Weihnachten ohne Weihnachtslieder? Undenkbar! Musik ist für die meisten elementar für das Fest und ganz eng damit verknüpft. Doch was genau macht die besondere Wirkung dieser Lieder aus? BR-KLASSIK hat mit dem Kulturwissenschaftler Gunther Hirschfelder über die psychologischen Aspekte der Weihnachtsmusik gesprochen.
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Überall ist es adventlich geschmückt, der Duft von frisch gebackenen Plätzchen liegt in der Luft, und die Menschen treffen sich in gemeinsamer Vorfreude auf den Weihnachtsmärkten. Das Herzstück dieser Zeit sind für viele die Weihnachtslieder, die uns seit Generationen begleiten. Egal, ob "Stille Nacht", "O Tannenbaum" oder Leroy Andersons "Sleigh Ride": Die Musik ist in besonderer Weise mit der Vorweihnachtszeit verknüpft, das bestätigt auch der Kulturwissenschaftler Gunther Hirschfelder von der Universität Regensburg. "Das liegt eben daran, dass Weihnachten das Traditionsfest ist, bei dem viel imaginiert wird. Das reicht von Heimat, über die heile Welt von früher und geht bis hin zu dem Ideal einer schönen Familie", sagt Hirschfelder. Diese emotionalen Verknüpfungen machen Weihnachtslieder so erfolgreich und bedeutend.
Die Musik transportiert viele positive Werte und Ideale. In Deutschland haben diese Lieder eine besonders lange Tradition. Nach der Reformation entstanden zahlreiche kirchliche Weihnachtslieder, und im 19. Jahrhundert wurde Weihnachten in den Familien zum wichtigsten Fest des Jahres. "Seitdem wird Weihnachten verbürgerlicht. In der Vorweihnachtszeit hat man in weiten Gebieten Deutschlands viel gesungen, in Schulen, in Universitäten, in Vereinen, im öffentlichen Raum", erläutert der Kulturwissenschaftler.
"Im Vergleich zu damals singen wir heute viel weniger gemeinsam. Unsere Welt ist digitaler geworden, wir konsumieren mehr, werden aber seltener musikalisch aktiv", so Hirschfelder. Interessanterweise bilden Weihnachtslieder eine Ausnahme. Viele Menschen stimmen beim Singen mit ein und kennen die Texte oft auswendig. Zwei Dinge kommen da zusammen: "Analoge Gemeinschaft und Selbstwirksamkeit auf der einen Seite. Traditionsverwobenheit auf der anderen Seite." Das sei das Rezept für den großen Erfolg, den Weihnachtslieder heute immer noch haben.
Dr. Gunther Hirschfelder hat die psychologische Funktion der Weihnachtslieder untersucht. | Bildquelle: BR/INTER/AKTION GmbH/Phoenix/ZDF Besonders beliebt seien heute eingängige, seichtere Weihnachtslieder, sagt Gunther Hirschfelder. Lieder mit starkem Bezug zu kirchlichen Inhalten hätten dagegen etwas an Bedeutung verloren. Doch die psychologische Funktion der Weihnachtslieder bleibt bestehen: "Das Weihnachtslied erfüllt natürlich noch eine psychologische Funktion. Es erinnert an die Kindheit. Das Besondere, also der Heilige Abend und all das, was damit verwoben wird, führt zusätzlich dazu, dass Weihnachtslieder heute noch immer eine so große Bedeutung haben." In einer Welt voller Unsicherheiten und Krisen sei es für viele Menschen wohltuend, sich in die beschauliche Kindheit zurückzuträumen.
Ein weiterer Aspekt, der die Wirkung von Weihnachtsliedern verstärkt, sei laut Gunther Hirschfelder ihre zeitliche Begrenztheit: "Wenn das Weihnachtslied das ganze Jahr über en vogue wäre, dann hätten wir es gar nicht so gern. Aber es ist rar, es passiert praktisch nur im Dezember, und diese Zeitbegrenztheit führt dazu, dass wir diese Zeit besonders intensiv wahrnehmen." Diese besondere Wahrnehmung trägt dazu bei, dass wir die Weihnachtslieder auch in der heutigen Zeit so sehr schätzen und lieben.
Weihnachtslieder sind also mehr als nur Melodien. Sie sind ein wichtiger Teil unserer kulturellen Identität und verbinden uns mit unseren Erinnerungen und Traditionen. In der Vorweihnachtszeit zaubern sie Freude und Nostalgie in unsere Herzen und machen das Fest zu etwas ganz Besonderem.
Sendung: "Allegro" am 16. Dezember 2024 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK
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