Auf der Hit-Liste der Weihnachtsklassiker steht "Stille Nacht – heilige Nacht" ganz oben. Milliarden von Menschen singen das Lied zu Weihnachten. Es wurde in über 300 Sprachen übersetzt. Entstanden ist es vor mehr als 200 Jahren im kleinen Ort Oberndorf im Salzburger Land.
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Schnell geht es mit dem Komponieren an diesem 24. Dezember 1818. Das Team: der Dorflehrer und Organist Franz Xaver Gruber und der Hilfspriester Josef Mohr. Beide sind sich einig: die Melodie soll einfach sein und gut zu singen. Ohne Orgel, lieber mit Gitarre – für zwei Solostimmen und vielleicht noch mit Chor. Ganz intim, wie ein Hirten- oder Wiegenlied – passend zum Text: "Stille Nacht! Heilige Nacht! Alles schläft, einsam wacht nur das traute hoch heilige Paar. Holder Knabe im lockigen Haar, schlaf in himmlischer Ruh', schlaf in himmlischer Ruh'."
Die Verszeilen hat Josef Mohr schon zwei Jahre zuvor geschrieben – in düsteren Zeiten und einem Jahr, das man heute als "Jahr ohne Sommer" bezeichnet. Die ungeheuren Aschewolken des indonesischen Vulkans Tambora hatten nach seinem Ausbruch die Atmosphäre verschmutzt. In Europa herrscht Kälte und Dauerregen. Dazu kommen die Folgen der Napoleonischen Kriege. Die Menschen hungern und frieren. Mohrs Zeilen sollen zu Weihnachten Hoffnung geben.
Noch am Tag der Entstehung wird Stille Nacht uraufgeführt: nach der Christmette in der Nikolauskirche. Die Gemeinde ist begeistert. Dann beginnt die Reise des Liedes und seine schier unvergleichliche Erfolgsgeschichte. Die "Tiroler Nationalsänger" tragen es gen Norden, es landet in Gesangsbüchern in den evangelischen Gebieten Deutschlands und wird zur Kernmarke familiärer Weihnachtsfeiern. Auswanderer und Missionare nehmen es mit in die ganze Welt.
Auf seiner Reise erfährt "Stille Nacht" Abwandlungen. Aus dem 6/8- wird ein 3/4-Takt, aus D-Dur wird C-Dur, es fehlen Punktierungen. Von den ursprünglich sechs Strophen bleiben nur drei, die in ihrer Reihenfolge umgestellt werden und statt Jesus singt man Christ. Auf Anfrage der Berliner Hofmusikkapelle schickt Franz Xaver Gruber 1854 ein Notenblatt mit der Originalkomposition – um für Klarheit zu sorgen, auch, was die Urheberschaft angeht.
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Silent Night, Hallowed Night by Haydn Quartet (1905) with Lyrics
Auf Schallplatte gelangt die Salzburger Weise bereits 1905 – in einer a-capella-Version des amerikanischen Haydn Quartets. 1934 singt mit samtigem Bassbariton Bing Crosby "Silent Night" in einer Weihnachtssendung. Es folgen unzählige Pop-, Rock- und Schlagerversionen von Elvis Presley bis zu Helene Fischer. Doch gegen die Massenbegeisterung gibt es auch Widerstand. Die 68er-Studenten lästern über verlogenen bürgerlichen Schmalz. Weil zu emotional, weil zu wenig theologisch verschwindet die Melodie von "Stille Nacht" für 40 Jahre sogar aus dem Gotteslob, dem katholischen kirchlichen Gesangsbuch. Erst 2013 darf "Stille Nacht" dorthin zurückkehren.
Milliarden von Menschen singen das Lied alle Jahre wieder an Heilig Abend, in der Kirche oder unterm heimischen Weihnachtsbaum – in über 300 Sprachen. 2011 wird "Stille Nacht" von der UNESCO als immaterielles Kulturerbe in Österreich anerkannt. Und hunderttausend Touristinnen und Touristen pilgern alljährlich zum Ort, wo der Weihnachtsklassiker zum ersten Mal gesungen wurde. Die St.-Nikolaus-Kirche in Oberndorf gibt es nicht mehr. An ihrer Stelle steht die Stille-Nacht-Kapelle, in einer ihrer Wände eingemauert der Schädel des Textdichters Joseph Mohr.
Sendung: Allegro am 23. Dezember 2024 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK
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