Seit rund 1.000 Tagen ist in der Ukraine Krieg, das Konzertleben dort liegt weitgehend brach. Cellistin Raphaela Gromes ist derzeit mit dem Nationalen Sinfonieorchester der Ukraine unter der Leitung von Wolodymyr Sirenko auf Deutschlandtour, jetzt stehen Konzerte in München und Ingolstadt auf dem Programm. Vor ziemlich genau einem Jahr wagte sich Gromes nach Kiew und spielte dort ein Konzert – Auftakt für eine intensive künstlerische und menschliche Zusammenarbeit.
Bildquelle: BR/Ralf Wilschewski
Cellistin Raphaela Gromes erinnert sich noch eindrücklich an ihr Konzert in Kiew – obwohl es inzwischen fast ein Jahr her ist. Den 6. Dezember 2023 hat die Münchnerin so in Erinnerung: "An dem Nachmittag war tatsächlich einer der intensivsten Bombenalarme." Alle im Orchester hätten sich gefreut, als der Bombenalarm aufgehoben wurde. "Wir haben natürlich gebibbert und gebebt, denn während eines Bombenalarms kann man auch kein Konzert spielen. Dann hätten die Zuschauer das Zuhause gar nicht verlassen können. Und wir waren so glücklich, als wir wussten: Wir können jetzt einfach spielen."
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Für den Chefdirigenten des ukrainischen Nationalorchesters, Wolodymir Sirenko, war das eine große Ehre und ein wichtiges Zeichen. Denn seit dem Ausbruch des Krieges gibt es solche Konzerte mit Klassik-Stars nicht mehr oft. "Nicht alle sind so mutig", sagt er. Denn immer wieder gibt es auch während eines Konzerts Bombenalarm. Dann müssen Orchestermitglieder und das Publikum schnell sein und einen Luftschutzbunker aufsuchen. Auch beim Proben gehört das zum Alltag dazu, erzählt Sirenko.
Bildquelle: Raphaela Gromes (via YouTube) Das Konzert damals war ein prägendes Erlebnis: Raphaela Gromes und Wolodymyr Sirenko entschieden danach, dass sie weiter zusammenarbeiten wollen. Im Sommer bringen sie ein Album heraus. Inzwischen sind sie gemeinsam auf Tournee, hauptsächlich in Deutschland. In einem YouTube-Video über das Projekt sagt Orchesterchef Oleksandr Hornostai: "Wir haben uns mittlerweile an die neue Situation gewöhnt. Im Grunde können wir als Orchester für die Ukraine nichts anderes tun, als mit der Musik weltweit auf uns aufmerksam zu machen, deshalb haben wir viel erlebt in den letzten Jahren."
Außer regelmäßigen Konzerte in Kyiv in der Ukraine hat das Orchester etwa in Taiwan oder in den USA gespielt. Für solche Reisen bekommen sie Sondergenehmigungen, auch für die Konzerte in Deutschland mit Raphaela Gromes. Die Cellistin will die Botschaft des Orchesters unterstützen: "Ich möchte einfach ein Stück weit aufmerksam machen, was immer noch Schreckliches passiert, tagtäglich sterben Menschen dort. Ich kenne wirklich keinen, ich hab jetzt mit so vielen Menschen gesprochen, die nicht einen Bruder oder einen nahen Familienangehörigen oder einen besten Freund verloren haben."
Ich möchte ein Stück weit aufmerksam machen, was immer noch Schreckliches passiert.
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Mit dem ukrainischen Nationalorchester spielt Gromes Dvoraks Cello-Konzert, aber auch Stücke von ukrainischen Komponistinnen und Komponisten. Zum Beispiel "We are" von Yuri Sevchenko. Für Dirigent Wolodymyr Sirenko ist das mehr als ein Kulturaustausch. "Es ist äußerst wichtig für uns, die ukrainische Musikkunst zu erhalten und zu fördern – gerade jetzt. "We are", also "wir sind" – das ist der Inbegriff unserer Existenz. Wir sind am Leben, wir spielen Musik, wir sind unter euch – aber wir kommen auch zurück in die Heimat", betont er.
Wir sind am Leben, wir spielen Musik, wir sind unter euch – aber wir kommen auch zurück in die Heimat.
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