tom Neumeier Leather

Reiner Kunzes Buch "Die wunderbaren Jahre" kam 1976 in Westdeutschland heraus und dokumentiert in kurzen Episoden Aussagen von jungen Menschen aus der DDR zu ihrem Leben. Der Dresdener Komponist Torsten Rasch kaufte sich damals als Kreuzchorist das im Osten verbotene Buch auf einer Konzertreise und schmuggelte es in die DDR. Seit langem hatte er vor, den Stoff einmal zu vertonen. Als der Auftrag des Regensburger Theaters für eine Oper kam, gab es bereits einige Szenen, denn eigentlich hatte Rasch ein großes Oratorium vorgeschwebt.

Oper "Die wunderbaren Jahre": Uraufführung am Wahlabend

Am Theater am Haidplatz kam "Die wunderbaren Jahre" nun als 90-minütige emotionale Achterbahnfahrt für vier Protagonisten und neunköpfiges Musikensemble unter der Leitung von John Spencer genau nach Schließung der Wahllokale heraus. Ein letzter Check auf die Hochrechnungen, und dann 90 Minuten Eintauchen in die Zeit vor der Wende, in die Jugend von Kindern, denen der Hass auf den Klassenfeind eingetrichtert wird, die keine Nickelbrillen in der Schule zu tragen haben, deren Scheitel gerade zu sein hat, und denen es verwehrt wird, auf die Beerdigung eines Mitschülers zu gehen, der sich umgebracht hat. Torsten Rasch kombiniert die Vertonung der Texte Reiner Kunzes mit Elementen aus Volks- und Heimatliedern wie "Wenn ich ein Vöglein wär", "Die Blümelein, sie schlafen" oder "Heimat".

Unmenschlichkeit des DDR-Systems

Immer mehr verzerrt sich die Orchesterbegleitung, immer schmerzhafter reiben sich die Stimmen, immer größer werden die Widerstände und Unvereinbarkeiten. "Die wunderbaren Jahre" seien trotz allem eben auch die schönste Zeit der Jugend gewesen, so Torsten Rasch im Vorgespräch zu seiner Oper, doch die Unmenschlichkeit des Systems hinterlässt überall Spuren. Sie gipfelt musikalisch in der Szene der Mutter, die ihren Sohn nach dem vereitelten Fluchtversuch in der Urne zurückbekommt. In der Oper folgen ein instrumentales Requiem und ein Epilog, der ein tief betroffenes und berührtes Publikum im Regensburg von 2025 zurücklässt.

Torsten Raschs bewegendes Werk gegen das Vergessen

Jonas Atwood & Sophie Bareis in "Die wunderbaren Jahre" am Theater Regensburg, 2025 | Bildquelle: Tom Neumeier Leather Jonas Atwood und Sophie Bareis in der Oper "Die wunderbaren Jahre" am Theater Regensburg. | Bildquelle: Tom Neumeier Leather Dazu trägt auch Sabine Sterkens eindringliche Regie bei, in der die vier Protagonisten in ständiger Bewegung um einen überdimensionalen Metallstuhl mit Gitter kreisen. Aus grauen Pappkartons packen sie ihre Erinnerungsstücke aus, in Plastikfolie drohen sie zu ersticken, hinter der Metalltür lockt gelegentlich die Freiheit, wäre da nicht der Stacheldraht.

Großartig schlüpfen die Sängerinnen Sophie Bareis und Svitlana Slyvia, die Schauspielerin Franziska Sörensen und Bassist Jonas Atwood in die verschiedenen Charaktere und vereinen sich als eindringliche, mahnende Stimme aus der deutschen Vergangenheit gegen Verklärung und Vergessen einer Zeit ohne Freiheit und ohne Wahl.

"Die wunderbaren Jahre" am Theater Regensburg

Mehr Informationen zu den Folgevorstellungen und der Inszenierung finden Sie hier.

Sendung: "Allegro" am 24. Februar 2025 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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