"Böses ist nicht normal, die Welt muss geheilt werden". Sätze wie diese prägen das Werk Mieczyslaw Weinbergs. Bei den Salzburger Festspielen steht dieses Jahr seine Oper "Der Idiot" auf dem Programm. Ein Appell an unser Mitgefühl.
Bildquelle: Bernd Uhlig
Auf den ersten Blick ist die Oper "Der Idiot" von Mieczyslaw Weinberg eine Dreiecksgeschichte: ein Mann zwischen zwei Frauen. Aber in seinem siebten und letzten Bühnenwerk verhandelt der polnisch-sowjetische Komponist viel mehr. Titelheld ist Fürst Myshkin, die Inkarnation des "guten Menschen", der gegen eine korrupte Gesellschaft ankämpft. Wie er das macht, ist für seine Umgebung die reine Provokation: nur Schönheit und Mitgefühl, sagt er, könnten die Welt retten. Gottesnarr, Philosoph, Träumer? Für den Tenor Bogdan Volkov ist Myshkin das alles – und vor allem auch die größte Rolle, die er jemals gesungen habe: "Aber eine Rolle, bei der ich immer wieder ausruhen und neue Kraft schöpfen kann. Für die musikalische Unterstützung, die wir hier erfahren, bin ich sehr dankbar, denn es ist keine einfache Oper."
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Dirigentin Mirga Grazinytė-Tyla | Bildquelle: © Frans Jansen Für die Umsetzung der hochkomplexen Partitur ist Mirga Grazinytė-Tyla zuständig, die damit ihr Debüt am Pult der Wiener Philharmoniker gibt. 2012 hat die Litauerin in Salzburg den Young Conductors Award gewonnen. Sie brennt für die Musik Weinbergs: "Was Weinberg in diesem Stück motivisch macht, ist unglaublich: Er greift auf das Leitmotivsystem Wagners zurück und multipliziert es noch um ein Vielfaches. Die Musik enthält unglaublich viele Subtexte im Verhältnis der Figuren zueinander."
Mit Schönheit die Welt retten – nichts anderes will Fürst Myshkin. Eine vertrauensvolle Seele; ein Mensch, der in seinen Mitmenschen nur das Beste sieht; einer, der helfen, unterstützen, vergeben möchte. Mit Schönheit die Welt retten – ist das, fragt Regisseur Krzysztof Warlikowski, nicht auch eine Aufgabe der Kunst? "Die menschliche Natur besteht nicht darin, böse zu sein. Nach dem Krieg haben wir uns bemüht, eine bessere Welt zu erschaffen. Diese Fortschritte haben wir aber nicht erzielt. Doch Mitgefühl ist etwas, das in uns lebt. Und nur die Kunst ist in der Lage, Mitgefühl zu transportieren – um uns selbst zu heilen und uns wieder in ein Gleichgewicht zu bringen."
Nur die Kunst ist in der Lage, Mitgefühl zu transportieren – um uns selbst zu heilen und uns wieder in ein Gleichgewicht zu bringen.
Böses ist nicht normal, die Welt muss geheilt werden, die Schönheit ist nicht tot, sie ist nur in Ungnade gefallen. Diese Sätze stehen über Weinbergs Leben und in seinem gesamten Werk – und ganz besonders in seinem "Idioten". Weinberg überzieht diese Aussagen mit schroffer, schneidend scharfer, brutaler Musik – aber noch mehr mit zarten Klängen von überirdischer Schönheit. Eben, wie die Titelfigur dieser Oper, nicht von dieser Welt.
Sendung: "Allegro" am 2. August 2024 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK
Kommentare (1)
Donnerstag, 08.August, 11:14 Uhr
Beate Schwärzler
"Der Idiot" ::: Dostojewski // Weinberg
"Mit Schönheit die Welt retten." - Von Michael Atzinger.
Ach, lieber Michael Atzinger, ich glaube, daran habe ich auch einmal geglaubt und es versucht. Ich wollte vielleicht nicht gleich die ganze Welt retten. Aber Seelen.
Ich gehörte zu denen, die empfänglich sind für Schönheit und die sich einfach nicht vorstellen können, daß es Menschen gibt, die sich von Schönheit nicht berühren lassen.
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Und .... Mitgefühl... Ja.
"Äh, bist ja blöd" - Oft habe ich es gesagt bekommen und doch nicht glauben wollen.
Tja.